Seite:Die Gartenlaube (1869) 455.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Kreisen nach Kräften zu unterstützen. Alle Verkehrsanstalten, Dampfschiff-Linien und Eisenbahnen, beeifern sich, dem Unternehmen durch Frachtermässigung und andere Vergünstigungen Vorschub zu leisten. Zahlreiche Regierungen haben ihre Theilnahme an dem großartigen Werke durch Abordnung von Commissaren ausgesprochen. Aus allen Theilen der Erde, wo der Spaten des Bodens Herr geworden, treffen Anmeldungen von Pflanzen aller Art und von Erzeugnissen des Gewächsreiches ein, zum Theil von umfassenden und instructiven Sammlungen aller Art, ganze kleine Nadelholzwälder, aus den edelsten Vertretern dieser Familie gebildet, zehntausend Rosen in abgeschnittenen Blumen allein aus dem rosenberühmten Brie-Comte-Robert, ganze Rosenhaine, vollständige Obstplantagen, große Collectionen von Pfirsichen und anderen Luxus-Früchten aus den Paradiesen des Obstbaumes, unzählige Maschinen und Geräthe, monumentale Gartenzierden, wie Tempel, Statuen, Springbrunnen u. A. m.

Schon geht der Ausstellungspark mit seinen Bauten der Vollendung entgegen und bietet so viel landschaftlich Schönes und auf allen seinen Punkten so äußerst überraschende Perspectiven, daß wir dem Comité zur Wahl dieses Terrains Glück wünschen müssen, abgesehen von der reichen Abwechselung, die in der Anlage selbst, in ihren Hügeln, ihren Laubgruppen, in dem in der Tiefe des Einschnittes sich hinziehenden Flusse mit seinen Inseln etc. gegeben ist. Welche deutsche Ausstellung hat sich schon so mächtig wirkender Umgebungen zu erfreuen gehabt, wie die Hamburger? Betrachten wir das vor uns liegende Bild, das wir im Geiste an das in Nummer 26 gegebene rücken. Die uns hier in das Auge fallenden Bauten sind auf dem der Stadt zugekehrten Plateau des Ausstellungsparkes errichtet und erhalten ihren Abschluß einerseits in dem sogenannten Elbpavillon, einer bereits vorhanden gewesenen und mit großen Sälen ausgestatteten Restauration, welche aber in einer ihrer neuen Bestimmung entsprechenden Weise umgebaut wurde, andererseits durch eine auf der Elbhöhe gelegene Schweizerei. Der große vor der letzteren liegende freie Platz mit dem Musikpavillon in der Mitte möchte wegen der Aussicht auf Elbe und Hafen, wie auf das Ganze des Ausstellungsparkes dem fremden Besucher, dem es um ein Gesammtbild zu thun ist, der lohnendste Standort sein.

Zwischen diesen beiden baulichen Vorposten dehnt sich der in grandiosem Style gehaltene Hauptbau aus, das Pflanzenhaus. Dasselbe besteht in einem Mittelbau von siebenzig Fuß Höhe und zwei Seitenflügeln, von welchen der südlich gelegene für Warmhaus-, der nördliche für Kalthauspflanzen bestimmt ist. Jeder der beiden Seitenflügel hat ein Mittelschiff von dreißig und zwei Seitenschiffe von je zehn Fuß Breite; die Länge jedes Flügels beträgt einhundertundvierzig Fuß. Der Mittelbau soll hauptsächlich zur Aufnahme der Comités und der Jury während der Preisvertheilung dienen. Um aber auch einer größeren Zahl sonstiger Festtheilnehmer den Zutritt zu dieser Feierlichkeit zu ermöglichen, sind im Innern des Mittelbaues geräumige Galerien projectirt. In einer großen dem Eingänge gegenüber befindlichen Nische, auf einer auf Doppeltreppen erreichbaren Estrade, ist eine Kolossalstatue der Flora aufgestellt. Der gesammte innere Raum, zumal die Estrade, wird mit Schaupflanzen, Vasen, Statuen und Aehnlichem reich ausgestattet werden.

Der das große Pflanzenhaus und den Elbpavillon verbindende Zwischenbau dient zu Bureaux und Berathungszimmern, während vor jenem Hauptbau eine bedeckte Pergola zu dem von dem genialen Architekten Haller in Hamburg ausgeführten kolossalen Obstschauhause leitet.

So bilden die Baulichkeiten mit ihren Verbindungsgliedern, von der Schweizerei bis zum Elbpavillon, einen gewaltigen Complex von mehr als eintausend Fuß Länge.

Vor dem Hauptgebäude wird eine dreißig bis vierzig Fuß breite und, mit ihr durch eine Freitreppe verbunden, vierzehn Fuß tiefer eine zweite sechszig Fuß breite und zweihundertsechszig Fuß lange Terrasse zur Aufnahme von Pflanzen und anderen Ausstellungsgegenständen dienen, insbesondere ist die zweite derselben bestimmt, die neueste Phase des modernen Gartengeschmackes in symmetrischen Teppichbeeten zur Anschauung zu bringen; sie erhält noch eine besondere Anziehungskraft durch eine große Fontaine.

Von hier aus führt eine breite Treppe nach dem lieblich grünenden Thale hinab. Die hohen Ufer, zwischen denen der Fluß sich hinzieht, sind in sanft contourirte Böschungen umgewandelt, welche zwischen der Schweizerei auf der einen und der Halle für Geräthe und Producte auf der anderen Seite durch eine zierliche Drahtseilbrücke von dreihundert Fuß Länge verbunden sind. Von dieser Brücke aus (vergleiche das Bild in Nummer 26), welche fünfunddreißig Fuß über dem Wasserspiegel liegt, hat man eine nicht minder reizende Aussicht über das gesammte malerische Landschaftsbild und die einzelnen Scenerien des Parkes, wie von der Schweizerei oder von dem schroffen Abhange vor dem Elbpavillon.

So ist denn in dem gastlichen Hamburg eine Reihe von festlichen Tagen vorbereitet, welche das Gottlob in unseren Tagen trotz kleinlicher Eifersucht und engherziger Sonderbündelei wachgewordene Bewußtsein nationaler Zusammengehörigkeit stärken und gleichzeitig neue Knoten für internationale Beziehungen zu schürzen Gelegenheit bieten werden. Die verschiedenartigsten Interessen werden sich kreuzen und zu einer bunten Mosaik deutschen Cultur- und Volkslebens verschmelzen. Eben so gut werden Vertreter der Volkswirthschaft, Fachmänner des Luxus und des industriellen Pflanzenbaues, Capacitäten der botanischen Wissenschaft und Freunde des landwirthschaftlichen Gartengeschmackes, wie Touristen, Gastrosophen und bloße „Reisende in Vergnügen“ bei diesem dritten Congreß und der mit ihm verbundenen internationalen Ausstellung ihren theuersten Neigungen Rechnung getragen finden. Und über das Alles erhält die Anziehungskraft dieses Festes gärtnerischer Industrie, welche dies Mal den Mittelpunkt der gewaltigen Anstrengungen bildet, von denen ich berichtet, eine neue Verstärkung in einer großen landwirthschaftlichen Ausstellung, welche gleichzeitig in dem nahen Altona abgehalten wird. Man darf somit erwarten, daß in den ersten Tagen des Septembers in allen Schichten des deutschen Volkes, in welchem ja die Kunst des Gartenbaues das Schooßkind der Reichen und die milchende Kuh Tausender von betriebsamen und intelligenten Männern geworden ist, der Ruf ertönen wird: Auf, nach Hamburg!




Aus der Postpraxis.

Ich hatte mein erstes juristisches Examen glücklich bestanden, die üblichen steifen Visiten bei meinen Vorgesetzten gemacht und begab mich nun zum ersten Male zu dem Untersuchungsrichter, bei dem ich meine praktische Laufbahn beginnen sollte.

„Ich freue mich,“ begann der Gerichtsrath nach der üblichen Vorstellung, „daß Sie heute schon kommen, denn ich bin gerade im Begriffe den Anfang mit einem Verhör zu machen, das sehr interessant zu werden verspricht. Sind Sie hier in N… geboren, oder mit den hiesigen Verhältnissen einigermaßen bekannt?“

„So ziemlich,“ antwortete ich, „da ich das hiesige Gymnasium besucht habe, wenn mir auch freilich Vieles während meiner Studienzeit wieder fremd geworden ist.“

„Kennen Sie vielleicht einen Kaufmann Trauen? Er kann nicht viel älter als Sie sein; der Name ist hier selten.“

„Dem Anscheine nach, wenn es derjenige ist, welcher vor circa vier Jahren bei Brandt und Comp. im Geschäfte war.“

„Es ist derselbe,“ sagte mein College, „er ist auf Anregung der Postdirection angeklagt, fünfhundert Thaler unterschlagen zu haben. So viel ich privatim erfahren habe, wurde er von Brandt, bei dem er noch als erster Commis beschäftigt ist, mit einem Geldbriefe zur Post geschickt, aus dem er, wie er beschuldigt wird, die erwähnte Summe entwendet haben soll und zwar wahrscheinlich durch Oeffnen des Couverts: Da der alte Brandt selbst keine Denunciation in dieser Angelegenheit machte, so hat die Postdirection eine solche eingereicht, um sich vom Verdachte zu reinigen, als hätte etwa einer ihrer Beamten sich der Unterschlagung schuldig gemacht.“

„Ist das denn so unbedingt unmöglich?“ fragte ich. „Als ich zufällig mit dem alten Brandt in den letzten großen Ferien in einer Gesellschaft zusammentraf, kam das Gespräch auch auf den mit unserer Wirthin, glaube ich, entfernt verwandten Trauen, und ich hörte damals den alten Herrn des Lobes über seinen

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1869, Seite 455. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_455.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)