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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

oder vertieft wiedergiebt und zwar so kräftig ausgeprägt, daß die Platten für große Mengen von Abdrücken dienen können. Das Verfahren soll für jegliche Größe und Art von Bildern, namentlich auch für Porträts sich eignen, und es wird der Vortheil hervorgehoben, daß man künftig für denselben Preis, den ein paar Dutzend gute Porträtkarten beim Photographen kosten, eine Platte werde erhalten können, welche auf Jahre hinaus zur Abnahme von Drucken tauglich bleibe. Dies wäre natürlich nur ein Minimum von allen den großen Vortheilen, welche in der Möglichkeit liegen, große Mengen guter bildlicher Darstellungen von unvergänglicher Dauer bedeutend leichter und rascher herstellen zu können, als es dem Photographen in seinem Copirrahmen möglich ist. –

Der Steinkohlentheer, die schwarze Mutter der farbenprächtigsten Kinder, hat sich noch nicht erschöpft. Nachdem der Reihe nach das Anilin, das Naphtalin, das Theerkreosot ihren Beitrag zu der bunten Scala geliefert, ist noch ein anderer fester, dem Naphtalin verwandter Kohlenwasserstoff des Theers, das Paranaphtalin oder Anthracen, tributpflichtig geworden. In der deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin haben kürzlich die Herren Gräbe und Liebermann die interessante Mittheilung gemacht, daß es ihnen gelungen sei, daraus den Farbstoff des Krapps, das Alizarin, künstlich darzustellen. Proben dieses Kunstproducts im Krystallzustande, sowie damit bedruckte Zeuge wurden vorgelegt. Bei allen Fortschritten in der Industrie der Theerfarben konnte man die Meinung hegen, daß wenigstens die beiden edelsten Pflanzenfarbstoffe, Indigo und Krapproth, dennoch immer in Amt und Würden bleiben dürften. Jetzt scheint die eine dieser Größen schon entthront, und so könnte es künftig möglicherweise dahin kommen, daß wir dem Orient, statt Krapp von dort zu beziehen, künstliches Alizarin zuführten. Zählen doch schon gegenwärtig selbst China und Japan unter den stärksten Abnehmern europäischer Theerfarben. –

In England beginnt eine gut ausgedachte Verbesserung im Eisenbahnwesen in Aufnahme zu kommen, eine Vorrichtung nämlich, durch welche bei Schnellzügen die Aufenthalte wegfallen, welche bisher durch die Einnahme von frischem Speisewasser verursacht wurden. Die Tender schöpfen vielmehr ihren Bedarf, während die Züge im vollen Laufe bleiben. Das Wasser wird ihnen nämlich in einem eisernen Troge vorgesetzt, der sich an der Einnahmestation zwölfhundert Fuß lang in der Mitte der Schienen hinzieht. Ein metallenes Schöpfrohr mit einer Weitung von zehn Zoll Breite und zwei Zoll Höhe geht schräg vom Tender herab gegen den Wasserspiegel. Sobald der Tender den Anfang des Troges erreicht, drückt der Wärter auf einen Hebel und das Rohr senkt sich so weit, daß es zwei Zoll tief in’s Wasser taucht. Das Weitere macht sich von selbst; durch das rasche Gegenfahren gegen das ruhende Wasser wird dieses gezwungen im Rohre aufzusteigen. Die Steighöhe bis zum Ausguß in den Tender ist siebenundeinhalb Fuß; nach der theoretischen Berechnung muß der Zug, um das Wasser so hoch emporzutreiben, die Geschwindigkeit von einundzwanzig Fuß per Secunde haben. Die Praxis ergab jedoch, daß, um die Sache in erwünschten Gang zu bringen, die Geschwindigkeit noch etwas höher gesteigert werden muß. Beim Durchfahren des ganzen Trogs können 1148 Gallonen Wasser aufgenommen werden. –

Eine neue Erweiterung der Communicationsmittel in England liegt erst im Plan vor, hat aber alle Aussicht ins Leben zu treten. Es sollen schwimmende Telegraphenstationen an geeigneten Punkten der britischen Küsten errichtet werden auf Schiffen, die einige vierzig oder fünfzig englische Meilen vom Lande ab in’s Meer gelegt werben und mit der Küste durch Unterwasserkabel verbunden sind. Die äußerste südwestliche Spitze Englands, der südliche Zugang zum St. Georgscanal, verschiedene Punkte im Norden und Süden Irlands sollen successive in dieser Art versorgt werden. Vorbeifahrende oder ankommende Schiffe werden dann schon aus der Ferne mit der Küste und dem ganzen Lande correspondiren können. In zweiter Linie sollen dann diese Ausliegeschiffe auch Stationen bilden zur Aufnahme und Abgabe von Personen, Briefen etc., deren Beförderung durch regelmäßig hin- und herfahrende Dampfboote besorgt werden soll. –

Das kolossale Project einer Eisenbahnbrücke zwischen England und Frankreich ist vielfach als ein ebenso großer Humbug bezeichnet worden; gegen solche Anschauung aber wird von Seiten der Unternehmergesellschaft lebhaft protestirt und die Gesundheit und Reellität des Unternehmens vertheidigt. Man beruft sich darauf, daß die bedeutendsten Sachverständigen beider Länder den Plan gebilligt und für wohl ausführbar erklärt haben; daß die viertausend Pfund, welche zur Herstellung eines in der Ausführung begriffenen großen Modells zusammengesteuert worden, zum guten Theil von Fachleuten gegeben sind; endlich daß das Unternehmen fortdauernd die hohe Protection des französischen Kaisers genieße. Die Brücke soll nach einer neuerlichen Abänderung des Planes dreißig Bogen erhalten, die Pfeiler werden nicht aufgemauert, sondern ein jeder wird aus einer Anzahl eiserner Hohlcylinder bestehen, einer Gruppe von Riesensäulen, die durch Zwischenwerk unter sich verbunden sind, übrigens aber isolirt stehen und den Wogen und Winden freien Durchgang gestatten. Bei der Höhe der ansehnlichsten Kirchtürme und den angenommenen Stärkedimensionen aller Theile wird der Bau ein Gewicht und eine Widerstandsfähigkeit haben, welche laut Rechnung die Kraft der stärksten Orcane um das Sechsunddreißigfache überbieten soll. –

Die gebräuchlichsten fest überall angewandten Betäubungs- und Schmerzverhütungsmittel bei Operationen am menschlichen Körper sind bekanntlich Chloroform und Schwefeläther. Jedes der beiden hat seine Verfechter, die das andere verwerfen, Thatsache ist es indeß, daß die Anwendung des einen wie des andern mit Gefahr verbunden ist und Todesfälle nicht allzuselten im Gefolge gehabt hat, und daß auch im gelungenen Fall Schwindel, Kopfschmerz und sonstiges Uebelbefinden als Folgen der Betäubung zurückzubleiben pflegen. In letzter Zeit beginnt nun als ein neues Anästheticum das Lach- oder Lustgas (Stickstoffoxydul) sich geltend zu machen, das eigentlich gar keine Neuigkeit ist, sondern schon 1800 von Davy zur Anwendung für denselben Zweck vorgeschlagen wurde. Allein obschon seitdem in Hörsälen und sonst mit dem Gas vieltausendfache Proben angestellt worden sind, weil sich immer Leute fanden, die seine eigenthümlichen Wirkungen an sich selbst zu erfahren wünschten, so hat seine praktische Anwendung doch erst in letzter Zeit, vor etwa zwei Jahren, und zwar zuerst in Amerika begonnen. Diesem Beispiele sind kürzlich die Engländer und Franzosen gefolgt. In Amerika zählt man bereits mehr als vierzigtausend Fälle gelungener Anwendung, in England über zweitausend. Das Mittel paßt indeß nicht für schwere und mehr Zeit erfordernde Operationen, sondern nur bei solchen, die in ein paar Minuten abzumachen sind, wie das Ausziehen von Zähnen, Oeffnung von Geschwüren und dergleichen. Es sind darum auch besonders die Zahnärzte die eifrigen Freunde des Lachgases geworden, obschon seine Anwendung umständlicher und seine Bereitung kostspieliger ist als die der andern Mittel. Denn es muß, um keine üblen Wirkungen zu haben, erstlich chemisch ganz rein sein und dann auch so verabreicht werden, daß es unvermischt mit Luft eingeathmet werden kann, wozu ein besonderer Apparat gehört. Unter diesen Bedingungen ist die Wirkung des Mittels so rasch als gutartig. in sechzig bis achtzig Secunden pflegt der Betäubungszustand einzutreten, fünfzig bis hundert Secunden anzudauern und dann plötzlich und vollständig, ohne Hinterlassung von Nachwehen, wieder zu verschwinden. Nun muß aber bei der gewöhnlichen Schilderung der Lachgaswirkungen – ungeheure Heiterkeit, unwiderstehlicher Lachtrieb, lebhafte Körperbewegungen und Gesticulationen – wohl die Frage entstehen, wie bei solchen Zuständen eine Operation thunlich sein könne. Hierauf antworten uns die Operateure. die Wirkungen sind nicht allein nach den Temperamenten verschieden, sondern hängen wesentlich auch von der augenblicklichen Gemüthsstimmung ab. Wer im Begriff ist sich einer Operation zu unterziehen, schwebt immer in einiger Besorgniß, und da kommt es gar nicht oder doch nur in den allerseltensten Fällen zu lebhaften Ausbrüchen. Manche Patienten verlieren auch gar nicht das Bewußtsein, sondern sehen Alles, was um sie vorgeht, aber in dem ungemeinen Wohlgefühl, das der Einathmung folgt, bleiben die Schmerzen der Operation von ihnen unbemerkt. Uebrigens ist die merkwürdige Wirkung dieses Mittels eben auch, wie bei Chloroform und Aether, nichts anderes als das Vorspiel einer Erstickung, die bei zu weit fortgesetzter Anwendung nicht ausbleiben würde. –

In Anlaß unseres neulichen Referats über die Hipp’sche Erklärung der Kesselexplosionen geht uns von competenter Seite eine Kritik dieser Knallgastheorie zu, nach welcher dieselbe denn doch auf schwachen Füßen stehen würde. Es wäre hiernach erstlich noch unerwiesen, daß überhaupt Kesselpartieen glühend werden können, so lange noch irgend Wasser im Kessel befindlich die mit Kesselstein und Oxyd bedeckten Wandungen gewährten dann selbst im glühenden Zustande nicht die Bedingungen, die zur Wasserzersetzung, noch weniger die zur Entzündung des präsumirten Knallgases erforderlich sind. Ein solches Gas in seiner Vermischung mit der ganzen Dampfmenge würde sich jedenfalls selbst durch den elektrischen Funken nicht entzünden lassen oder, die Möglichkeit einer Entzündung angenommen, doch eben wegen dieser Vermischung nur eine ganz unbedeutende Drucksteigerung bewirken können. Die Sache ist also nach unserm Gewährsmann unmöglich. Dagegen lehre die Erfahrung immer deutlicher, daß Explosionen nur durch sträfliche Vernachlässigung einer gehörigen Kesselprüfung entstehen, daß in fast allen Fällen die eigentliche Ursache darin gefunden wurde, daß man fortfuhr, Kessel zu benutzen, deren Wände durch Rost und Brand schon zu sehr geschwächt waren.




Blätter und Blüthen.


Ein Duell des Komikers Wenzel Scholz. Vor etwa dreißig Jahren gastirte Scholz in Graz. Sein Benefiz war angekündigt. Die Einladung zu dieser Vorstellung liegt mir im Original vor und ich erlaube mir, sie als Curiosum dem Lesepublicum mitzutheilen.

Heute zum Vortheile des Komikers Wenzel Scholz
zum ersten Male.
Der Elephantenrüssel.

Eine dialogisirte Pantomime in 3 Acten. Der erste Act ist von Herrn Pantalon, der zweite von Herrn Harlekin und der dritte von Herrn Pierrot gedichtet.

Bin mit sehnlichstem Verlangen
Den Theatermarkt durchgangen,
Hab geschaut bis zum Erblinden,
Ob was Gutes aufzufinden,

5
Und ich sah auf einer Schüssel

Einen Elephantenrüssel,
Von Thalia, meiner Mahm,
Frisch gekocht mit saurem Rahm.
Her damit! Kost’s tausend Gulden,

10
Tout égal, ich mach halt Schulden,

Alles eins, wenn ich’s nur habe, –
Und ich pump’s, um mit der Gabe
Ihnen meinen Dank zu weihn
Und Sie möglichst zu zerstreun.

15
Haben’s Nachsicht nur ein Bissel

Mit dem Elephantenrüssel.
Wird mit Beifall er gegeben,
Lächelt mir ein neues Leben.
Kann aus mir auf dieser Erden.

20
Noch vielleicht was G’scheidtes werden,

Ist’s nur Ihnen vorbehalten,
Mich so glücklich umzustalten,
Wie Mercur aus bloßem Holz.
Ihr ganz treu ergebner Scholz.

Glückliche, harmlose Zeit, in weicher noch eine solche Einladungskarte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_191.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)