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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Heinrich dem Löwen aus dem Oriente mitgebracht. Der Figurenschmuck ist getrieben, die schöne Achatplatte ruht in einer silbervergoldeten Einfassung. Der erste Platz gebührt aber unzweifelhaft einem Tragaltare aus dem Ende des zwölften Jahrhunderts, der zufolge einer Inschrift von dem Kölner Eilbertus verfertigt ist. Die Oberseite enthält als Mittelstück eine Miniature auf Pergament, unter einer großen Platte von Bergkrystall: der thronende Christus in der Mandorla, umgeben von den Zeichen der vier Evangelisten. Eingeschlossen wird dies Mittelstück von Emaillen mit den sitzenden Figuren der zwölf Apostel mit Schriftbändern und rechts

Nr. 3. Die Perle des Welfenschatzes.

und links von acht Darstellungen aus dem Leben der Maria und des Erlösers. Die Seiten sind durch Pfeiler in kleine Felder getheilt und enthalten siebenzehn Standbilder von alttestamentlichen Personen; selbst der Boden, mit einer Klappe für die Reliquie, ist durch Email und Gold blumig gemustert. Die Figuren, wird richtig bemerkt, sind von überaus schöner Zeichnung, das Email von großer Leuchtkraft und Gluth der Farben, die zum großen Theil ihre Pracht der sorgfältig ausgeführten Politur verdanken - das ganze Werk überhaupt ein Meisterwerk höchsten Ranges.

Auch von dem schon genannten Propst Athelold ist ein Tragaltärchen als Geschenk vorhanden, die Deckelplatte aus Malachit bestehend. Die übrigen sind der Zeit nach etwas jünger und entweder durch die kunstvolle Arbeit oder ihren reichen Schmuck von mannigfachem Interesse.

Ungemein reichhaltig ist die Reihenfolge der verschiedenen Reliquiarien und Ostensorien in Monstranz-, Kasten- und sonstigen Formen, Gefäße und Geräthe, die den Gegenstand der Verehrung entweder offen, in Krystall- oder Glascylindern oder unter Krystallplatten zeigen oder in einem besonderen Behälter solchergestalt bergen, daß dieser Behälter von der Art der Reliquie schon durch seine Form eine Andeutung giebt. Bei der Menge dieser kostbaren Gefäße und Geräthe im Welfenschatze können wir unmöglich in alle Einzelnheiten beschreibend eingehen, wir müssen uns mit einer ganz oberflächlichen Musterung begnügen.

Ein mit vergoldetem Silber überzogenes Täfelchen mit der Reiterfigur des heiligen Demetrius ist, zufolge der griechischen Inschrift, byzantinische Arbeit. Der berühmte Daumen des heiligen Marcus, dessen wir schon oben gedachten, ist mit einer Reliquie des heiligen Blasius in einem monstranzförmigen Gefäße aus dem vierzehnten Jahrhundert verwahrt. Aehnlich ist das Reliquiar, wovon wir in Nr. 2 eine verkleinerte Abbildung mittheilen – nur daß, statt wie dort ein Krystallcylinder, hier eine kunstreiche Patene das Mittelstück bildet, ein Werk des hochberühmten Bischofs Bernward von Hildesheim. Ungefähr ein Dutzend anderer Behälter aus ungefähr gleicher Zeit zeigen dieselben gothischen Formen in mehr oder minder reicher Entwicklung und sind angeblich mit Reliquien des Täufers Johannes, Sebastian’s, Godehard’s und anderer Heiligen angefüllt. Von zwei Holzbüsten, mit Silberblech überzogen und vergoldet, enthält die eine ein Schädelstück des heiligen Blasius, die andere des heiligen Cosmas. Die erstere ist reich mit Sapphiren, Amethysten, Granaten und anderen Edelsteinen besetzt. Von demselben Heiligen sind auch noch zwei andere Gegenstände vorhanden, nämlich eine kleine mit Perlen geschmückte Statuette und ein großes Horn von Elfenbein, reich mit Ornamenten verziert. Eine ganz besondere Erwähnung verdient dann eine Anzahl von Reliquienbehältern in Form von Armen, größtenteils von außerordentlich schöner und kostbarer Arbeit, aus edlen Metallen und mit Steinen besetzt, mit getriebenen, gravirten und emaillirten Ornamenten und, entsprechend ihrer Form, mit den Armknochen verschiedener Heiligen gefüllt.

Schließlich kommt noch eine ganze Reihe größerer und kleinerer Reliquienkasten, Kapseln und sonstiger Geräthe, ebenfalls entweder durch den Werth des Materials oder durch die Kunstfertigkeit in der Ausführung in ihren mannigfaltigen Formen für den Beschauer im höchste Grade anziehend. Unter diesen verdient der eine Behälter, zweifelhaft das Hauptstück der ganzen Sammlung, noch eine nähere Erläuterung. Zunächst haben wir auf Nr. 3 unserer Abbildungen zu verweisen. Das Hauptwerk hat die Form einer Kuppelkirche, die über einem griechischen Kreuze erbaut auf vier geflügelten Löwen mit Adlerköpfen ruht. Der untere Theil gliedert sich durch romanische Arcaden in zwanzig Nischen, die in Reliefs von Elfenbein die Geburt Christi, die heiligen drei Könige, die Kreuzigung und die drei Frauen am Grabe, außerdem die Standbilder von sechszehn alttestamentlichen Personen mit Schriftbändern enthalten. Die oberen Arcaden an der Kuppel sind mit den Figuren Christi und der zwölf Apostel besetzt. Die Inschriften sind entnommen aus Matthäus 16, 13-16. Der Behälter ist über anderthalb Fuß hoch und hat etwa ein und ein Viertel Fuß im Durchmesser. Das Ganze, über und über mit Email in reichster und geschmackvollster Zeichnung incrustirt, macht durch die Zusammenstellung der satten Schmelzfarben und den Goldglanz des Metalls den Eindruck würdigster Pracht und kann den bedeutendsten Emailwerken, die uns erhalten sind, so dem Schrein der heilige drei Könige in Köln, ebenbürtig an die Seite gestellt werden. An dem South-Kensington-Museum zu London befindet sich ein sehr ähnlicher Reliquienbehälter. Derselbe wurde

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 284. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_284.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2022)