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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

ehelichen Glücks zu freuen. Die beiden Leute besaßen allerdings wohl Alles, was eine stille Häuslichkeit freundlich machen kann, und wo bei dem Nothwendigsten sogar ein kleiner Luxus nicht fehlte. Sophie verstand aber auch noch außerdem Alles so nett und geschickt zu arrangiren und wohnlich zu machen und gönnte sich gar keine Ruhe den ganzen Tag, bis sie das kleine Haus in ein wirkliches Puppenstübchen verwandelt hatte, daß Wahlborn, der ihr das Alles unter den Händen entstehen sah, gar nicht satt wurde, ihr zuzuschauen. Er wußte dabei nur nicht, was er mehr bewundern sollte: ihren Geschmack, ihren Fleiß oder – ihre Ausdauer.

Dadurch aber, daß er so lange auf seiner Hochzeitsreise ausgeblieben, hatten sich auch seine Geschäfte in Stadt bedeutend gehäuft, denn erstlich mußte er seine sämmtlichen Patienten wieder der Reihe nach aufsuchen, und dann war er noch außerdem regelmäßiger Correspondent einer der bedeutendsten medicinischen Zeitschriften und mit seinen Arbeiten sehr im Rückstand geblieben. Das hatte er jetzt Alles nachzuholen, und dabei – es ist wahr – störte ihn manchmal das unausgesetzte Reinmachen und Ordnen im Haus, besonders wenn er fortwährend, sowie er nur aus seiner Stube trat, fremden Gesichtern begegnete, die bald einem Tapezirer, bald einem Schlosser oder Schreiner oder gar einer Wasch- und Scheuerfrau gehörten. – Aber du lieber Gott, seine kleine Frau fand ihre Freude darin, und einmal mußte sie ja doch mit ihrer Arbeit fertig werden – welchem Zeitpunkt er allerdings mit Sehnsucht entgegenharrte.

Etwas genirte ihn im Haus – aber es war zu unbedeutend, um deshalb auch nur ein Wort zu verlieren: seine Frau konnte nämlich das Rauchen nicht vertragen. In ihres Vaters Haus war nie geraucht worden, und sie bekam, wenn sie sich in einem mit Tabaksqualm gefüllten Zimmer nur wenige Minuten aufhielt, gleich heftige Kopfschmerzen – und wie ruinirte es außerdem die Gardinen! So lieb und gut hatte sie ihn dabei gebeten nicht in ihrem Zimmer zu rauchen – in dem seinigen konnte er ja thun, was er wollte –, daß er sie hätte zehntausend Mal weniger lieben müssen, als das wirklich der Fall war, um ihr solch bescheidenen und sogar vernunftgemäßen Wunsch abzuschlagen. In die Zimmer einer Frau gehörte, wie er selber meinte, kein Tabaksrauch, und er gestand es ihr sogar ein, daß es überhaupt eine häßliche Gewohnheit sei – aber es war auch bei ihm eine Gewohnheit geworden, und es würde ihm sehr schwer gefallen sein es zu lassen. Er beschränkte sich jedoch damit auf sein Zimmer – und im Sommer auf den Garten, wie er sich vorsichtig ausbedung, denn dort zog der Rauch in die freie Luft und that eben keinen Schaden. Er hätte auch wirklich das fatale Rauchen ganz gelassen, aber es ging schwer. – Er war bei seinen geistigen Arbeiten so daran gewöhnt, daß ihm in der That etwas fehlte, wenn die Cigarre nicht brannte, ja er wollte sogar bemerkt haben, daß ohne den Rauch selbst die Gedanken nicht so recht flössen. Jedenfalls mußte das nur Einbildung sein – aber alle unsere Gewohnheiten sind ja nichts Anderes.

Sophie war eine seelensgute und musterhafte Frau und sorgte für ihre Wirthschaft wie kaum eine zweite – nur Eines hätte ihr Gatte, als sie eine Zeitlang miteinander verheirathet und dadurch auch näher miteinander bekannt geworden waren, wohl an ihr gewünscht: daß sie sich nämlich ein klein wenig mehr mit Lectüre beschäftigte, denn sie las nicht gern und fand auch dazu allerdings den ganzen Tag keine Zeit. Lieber Gott, ihre Wirthschaft war noch außerordentlich klein, aber wer sich damit beschäftigen will, findet trotzdem immer etwas darin zu thun und wird deshalb nie fertig.

Sophie spielte recht hübsch Pianoforte. Sie war keine Künstlerin auf dem Instrument, aber kleine Piècen trug sie mit vielem Gefühl vor, und als Braut hatte sie den jungen Arzt manchmal in einer Dämmerstunde damit entzückt, denn er liebte leidenschaftlich Musik. Jetzt aber fand sie natürlich auch dazu keine Zeit, und Dämmerstunden existirten überhaupt nicht mehr. Sobald es dunkel wurde, mußte Licht angezündet werden, um die sich immer mehr häufende Arbeit zu bewältigen. Der Doctor neckte sie dann wohl manchmal mit ihrem Strickstrumpf, den sie Abends – wenn sie gerade keine Näherei oder Stickerei vorhatte, nicht aus der Hand legte, und sagte ihr – aber natürlich nur im Scherz –, daß ihm das Stricken so fatal wäre wie ihr das Rauchen. Sie ließ aber das eine so wenig wie er das andere, und da er fand, daß es ihr unangenehm sei, erwähnte er es auch nicht weiter.

Ein rauhes Wort fiel natürlich zwischen Beiden nie vor, und nur einmal war der Doctor beinahe recht böse geworden, als er eines Tages zu ungewöhnlicher Zeit nach Hause kam und sein ganzes Arbeitszimmer auf den Kopf gestellt fand. Mitten darin lag ein Scheuerfrau auf den Knieen und fuhr mit nassen Lappen in alle Ecken. Sein Schreibtisch, auf dem er auf kleinen Zetteln eine Masse von Notizen hatte, war sauber aufgeräumt, und jedes Papier nach seiner Größe geordnet – die „ganz kleinen“ Papierschnitzel hatte das Mädchen selbstverständlich in den Ofen gesteckt. – Seine drei Bücherbreter standen außerdem vollständig geleert, und die Bücher wurden unten im Hof, wohl ganz sauber, aber auch alle durcheinander, abgestäubt.

Wahlborn hielt allerdings – viel mehr als mancher andere Gelehrte – auch in seinem Arbeitszimmer auf Ordnung, und er hätte im Dunklen fast jedes Buch, jedes Schriftstück, das er brauchte, finden können. Es freute ihn dabei das kleine Gemach immer reinlich zu haben, als er aber heute die Verwirrung sah, die Sophie in seinem Heiligthum angerichtet, wäre er fast böse geworden und mußte recht an sich halten, um nicht so ärgerlich auszusehen, als er wirklich war. Und noch dazu konnte er jetzt nicht einmal zu Hause bleiben, um Alles selber wieder zu ordnen denn ein gefährlich Kranker hatte indessen nach ihm geschickt und er durfte den nicht vernachlässigen. Sophie aber, die ihn leicht mit ein paar freundlichen Worten beschwichtigte, versprach ihm Alles wieder herzustellen, wie es gewesen wäre. Sie wisse genau, wie sie sagte, wie die Bücher gestanden hätten, und wenn dann auch ein oder das andere versetzt würde, so könne er das ja leicht wieder in Ordnung bringen. Wahlborn mußte aber gerade hinauslachen, als er endlich zurückkehrte und fand, daß Sophie die Bücher alle sorgfältig nach der Größe und dem ähnlichen Einband rangirt hatte. Brochirte Bücher schienen dabei gar keine Gnade in ihren Augen gefunden zu haben; sie „sahen nicht ordentlich aus“ und lagen sämmtlich zusammengeschnürt in Paketen in der einen Ecke, so daß Wahlborn fast den ganzen nächsten Vormittag brauchte, um nur seine alte Ordnung, so gut das eben anging, wieder herzustellen. Einzelne Papiere und Notizen blieben jedoch rettungslos verloren, und wie er sie so nach und nach bei seinen Arbeiten vermißte, erzeugte das immer wieder ein bitteres Gefühl in ihm.

Sophie war jetzt ein wenig leidend geworden und mußte sich sehr schonen – hätte es wenigstens gesollt, aber ihr unermüdlicher Fleiß ließ ihr keine Ruhe und trieb sie, trotz des Gatten Abmahnen, immer wieder hinaus in Küche und Wirthschaftsräume, oder fesselte sie auf Tage lang an ihre außerdem angreifenden Nähereien.

Die beiden jungen Gatten hatten indessen auch die ganze Zeit seit ihrer Rückkehr von der Hochzeitsreife so häuslich wie nur möglich gelebt, denn Beide fanden keine Freude an Vergnügungen, die sie außer dem Hause suchen mußten. Wahlborn besonders liebte das Wirthshausleben nicht, er spielte keine Karten und haßte das Politisiren auf den Bierbänken. Von acht Uhr Abends widmete er sich auch gewöhnlich vollkommen seiner Frau und hätte dann am liebsten etwas mit ihr gelesen oder musicirt, wenn Sophie nur mit allen ihren wirthschaftlichen und häuslichen Arbeiten fertig gewesen wäre. Aber es gab so viel zu thun, und jede Jahreszeit brachte da etwas Neues und Anderes, und wenn er ihr selbst vorlas, mußte sie alle Augenblicke aufstehn und hinausgehn, um nach den Mädchen zu sehn, und ihre Gedanken weilten auch fortwährend bei denen. Wenn sie zurückkam, hatte sie wenigstens regelmäßig vergessen, was sie bis jetzt gehört, und er mußte es ihr immer in flüchtigen Umrissen wieder erzählen.

Eines Morgens, als er zum Frühstück nach Hause kam, hatte er einen in Stralsund wohnenden Jugendfreund getroffen, den er in langen Jahren nicht gesehen, und Beider Freude war gleich groß gewesen.

„Liebes Herz,“ sagte er zu seiner Frau, als er mit ihr am Tisch saß, „ich bringe Dir heute Mittag einen alten Schulcameraden von mir mit zum Essen, Du brauchst gar keine Umstände zu machen, Wein habe ich im Keller, und wenn wir nur –“

„Aber lieber Heinrich,“ sagte die junge Frau, „heute gerade, wo ich Wäsche habe, ich bitte Dich um Gottes willen –“

„Wäsche?“ sagte Wahlborn etwas bestürzt, „wenn ich nicht irre, so hast Du erst vorige Woche waschen lassen, liebes Kind.“

„Etwas, ja, aber es wächst Einem ja über den Kopf zusammen,

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