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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

zum Aeußersten in ihrer Wirthschaft, eine vortreffliche Mutter ihrer Kinder, dabei weder vergnügungs- noch putzsüchtig und von Herzen seelensgut, aber von diesen kleinlichen Kleinigkeiten ließ sie nicht. Ihre Wirthschaft und Häuslichkeit galt ihr die Welt, aber so schön und lobenswert das in einer Hinsicht sein mag, so kann es auch zu einem Fehler werden, wenn es ausartet. Die Häuslichkeit soll dazu dienen es uns behaglich zu machen, aber nicht uns den Zwang aufzulegen sie immer nur „in Gang“ zu halten.

Nichts konnte regelmäßiger gehen als die Arbeiten im Wahlborn’schen Haus, aber sie wurden auch durch Nichts regulirt als durch ein unverrückbares Räderwerk, das nur vorsichtig benutzt sein wollte, oder sonst Alles in seine Zähne hineinzog. Eine Aenderung irgend einem der Mitglieder zu Liebe schien nicht denkbar. War Wäsche angesetzt – und gewaschen wurde eigentlich permanent – so hatte der Doctor von den zahlreichen in seinem Dienst befindlichen Leuten auch nicht eine einzige Seele zur Verfügung, um sie nur einen Weg auszuschicken. Einen Freund einmal mit zum Essen nach Hause zu bringen, daran dachte er schon gar nicht mehr, denn es paßte nie, und wollte er wirklich einmal etwas über Tag mit seiner Frau besprechen, so war sie entweder in der Küche oder im Waschhaus oder zog gerade die Kinder an und bat ihn, nur noch eine halbe Stunde zu warten. Er konnte auch fast gar nicht mehr mit ihr allein sein, denn jetzt, wo die Kinder wirklich mehr Arbeit machten, gab es keinen Tag, wo nicht wenigstens eine Näherin beschäftigt wurde, und da Sophie auch mit den Jahren und durch ein paar Krankheiten geschwächt, reizbarer zu werden schien, wechselten die Dienstboten regelmäßig alle drei Monate, so daß er selber stets fremde Gesichter um sich hatte.

Alles wurde dabei unter festem Verschluß gehalten. War seine Frau ausgegangen und Wahlborn verlangte das Geringste aus der Wirthschaft, so starrten ihm überall verschlossene Thüren entgegen und er fühlte sich zuletzt im eigenen Hause nicht mehr daheim.

Seine pecuniären Verhältnisse hatten sich durch eine ziemlich bedeutende Erbschaft sehr gebessert; er gab seine Praxis fast ganz auf und widmete sich allein seinem medicinischen Journal und seinen Studien, aber er arbeitete jetzt nur noch Morgens. Die Nachmittage verbrachte er theils auf der Bibliothek, theils mit Freunden, die Abende im Club, wo er jetzt als einer der besten und eifrigsten Lhombrespieler galt. Daß er sich dadurch seinem eigenen Hause fast vollständig entfremdete, läßt sich denken, und wie er seine Frau früher von ganzer Seele geliebt, so wurde er mit den Jahren mehr und mehr gleichgültig gegen sie.

Sophie konnte das natürlich nicht entgehen und sie fühlte sich in diesem Zustand unglücklich. Sie war sich bewußt, ihren Pflichten gegen den Gatten treu und aufrichtig nachgekommen zu sein. Ihre Wirthschaft befand sich in musterhafter Ordnung, ihre Kinder waren gut erzogen, und sie selber lebte und schaffte ja nur für ihre eigene Heimath – wodurch denn hatte sie sich des Mannes Herz entfremdet.

Sie sprach mit ihrer Mutter darüber, aber diese schüttelte den Kopf und meinte: „Das sei das alte Leiden der Jetztzeit – früher wäre das besser gewesen, und wie sie sich verheirathet habe, sei ihr Mann fast gar nicht aus dem Haus gegangen, dann aber habe er es ebenso gemacht, denn das Wirthshausleben verderbe die Männer und das Bier ebenfalls. Sophie solle sich deshalb nur keine Sorgen machen, sie könne die Welt nun doch einmal nicht ändern“

Und worin lag wirklich der Grund dieser Disharmonie zwischen zwei Wesen, die von Anfang an einander herzlich lieb gehabt und nie etwas gethan hatten, um sich gegenseitig zu betrüben und die sich nun fremd gegenüber standen? Wir finden es, wohin wir schauen, bald in dieser, bald in jener Form, und wohl tragen oft beide Theile die Schuld, in gar nicht so seltenen Fällen, wie auch hier, vorzugsweise die Frau.

Wirthschaftlich sein ist eine der Haupttugenden der Frau, und sie kann dem Mann dadurch die Heimath zum Paradiese schaffen – das wirthschaftliche Leben muß aber dabei das Mittel, nicht der Zweck sein. Es muß sich nicht Alles einzig und allein um die Wirthschaft drehen, oder die häuslichen Arbeiten dienen nicht dazu, uns das Leben behaglich zu machen, sondern sie legen uns in unangenehme Ketten die der Mann dann mit der Zeit versucht abzuschütteln oder denen er wenigstens, so oft wie möglich, aus dem Wege geht.

Sophie hatte nur den einen Fehler – sie war eben „zu wirthschaftlich“.




Johann Albert Gottlieb Methfessel.

Erinnerungen an die älteste Thüringer Nachtigall.
Von Friedrich Hofmann.

So nennt denn dasselbe Städtlein Dreierlei sein eigen, das kein anderer Ort ihm nachthut in allen Thüringer Landen; es rühmt sich des größten Marktplatzes, der höchsten Brücke und der ältesten Nachtigall. Was den Marktplatz betrifft, so können wir es dem ungläubigen Leser billig überlassen, sich über dessen Größe selbst die beruhigende Gewißheit zu verschaffen. dagegen ist es eine Angabe untadeliger Fachmänner, nach welcher die Höhe der Brücke genau zwölfhundertundachtzehn Fuß (über der Meeresfläche) beträgt

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 373. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_373.jpg&oldid=- (Version vom 16.6.2022)