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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

ihnen, sie würden jetzt ein Lager angewiesen bekommen; sollten sie aber den geringsten Versuch zur Flucht machen, so werde er sie ohne Weiteres niederschießen lassen. Die ganze jammervolle, halbverhungerte Schaar, die übrigens sehr wenig nach Fluchtversuchen aussah, begab sich auf den ihnen angewiesenen Lagerplatz und befand sich bei den ihnen zutheilten Rationen wahrscheinlich bedeutend besser, als dies während der letzten zwei Monate jemals der Fall gewesen war. Es fehlten jetzt, nach den Aussagen der Gefangenen selbst, noch etwa zwanzig Krieger, vor Allem der Räuberhauptmann Jack selbst, und ehe dieser sich in festem Gewahrsam befand, war die Affaire nicht als beendet anzusehen. Jack hatte nach dem Zusammentreffen mit Hasbrook das Vertrauen seiner Krieger ziemlich verloren; er hatte ihnen verheißen, sie würden die Kugeln wie die Enten das Wasser abschütteln; als aber mehrere Modocs das Experiment nicht so leicht fanden und die Kugeln so fest eindrangen, daß ihnen die Lust zum Schütteln verging, wurden die Uebrigen entrüstet und ein Theil weigerte sich, weiter zu kämpfen. Dies brachte Jack zu dem Entschluß, mit zwanzig treuen Kriegern und etwa fünfzig Weibern und Kindern nach den Schneebergen, südlich von den Lavabetten abzuziehen, während die Uebrigen, wie oben erzählt, sich ergaben.

Jack’s Aufenthalt mußte also jetzt entdeckt werden, und es dauerte auch nicht lange, bis die Warm-Spring-Spürhunde die richtige Fährte gefunden hatten. Oberst Perry’s Commando hatte die Ehre, diesen letzten und wichtigsten Fang zu machen. Nach kurzem Verfolgen der aufgefundenen Spur hatten die Warm-Spring das Modoc-Lager entdeckt. Perry ließ das Nest sogleich umzingeln; seine Leute waren fertig zum Gefecht. Da sprang plötzlich ein Modoc hinter einem Felsen hervor, ein weißes Tuch in der Hand schwingend, und rief einem der ihm entgegengeschickten Indianer zu, Jack wolle sich ergeben.

Drei Mann wurden abgeschickt, um ihm zu begegnen. Sie gingen auf die Felsen zu, hinter denen die Indianer sich befinden sollten, und wirklich, da saß der gefürchtete Häuptling am Rande eines steilen Felsabhanges, in eine zerrissene wollene Decke gehüllt, den Kopf in die Hände gestützt, starr und unbeweglich, als sei er allein in der tiefen Waldeinsamkeit. Neben ihm saß seine Schwester, mit Thränen in den Augen ihm zusprechend, seine Sieger zu empfangen. Er richtete sich langsam auf, blickte einen Augenblick um sich, und kam dann, als ob er schnell das Unvermeidliche abmachen wollte, mit festem Schritt auf die Weißen zu, ihnen zum Zeichen der Ergebung seine Hand entgegenstreckend. Alles dies geschah mit natürlicher Würde, und obwohl in Lumpen gehüllt und von den monatelangen Strapazen hart mitgenommen, stand Jack nichtsdestoweniger stolz und ungebeugt vor seinen Siegern, mit seiner athletischen Gestalt und seinen intelligenten Zügen, wie Augenzeugen sagen, jeder Zoll ein Häuptling. Mit ihm ergaben sich mehrere Krieger und ein Dutzend Weiber und Kinder. Dies fand am 31. Mai statt. Um dieselbe Zeit brachten Oberst Green von der einen, Oberst Mason von der andern Seite noch mehrere Trupps gefangener Modocs ein, sodaß im Anfang des Junis die ganze unruhige Gesellschaft bis auf einige Individuen, in General Davis’ Hauptquartier sich in sicherem Gewahrsam befand und der große Modockrieg vorläufig als beendigt angesehen werden konnte.

Das lang’ ersehnte Ziel war also endlich mit bedeutenden Opfern an Zeit, Geld und Menschenleben erreicht; man stand aber jetzt vor einer neuen Schwierigkeit: was mit der ganzen saubern Gesellschaft machen? Nach dem fürchterlichen Rachegeschrei der ersten Aufregung scheint es, daß diese Frage einfach genug zu beantworten wäre. „Ausrottung des ganzen Modocstammes“ hatte damals die Losung geheißen, jetzt brauchten ja nur die Stricke bereitet und die Galgen errichtet zu werden, um die ganze Bande in wenigen Minuten auszurotten. Den Wehrlosen gegenüber verstummte selbstverständlich dieses wilde uncivilisirte Rachegeschrei. Daß die überwiesenen Mörder hängen sollten, war freilich eine ausgemachte Sache, aber ein Theil der Gefangenen hatte nur am offenen Kampfe Theil genommen, und mit dem Blute der Weiber und Kinder wollte doch Niemand seine Hände beflecken. General Davis setzte daher sogleich eine Commission nieder, um die Schuld der einzelnen Bravos zu untersuchen. Im Verlauf einer Woche hatte diese ihre Arbeiten vollendet. Etwa ein Dutzend waren des Mordes der Friedenscommissäre oder sonstiger Bürger überwiesen, und Alles bereit gemacht, sie auf der Stelle hinzurichten. Davis hatte dazu volles Recht, da ihm ja von Anfang an völlig freie Hand gelassen war, die Modocs „auszurotten“.

Jack und seine Genossen sahen dem Tode ruhig entgegen, nachdem der Häuptling, freilich nicht sehr im Einklang mit seiner bisher ziemlich gut gespielten Heldenrolle, zu leugnen versucht hatte, daß er Canby getödtet habe, und die Schuld auf seine Untergebenen schieben wollte.

Am Abend des 6. Juni sollte die Hinrichtung im Hauptquartier stattfinden. Galgen und Stricke waren bereit – da traf Befehl von Washington ein, die Gefangenen vor ein von General Schofield in San Francisco zu ernennendes Militärgericht zu stellen, und nach dem Urtheil desselben zu verfahren. Die Nachricht erregte großen Unwillen unter den Truppen sowohl, als beim Volke von Oregon; man sah darin wieder, wie bei so vielen früheren Gelegenheiten, die Machinationen der östlichen Philanthropen und speciell der „Friedenscommission“, einer etwas nebelhaften, zum Theil aus Geistlichen bestehenden Gesellschaft, die, obwohl durchaus keinen officiellen, sondern einen rein privaten Charakter tragend, dennoch einen unbegreiflichen Einfluß auf die Indianerpolitik des Präsidenten ausübt und in diesem Zweig der Verwaltung das Denken für ihn zu besorgen scheint. Unter dem Aushängeschild der Gerechtigkeit und Menschenliebe verfolgt diese fromme Compagnie meist sehr selbstsüchtige Zwecke, was namentlich bei Aemtervertheilungen im Indianerdepartement an ihre meist ganz unfähigen Creaturen zu Tage kommt. Der Rath dieser sehr anrüchigen Macht im Staate war auch hier durchgedrungen und fiel der strafenden Gerechtigkeit in den Arm, als diese gerade im Begriff stand ihre Pflicht zu thun: Es blieb leider nicht nur bei der Aufregung; diese Maßregel des Präsidenten hatte traurige Excesse zur Folge.

Am Sonnabend Morgen, den 7. Juni, verließ James Fairchild mit siebzehn Modocs, darunter sechs Krieger, Fairchild’s Rancho, um dieselben nach Boyle’s Camp zu bringen; die Indianer waren auf einen großen Wagen geladen. An der Lost River-Fuhrt stießen sie auf eine Anzahl Oregoner Staatsmiliz unter Capitain Hiser, welche den Wagen sogleich umringten und Fairchild über seine Gefangenen ausfragten. Er erklärte ihnen,


Uhland’s Ruhestätte in Tübingen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 491. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_491.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)