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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


Jahrhundert hinaus; der notorisch bejahrteste stammt aus 1733, er ist ebenfalls ein Tiroler, wo überhaupt in früheren Zeiten eine bessere Cultur geherrscht haben mag, als heutzutage, wie dies die Pflugsammlung durch ein anderes, sehr altes Geräth aus dem Pusterthale darthut. Das einfache Ackerwerkzeug, früher zum größten Theil nur aus Holz gefertigt, forderte und erlangte keine Pietät; war es abgängig geworden, so wurde es zusammengeschlagen und das Brauchbare anderweit benutzt, daher kommt es leider selten genug vor, daß es erhalten bleibt und auf die Nachwelt gelangt.

Einen Pflug hat aber doch die Pietät eines dankbaren Volkes vor der Vernichtung gerettet und ihm einen Cultus der Erinnerung gewidmet. Es ist dies der Kaiser-Joseph-Pflug. Er bildet den Mittelpunkt der Sammlung, den Hauptaltar mit dem Allerheiligsten im „Tempel des Pflugs“. Auf erhöhtem Postament – den Angriffen reliquiensüchtiger Touristen entrückt – steht das schlichte, armselige Werkzeug, das des großen Kaisers Hand berührt und geheiligt hat. Es ist ganz aus Holz, mit Ausnahme des Schars und der kleinen Pflugschippe, kein Stückchen Eisen daran, sogar die Räder des Vordergestells, deren Kranz aus einem Aste gebogen ist, sind völlig unbeschlagen; das Streichbrett ist ein gerades Holz, und als Befestigung zwischen Baum und Karre dient ein gedrehter Weidenring. Der Zahn der Zeit hat das ehrwürdige Geräth schon stark geschädigt; nichtsdestoweniger bildet es einen Schatz des Museums für Landeskunde in Brünn, welches denselben dem österreichischen Ackerbauministerium für die Dauer der Ausstellung überlassen hat; denn in Mähren ist es gewesen, auf den Feldern bei Wischau, wo am 19. August 1769 Kaiser Joseph der Zweite diesen Pflug geführt hat. Es war nicht blos eine Anwandlung fürstlicher Laune, die den Monarchen dazu antrieb; er wollte das mißachtete Geräth zu Ehren bringen und er hat es dazu gebracht; seit Kaiser Joseph den Pflug geführt, ist Ackern „adelig Handwerk“ geworden und die Landwirthschaft, vordem gut genug für Solche, die zu nichts Anderem taugten, wieder in den Rang jener Berufe getreten, die nach Cicero’s Ausspruch „des freien Mannes würdig sind“. Der Kaiser war aus dem Wagen gestiegen und zu dem Bauer getreten, der eben sein mageres Gespann anhielt, um den Fürsten vorüber fahren zu sehen. „Laß mich einmal probiren, Alter,“ sagte er gütig, „wie sich’s im Felde arbeitet.“ Und er nahm dem erschrockenen Landmanne die Sterzen aus der Hand, während dieser auf sein Geheiß die Pferde lenkte. Der hohe Herr fand sich leicht in das ungewohnte Thun. Dort ist der Boden mild, und die Art des Werkzeugs verbot jede größere Kraftanstrengung. „Eine gute Arbeit,“ sprach der Kaiser mehrere Male für sich, während er in der Furche ging; nebenbei fragte er das Bäuerlein über mancherlei aus, und erhielt Antworten, die ihn öfters den Kopf schütteln ließen. Neun Furchen – nach Andern siebzehn – zog der Kaiser, dann gab er den Pflug mit einer Handvoll Ducaten seinem Eigenthümer zurück. „Es ist mir doch warm dabei geworden,“ sagte lächelnd der Monarch, „aber jetzt weiß ich auch, wie man im Schweiße des Angesichts sein tägliches Brod erbaut. Hier,“ fuhr er fort, auf das simple Werkzeug deutend, „hier ist das Instrument des Friedens und der Cultur, das die Welt sicherer erobern wird, als alle Schwerter und Kanonen. Und der es führt, der Stand, er ist die sicherste Stütze der Staaten und der Fürsten; darum Ehre ihm und dem Pflug!“ –

So sprach der große Kaiser, als er sich wegwandte von dem Felde, dem er seine Spuren unvergänglich eingeprägt. Der Pflug ward dem glücklichen Besitzer, dem Bauern Joseph Nowotny, und seiner Ehegattin Barbara von den mährischen Ständen abgekauft und im Triumph im Landesmuseum zu Brünn aufgestellt; schon wenige Jahre darauf erhob sich auf der Stelle der ackerbaufreundlichen That des vielgeliebten Fürsten ein Monument, und zwar an der Straße von Brünn nach Olmütz bei Wischau. Dasselbe ward in den Kriegszeiten vernichtet; ein zweites fiel ebenfalls den Nöthen des Jahres Neun zum Opfer. Erst am hundertjährigen Gedächtnißtage dieser Begebenheit, am 19. August 1869, wurde ein neues Monument an der Stelle gesetzt und feierlich inaugurirt.

Beinahe wäre aber dieses unschätzbare Werthstück selbst jüngst verloren gegangen auf immer. In der Nacht vom 1. auf den 2. August brach in dem elsässischen Bauernhofe der Ausstellung ein furchtbares Schadenfeuer aus, das denselben zu drei Viertheilen in Asche legte. Die Nordseite des ganz aus Holz erbauten Pavillons des Ackerbauministeriums war aber nur sechs Fuß entfernt von der in den Himmel emporlodernden Gluth; schon schwärzten sich ihre Planken und knisterten und glimmten; schon flammte der Vorhang empor, der dicht hinter dem Pflugaltar ein großes Fenster verdeckte, dessen Scheiben sämmtlich gesprungen waren – noch eine Minute vielleicht, und der edle Kaiserpflug wäre unrettbar in Asche verwandelt gewesen. Aber gerade in diesem verhängnißvollen Augenblicke ging es mit einem Male wie ein Lauffeuer durch die erregte Menge, welche mit Todesverachtung an dem Rettungswerke arbeitete: „Der Kaiser-Joseph-Pflug! Der Kaiser-Joseph-Pflug – er muß gerettet werden, und wenn alles Uebrige zu Grunde geht!“ „Und die Aexte krachten gegen die geschlossenen Thüren; die Schläuche von zwanzig Spritzen richteten sich gegen die glimmende Wand; im Nu waren kühne Gesellen im Innern, und triumphirend brachten sie das ärmliche Holzwerk in Sicherheit. Dann erst retteten sie den großen Silberblock[WS 1] im Werte von fünfzigtausend Gulden und warfen ihn auf die Straße. Ohne den Kaiser-Joseph-Pflug wäre wahrscheinlich die kostbare und großentheils unersetzliche Ausstellung des Ackerbauministeriums verloren gewesen. Und so wurde er gerettet und mit ihm der Pavillon. Jetzt steht er wiederum auf seinem Piedestal wie vorher, und Tausende freuen sich nun doppelt, wenn sie ihn betrachten; die Gefahr hat ihn nur werther gemacht.

Nicht uninteressant ist die Thatsache, daß das Bauernpaar, dem der Pflug und der Acker des Kaisers gehörte, durch dessen Werk zum Wohlstand gekommen ist. Die braven Leute erhielten viele Besuche und Geschenke, man lud sie überall hin ein, und ihre Portraits wurden wiederholt veröffentlicht. Zwei ausgezeichnete Miniaturen, welche Beide mit sprechenden Zügen darstellen, sind an dem Postamente des Kaiserpfluges angebracht; sie stammen, ebenso wie das daneben aufgehängte Bild Joseph’s des Zweiten, aus einer Wiener Privatgalerie.

Es wäre noch viel zu erzählen von dem „Tempel des Pflugs“ und seinem Inhalt; aber mit dem vorher Berichteten ist doch jedenfalls das Beste hinweggenommen. Fachmänner könnten Tage lang in dem einfach aber geschmackvoll verzierten Raume umherwandeln, ohne das Interesse zu erschöpfen. Wenn sie sich von den langen Reihen der Pflüge und ihren oft höchst sonderbaren Formen wegwenden, trifft ihr Auge allenthalben auf Bemerkenswerthes: da ist zunächst an den Wänden eine reiche Galerie von trefflich ausgeführten Aquarellen, welche die verschiedenen Bespannungsarten des Pfluges in den verschiedenen Ländern getreu nach der Natur darstellen. Ist es nicht merkwürdig, daß nicht zwei davon ihre Zugthiere gleichmäßig anschirren und vor das Ackergeräth hängen? Dann wieder ist da eine Sammlung der Handgeräthe, welche neben dem Pflug oder anstatt desselben zur Bodenbearbeitung verwendet werden, darunter ebenfalls höchst eigenthümliche Exemplare aus allen Gegenden des Erdballs.

Weiter wandernd, findet der Besucher die wissenschaftlichen Grundlagen des Landbaues ausgestellt, soweit dieselben sich in Bild und Materie darstellen lassen; daran reihen sich die zahlreichen Producte und Illustrationen der österreichischen Staatsforstwirthschaft, welche bekanntlich noch über Gebiete verfügt, von deren Productionskraft man lange Zeit hindurch kaum eine Ahnung hatte.

Eine besondere Abtheilung des Pavillons birgt die andere Hälfte der Urproduction, das Bergwesen mit seinen Schätzen, darunter am meisten umstanden und bewundert das Idrianer Quecksilbermeer mit einer darauf schwimmenden fünfzigpfündigen Vollkugel. Es ist in der That ein reiches Museum hier aufgethan, und zwar in systematischer Ordnung, Eines in das Andere überführend, so daß Jedem, selbst dem Laien, reiche Belehrung geboten wird. Wer daher nach dem schönen Wien reist, um die Weltausstellung zu bewundern, der wird uns dankbar sein für unsern Wegweiserdienst, und wer dort gewesen ist, vielleicht auch für die Auffrischung der Erinnerung an den „Tempel des Pflugs“.

Ph. E–ch.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Silberblick; vergl. Berichtigungen (Die Gartenlaube 1873/45)
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 566. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_566.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)