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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

No. 17.   1869.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Miramare.

Rings des Todes heil’ge Stille – nächtig steht der Sarg umdunkelt,
D’rauf im Schein der ew’gen Ampel matt ein gold’nes Krönlein funkelt.
Ward bestellt ein Bild von Steine, hier die letzte Wacht zu halten,
Eingehüllet in des weißen Mantels weite weiche Falten?
Tiefe Trauer auf den Zügen, in den Augen feuchtes Leben,
Und in ungesproch’nen Worten von den Lippen scheint’s zu beben:
„In der Nacht bei Dir, verlass’ner Bruder, steh’ ich still und einsam,
Gleich als ruhten in der Mutter Armen wieder wir gemeinsam,
Die Du schmerzvoll nun erwandert, ach! es ist die ew’ge Ruhe,
Deine weltenweiten Träume modern in der engen Truhe,
Die von dem gesalbten Haupte Dir die Kugel schlug, die Krone
Lastet noch auf Deinem Sarge, wie ein Fluch, zu Deinem Hohne.
Fluch und Hohn, Du todter Kaiser, folgten Deinen letzten Wegen –
Meines Volkes Jubel zieh’ ich jetzt auf neuer Bahn entgegen,
Doch fast wähn’ ich, selber sei ich’s, der gesargt in diesem Schreine,
Und ein Neuerweckter steige aufwärts zu des Tages Scheine;
Was der herbe Schmerz des Todes Dich verspätet und vergebens,
Hat mich in der letzten Stunde noch gelehrt die Noth des Lebens:
Nimmer zwingen wir die Völker mehr zurück zur alten Frohne,
Und das heil’ge Oel vertrocknet, das gekittet uns’re Krone;
Soll zum welken Dornenreisig nicht der stolze Reif erblinden,
Müssen wir ihn mit der Freiheit lebensfrischem Kranz umwinden,
Freier Bürger freie Liebe einzig uns’re Wehr’ und Waffen,
Säbel werden nicht und Kutten uns das Reich der Zukunft schaffen.
Nun, mit Gott! Ich hab’s gewaget, Fürst und Volk im neuen Bunde,
Und schon blüht ein neues Leben aus der breiten Todeswunde,
Neu im Licht der neuen Zeiten soll sich Oestreichs Glanz bewähren
Und mit seinem milden Schimmer auch Dein edles Bild verklären;
Aber nahen bange Zweifel, droht der Wille zu ermatten,
Mahne treu mich auszuharren Dein geliebter blut’ger Schatten!“
      Lang’ noch haften seine Blicke auf dem Sarg mit stummen Fragen,
Während an die Felsenmauern Meereswogen murmelnd schlagen:
„Einst auf unsern Rücken haben wir sein prunkvoll’ Schiff genommen,
Wieder kam auf uns zur Heimath er, ein stiller Mann, geschwommen,
Und wir trugen jetzt den Funken, an des Geistes Blitz entzündet,
Der den Sieg des frei’sten Volkes dieser alten Welt verkündet.
Laß dem Tode seinen Todten, fort von diesem öden Riffe,
Folge Du dem Ruf des Lebens, Oestreichs Kaiser, steig’ zu Schiffe!“
Scheidend um das Bett des Bruders schlingt er einmal noch die Arme,
Und mit männlichem Entschlusse reißt er sich aus seinem Harme. –
      Frische Luft – der Alp entweichet – schnell zum Boot hinab die Stufen,
An den Ufern Kopf an Kopf, Tücherschwenken, Jubelrufen,
Miramare hinter ihm liegt versunken schon im Dunkeln,
Vor ihm hell im Sonnenstrahle die beglänzten Fluthen funkeln.

 Am Charfreitag. Albert Traeger. 




Reichsgräfin Gisela.
Von E. Marlitt.
(Fortsetzung.)


18.

Das weiße Schloß beherbergte seit drei Tagen seinen durchlauchtigsten Gast. Jener üppige Glanz war zurückgekehrt, mit welchem einst Prinz Heinrich die vergötterte Gräfin Völdern umgeben hatte. Der Fürst war in Begleitung mehrerer Cavaliere gekommen, und auch an Damen fehlte es nicht. Was die exclusiven Hofkreise in A. an jugendlichen Schönheiten besaßen, war eingeladen worden – selbst die leidende Fürstin, die ihren Gemahl nicht begleiten konnte, hatte, als ganz besonderen Beweis ihrer Huld und Gnade für den Herrn des weißen Schlosses, „zur Erhöhung des Lüstres“ ihre berühmt schöne und liebenswürdige Hofdame geschickt.

Nun sahen die alten Lindenalleen des Schloßgartens wieder rothe Frauenlippen lächeln in jener strahlenden Lust, die vom überschäumenden Becher trinkt. In dem geheimnißvollen grünen Halbdunkel wiederholte sich das uralte Spiel des Suchens und Fliehens zwischen schönen, glänzenden Gestalten der Jugend, die hinter dem Fächer die verrätherisch leuchtenden Augen und unter oberflächlichem Geplauder das stürmische Klopfen der Pulse verbargen.

Und des Prinzen Heinrich geliebte Orangen- und Myrthenbäume, die einst das keusche Weiß ihrer Blüthen auf die üppigen Schultern und das gelbflimmernde Haar des „unseligen Weibes“ geschüttelt, sie standen auch jetzt in dem kleinen, von eisernen Kübelreifen eingeschnürten Fleckchen Erde vor dem thüringischen Schlosse, das Haupt fremd in die herbe, harzige Waldluft hebend. Zu ihren Füßen rauschten seidene Schleppen; keine süßen italischen Laute, wohl aber Wortpfeile, aus nichts entstehend und doch für einen Augenblick funkelnd und blitzend, flogen durch das dunkle Laub hin und wieder – fürstlich vornehme Conversation, in die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_257.jpg&oldid=- (Version vom 24.1.2021)