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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Unsere Schritte lenken sich zuerst zur "Jugend“, welchen poetischen Namen eine Waldblöße trägt, von der aus ganz Hohenschwangau mit einem Blick übersehen werden kann. Das ist die unvergleichlich schöne Aussicht, die der geschickte Griffel unseres wackern Künstlers auf das Papier gebannt hat. Die so äußerst glückliche Lage des Schlosses zeigt sich uns hier recht deutlich. Rechts vom Beschauer dehnt sich der Schwansee, links der Alpsee, im Hintergrunde thürmen sich die Berge, die schon größtenteils Tirol angehören. Neben dem Mittelbilde zeigt sich uns rechts die malerische Pöllatschlucht mit dem Pöllatfall und der kühn darüberhin geworfenen Marienbrücke, die hinauf zu den Gemsenständen des Tegelberges führt, links sehen wir eine reizende Idylle, das Landhaus und einen Lieblingsaufenthalt der verwittweten Königin in der Blekenau, auch Plökenau genannt. Ueber diesem Bilde zeigt sich der Kirchthurm von Pinzwang oder Binswang, dessen Kirche zum Schmuck dieser Thäler gehört, im Hintergrunde der hochragende Säuling, der König dieses Gebirges. Unter dem Landhaus der Königin ist Weißensee, das großartig gelegene Kirchdorf, hinter seiner gleichnamigen Wasserfläche abgebildet, daneben im Mittelbilde Füssen, dann folgt der einsame Allatsee, von welchem aus man in einem Stündchen nach dem tirolischen Städtchen Vils gelangt, das wir im obersten Bilde vor uns haben, während uns das obere Mittelbild noch den Plansee zeigt, der zu den reizendsten Seen des ganzen Gebirgs gehört.

Daß es noch außerdem, namentlich nach Tirol hinein, der schönsten Punkte in Menge giebt, bedarf wohl kaum einer Erwähnung, alle diejenigen, welche die Partie über Reutte und den Plansee in’s Graswangthal, oder in’s Loisachthal nach Garmisch, oder endlich über den berühmten Fernpaß in’s Innthal gemacht haben, werden die entzückende Schönheit dieser großartigen Natur nie vergessen. Weit davon entfernt den Strom genußsüchtigen oberflächlichen Reisepöbels in diese stillen Thäler hineinziehen zu wollen, möchten wir doch den Freund echter Naturgenüsse darauf aufmerksam machen, daß er diese nicht leicht irgendwo so findet wie hier, und wer mit dem Sinn für Naturschönheit den für Kunst und eingehendes Verständniß für Sage und Geschichte mitbringt, der wird sich keinen schönern und belohnendern Aufenthalt zur Sommerfrische aussuchen als Hohenschwangau.

E. A. Dempwolff.




Eine Prinzenehe.

Ende der Siebenziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zählte Richmond Hick unter den Bewohnern seiner Landhäuser auch die junge und schöne Mrs. Maria Fitzherbert. Die Dame war mit fünfundzwanzig Jahren das zweite Mal Wittwe geworden ihre erste Ehe mit Edward Weld Esquire von Helworth Castle hatte der Tod schon nach wenigen Monaten gelöst. Mrs. Fitzherbert besaß eine Rente von zweitausend Pfund Sterling und bewegte sich in der Londoner guten Gesellschaft, doch in der eingezogenen Weise, wie es einer Wittwe geziemt. Der Prinz von Wales, der Sohn Georg’s des Dritten, sah sie und empfing von ihrer Schönheit und Liebenswürdigkeit solchen Eindruck, daß er sich bald in auffälliger Weise um sie bemühte. Manche Zeitgenossen wollten einige Worte eines damals vielgesungenen Liedes darauf beziehen.

„Meine Kronen wären mir feil,
Würde die Schöne von Richmond Hill mir zu Theil!“

Mrs. Fitzherbert, eben so klug als ehrbar und schön, zeigte sich durchaus nicht geschmeichelt durch die Aufmerksamkeit des Prinzen und setzte seiner Bewerbung große Sprödigkeit entgegen, bis er endlich auf ein seltsames Mittel verfiel, ihr Herz zu rühren.

Eines Tages erschienen bei Mrs. Fitzherbert der Wundarzt Keit, Lord Onslow, Lord Southampton und Mr. Edward Bowerie, welche Alle zur Umgebung und Gesellschaft des Prinzen von Wales gehörten; die Herren trugen die größte Bestürzung zur Schau und theilten der Dame mit, der Prinz schwebe in Folge eines Selbstmordversuchs in Lebensgefahr und nur ihre Gegenwart könne ihn retten. Mrs. Fitzherbert, welche eine Falle vermuthete, erklärte jedoch trotz aller Bitten und Vorstellungen, daß nichts sie vermögen werde, Carlton House, die Residenz des Prinzen, zu betreten. Schließlich machte die Verzweiflung der Abgesandten sie aber wankend, und sie glaubte an die Wahrheit des Vorfalls; doch um ihren Ruf zu schützen, ließ sie sich zu dem verlangten Besuch nur unter der Bedingung herbei, daß eine Herzogin sie begleite. Man forderte die Herzogin von Devonshire hierzu auf, welche sich auch nicht weigerte, und von ihrem Palast Devonshire-House aus begab Mrs. Fitzherbert sich zum Prinzen.

Sie fand ihn bleich, mit Blut bedeckt auf seinem Bette liegen. Dieser Anblick rührte und übermannte sie dermaßen, daß sie fast die Besinnung verlor. Der Prinz schwor, daß nur ihr Versprechen, sein Weib zu werden, und die Erlaubniß, ihr einen Ring als Zeichen des Verlöbnisses an den Finger zu stecken, ihn bewegen werde am Leben zu bleiben. Sie ließ es geschehen und die Herzogin gab dazu einen ihrer Ringe her. Nach Devonshire-House zurückgekehrt, wurde eine Schrift mit der Erzählung des Hergangs aufgesetzt und von den Augenzeugen unterzeichnet. Des andern Tags bei ruhigerer Betrachtung fühlte Mrs. Fitzherbert Zweifel und Unruhe und sie sandte einen Protest an Lord Southampton, in dem sie erklärte, daß sie nur unter dem Druck der Ereignisse gehandelt habe. Gleich darauf verließ sie England und zog sich nach Aachen und dann nach Holland zurück. Der Generalstatthalter Prinz von Oranien und seine Familie erwiesen ihr große Höflichkeit und Freundlichkeit; da nun damals die Verbindung einer Prinzessin von Oranien mit dem Prinzen von Wales der Gegenstand von Verhandlungen zwischen der englischen und holländischen Regierung war, so wurde Mrs. Fitzherbert durch ihre Beziehungen zu der Prinzessin in nicht geringe Verlegenheit gebracht. Doch hat sie jederzeit versichert, es sei damals ihr aufrichtiger Wunsch gewesen, ihr Verlöbniß zu lösen. Auch das nächste Jahr hindurch versuchte sie ihre Verbindung mit dem Prinzen hinauszuschieben. Bis nach Frankreich und in die Schweiz, wohin sie von Holland aus gegangen, folgten ihr Couriere mit Briefen und Anträgen des Prinzen. Die französische Regierung schöpfte aus der großen Anzahl derselben Verdacht und ließ zu drei verschiedenen Zeiten Boten anhalten und in’s Gefängniß werfen. Einer dieser Briefe enthielt siebenunddreißig von der Hand des Prinzen geschriebene Seiten; unter Anderem gab er darin an, daß sein Vater mit der gewünschten Verbindung einverstanden sei.

Endlich gab Mrs. Fitzherbert nach und ihre Einwilligung, des Prinzen Gattin zu werden, unter gewissen Bedingungen, welche ihr Gewissen beruhigten, da nach dem Wortlaut des Gesetzes diese Ehe nicht anerkannt werden konnte. Sie kehrte nach England zurück, und unmittelbar darauf wurde sie mit dem Prinzen im Empfangszimmer ihres Hauses durch einen protestantischen Geistlichen getraut. Die Trauzeugen waren: der Oheim der Braut, Starry Errington, ihr Bruder Jack Smythe und der Geistliche, welcher sie eingesegnet hatte. Das Document, welches die Zeugen unterzeichneten, war durchaus von der Hand des Prinzen geschrieben und mit seiner und Mrs. Fitzherbert’s Unterschrift versehen.

Der Charakter des Prinzen war nicht geeignet, eine Frau glücklich zu machen. The first gentleman of Europe nannte man ihn später – doch ausgenommen große persönliche Liebenswürdigkeit, besaß er keine Eigenschaft, die ihn jener Vezeichnung würdig gemacht hätte. Seine Ausschweifungen und seine Verschwendung brachten ihn fortwährend in Geldverlegenheit, und die ihm ausgeworfene Apanage erwies sich für seine Bedürfnisse als weitaus ungenügend. Der König weigerte sich seinem Sohne zu Hülfe zu kommen und so ließ dieser endlich durch seine Freunde im Parlament die Erhöhung seines Einkommens beantragen; bei dieser Gelegenheit kam auch die Verbindung des Prinzen mit Mrs. Fitzherbert zur Sprache. Mancherlei der Wahrheit sehr nahe kommende Gerüchte waren in Umlauf und man richtete an Fox, den Freund und Vertrautem des Prinzen, die Frage, wie es sich damit verhalte. Da nun nach einem Gesetze die Ehe mit einer Katholikin – dies war Mrs. Fitzherbert – von der Thronfolge

ausschließt, widersprach Fox jedem solchen Gerüchte aus das Bestimmteste.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 558. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_558.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)