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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

noch einmal in das heilige Haus hineinzugehen und die „Schatzkammer“ und Aehnliches zu betrachten. Aber an diesem hellen Abende wurde es mir unmöglich. Und wie einst die Meerwalachen, nachdem das Haus über’s Meer gewandert war, herüberpilgernd riefen: „O Madonna, kehre bei uns ein!“ so sendete ich gleichartige Wünsche der Sonne nach, die mir als Sinnbild einer kommenden Zeit heute zu früh hinter dem blauen Apennin verschwand.




Blätter und Blüthen.


Missionswesen. Wir erhalten vom Cap der guten Hoffnung folgende Zuschrift eines dort lebenden Landsmanns:

Capstadt, 8. August 1873.
An die Redaction der „Gartenlaube“.

Es giebt leider noch viele Menschen in Deutschland, welche aus Unkenntniß der Sache nichts Besseres mit ihrem Gelde anzufangen wissen, als es an Missionsgesellschaften zu geben; Schillinge und Pfennige wandern in die Welt hinaus, um „Heiden zu bekehren“, aber das Elend zu Hause wird darüber vergessen. Wie thöricht dieses Verfahren ist, das sieht man nirgends besser, als in dem nicht fern von hier liegenden Natal, wo ich mich ein paar Jahre lang aufgehalten habe. – Der Zulu-Kaffer, so lange er nicht „bekehrt“ ist, besitzt alle die Tugenden, welche wir oft bei Weißen entbehren: er ist grundehrlich, wahrheitsliebend, streng sittlich, obgleich er nackt ist, sehr stolz auf seine Würde als Zulu, und von feinem Ehrgefühl. Dabei ist er kindlich vergnügt und friedfertig, und einem nackten Kaffer kann man unbedingt Vertrauen schenken. – Sobald er aber bekleidet, das heißt christianisirt ist – denn weiter als auf die Kleidung erstreckt sich die Bekehrung nicht – verliert er in der Regel alle die guten Eigenschaften und schlägt um in das gerade Gegentheil. Das wissen auch die Leute in Natal sehr genau, und sogar diejenigen, welche zu den Frommen zählen, und demnach conventioneller Weise das Missionswesen beschützen müssen, sehen sich sehr vor, einen christianisirten Kaffer in den Dienst zu nehmen, und ziehen stets sogenannte „rohe Kaffern“ vor.

Ich weiß, daß die „Gartenlaube“ Alles thut für die „innere Mission“, das heißt für die wahre innere Mission, indem sie Wahrheit und Licht zu Tage fördert, wo sie es kann, und ich würde Ihnen daher schon längst Einiges über den Gegenstand dieses Briefes mitgetheilt haben, wenn ich nicht gewünscht hätte, Ihnen schlagende Beweise zu senden. Ohne die glaubt man zu Hause doch nicht an die glaubwürdigsten Dinge, und eine ganze Masse Menschen thut’s auch überhaupt nicht.

Ich erlaube mir nun, Ihnen eine Zeitung von Natal („Natal Mercury“) vom 24. Juli zu senden, in welcher ich Sie besonders auf die mitgetheilte Stelle aus der Rede des Bischofs Kolenso aufmerksam mache. Ueber denselben brauche ich wohl kaum irgend etwas hinzuzufügen; sein Name ist nicht in Südafrika allein, sondern auch in Europa rühmlichst bekannt, und es unterliegt keinem Zweifel, daß er zu den allergescheidtesten und aufgeklärtesten Mitgliedern der englischen Kirche gezählt werden muß. – Um den Missionaren volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, möchte ich noch hinzufügen, daß sie allerdings um Sprachforschungen sich wohl überall sehr verdient gemacht haben. Indessen ist dies doch wohl nicht der eigentliche Zweck, weswegen sie Gelder sammeln und in die Welt geschickt werden.

Ich hoffe, mein kleiner Beitrag ist Ihnen willkommen für Ihr Blatt und zeichne mich hochachtungsvoll

W. S.

Der Auszug aus der Rede des Bischof Kolenso lautet:

„Alle diese Missionen wirken nur an den Grenzlinien unserer eingeborenen Bevölkerung. Wir müssen unsere Schulen in die Mitte der Stämme verlegen, unter die Augen der Häuptlinge, und sie unter den Schutz des obersten Häuptlings stellen. Nicht nur auf das gewöhnliche Lernen, sondern hauptsächlich auf industrielle Fertigkeiten soll sich der Unterricht erstrecken. Ich fürchte, daß, wenn wir die Erziehung des Kopfes zu sehr bevorzugen und die der Hand darüber vernachlässigen, die Sorge für ihren Unterhalt uns große Schwierigkeiten machen wird. Zur Erläuterung will ich Ihnen eine kleine Geschichte erzählen, welche in einem Nachbarlande (Zanzibar) stattfand, das vor Kurzem noch an dem Betrieb des Sclavenhandels thätigen Antheil nahm.

Es giebt dort eine Erziehungsanstalt unter dem Schutze der Kirche von England, wo die jungen Bursche mit viel Mühe und Zwang so weit dressirt werden, als es ihr Kopf nur erlaubt. Fünf von ihnen, welche man für genügend unterrichtet hielt, um das Licht, welches sie empfangen, unter ihren dunkeln Mitbrüdern weiter zu verbreiten, wurden auf das Festland hinüber gebracht, um dort als Missionäre zu wirken. Nach einiger Zeit erfuhr man zum größten Schrecken der Mission, daß die fünf Bursche in die Sclaverei verkauft worden, und nach weiteren Nachforschungen stellte sich heraus, daß die missionare Erziehung so herrliche Früchte getragen hatte, indem die zwei älteren Katecheten ihre jüngeren Collegen verkauft hatten. (Großes Gelächter.)

Nun, ich glaube, daß unsere Schulen hier derart sein müssen, daß sie unsere Eingeborenen anleiten, fleißig und ehrlich zu sein, die Wahrheit zu reden, einander freundlich und gutherzig zu begegnen, den Gesetzen zu gehorchen und die Regierung zu achten, und wenn wir diese Erfolge erzielen, so glaube ich, daß wir noch etwas mehr gethan haben, als wenn wir ihnen nur die ersten Anfangsgründe des Christenthums beibringen, denn Leute von solchem Charakter sind gewiß nicht fern vom Reiche Gottes – näher vielleicht als Diejenigen, welche durch ihr Geschrei und Toben die Ruhe unserer Stadt störten.“ (Bezieht sich auf Ruhestörungen, welche von den frommen Besuchern einer Capelle in den anstoßenden Straßen verübt wurden.)



Kleiner Briefkasten.


Antwort auf vielfache Anfragen, betreffend Nicol’sches Prisma und Crythroskop. Anläßlich meines Aufsatzes über die Farben der Landschaft in Nr. 33 der Gartenlaube sind eine Reihe von Anfragen über die Bezugsquellen der darin erwähnten Vorrichtungen an die Redaction gelangt, auf die ich Nachstehendes zu erwidern habe. Das Nicol’sche Prisma ist durch jedes größere Geschäft für physikalische und optische Instrumente zu beziehen, in Berlin zum Beispiel durch die Firma Rohrbeck, Neustraße. Der Preis wird sich auf drei bis zehn Thaler stellen. Das Crythroskop ist in zweierlei Combinationen für einen halben Thaler von Herrn Optiker Immisch in Görlitz zu beziehen, die beide einen sehr schönen Effect gehen. Der von ihm als Crystrophytoskop I bezeichnete Apparat zeigt das Pflanzenlaub korallenroth, Nr. II carminroth. Wer nur eines wählen will, möge das Erstere vorziehen. Die von Herrn Immisch als Crythroskop und Melanoskop bezeichneten Instrumente sind weniger effectvoll. Im Uebrigen kann sich Jeder die erstgenannte Vorrichtung selber anfertigen, wenn er zwei dunkelblaue Kobaltgläser mit zwei dazu passenden gelben Eisengläsern (wie sie sich in jeder Glaserwerkstätte finden werden) in einem brillenartigen Pappgestell, welches das Seitenlicht abhält, anbringt. Als ich mich mit dieser Zusammenstellung beschäftigte, hat sich mir eine bisher noch nirgend beschriebene Combination ergeben, die ohne Zweifel von allen genannten die merkwürdigste ist. Wenn man nämlich verschieden intensiv gefärbte Stücke von Kobaltglas mit goldgelbem Eisenglase vereinigt, so findet man bald eine mittlere Nüance, welche mehr gelbgrüne Strahlen hindurchläßt, als die zum Crythroskop geeignetste. Das Pflanzengrün sieht, durch dieselbe betrachtet, nicht korallenroth, sondern schmutzig leberbraun aus. Eine aus solchen sorgfältig gewählten Gläsern gefertigte Brille verwandelt die im lachendsten Grüne prangende Landschaft (welche von der Sonne beschienen sein muß) sofort in ein Spätherbstbild mit gänzlich fahlem, entfärbtem Laube, wobei indessen verschiedene gelbliche und röthliche Töne gerade wie in der Natur hervortreten. Dabei zeichnet sich mein Herbstglas noch ganz besonders dadurch aus, daß die Farben aller übrigen Gegenstände fast gar nicht verändert werden; der Himmel erscheint blau, die Wolken weiß, die Erde grau, die Blumen in ihren natürlichen Farben; solche Verwandlung eines Frühlingsbildes in ein Herbstbild geschieht wie durch plötzlichen Zauber.

Carus Sterne.




Habsburg und Hohenzollern.
Zum neunundzwanzigsten September.[1]


Sechshundert Jahr’ ist’s heut! Ein Hohenzoller,
Held Friedrich, Nürnbergs Burggraf, kündet laut:
„Habsburg, Dir ist die Krone anvertraut,
Wie keine aller Lande ehrenvoller!“ –

5
Sechshundert Jahr’! Ein Feind, ein ehrentoller,

Wie grimmig er an’s alte Reichsthor haut!
Da bändigt ihn und züchtigt ihn und baut
Sich einen Kaiserthron ein Hohenzoller.

Zwei Kaiserstädte! Traun, ein kühnes Wagen!

10
Im Süden, stolz des alten Purpurs, Wien,

Im Norden, stramm im Jugendschmuck, Berlin –

Und doch, es ist kein Trug in diesen Tagen:
Zu solcher Höh’ ist deutsche Kraft gediehn –
Fürwahr – sie kann zwei Kaiserkronen tragen!

Fr. Hfm.




Nicht zu übersehen!

Mit dieser Nummer schließt das dritte Quartal unserer Zeitschrift. Wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Verlagshandlung.


Außer dem Schluß der Erzählung von Lienhardt: „Künstler und Fürstenkind“, erscheinen im nächsten Quartale noch:
Erzählungen von L. Schücking und A. Godin.

Aus der Reihe der unterhaltenden und belehrenden Artikel heben wir hervor: „Aus den amerikanischen Gefängnissen“, von Franz von Holtzendorff. – „Vor fünfundzwanzig Jahren in Frankfurt a. M.“ – „Eine deutsche Malerherberge im Sabinergebirge“ und „Der Eingekerkerte von Hohen-Urach.“

Die Redaction.

Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
  1. Am 29. September 1873 sind sechshundert Jahre vergangen, seit Rudolf von Habsburg zum deutschen Kaiser gewählt wurde und der Hohenzoller, Burggraf Friedrich von Nürnberg, die Wahl betrieb und dem Gewählten zuerst verkündete.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 638. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_638.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)