Seite:Die Gartenlaube (1869) 030.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Beschluß des Mahls machten allerlei Leckerbissen und verschiedene Confectarten, als Caneel- (Zimmt-), Cubeben-, Coriander-, Cardamom- und Anis-Confect, Kaiserbissen, Pariskörner (Paradieskörner), Rosinen, Datteln, Mandeln, Pfefferkuchen und dergleichen. Als Speisegewürze gebrauchte man auch hier viel Pfeffer, ferner Ingwer, Caneel, Nelken, Muskatenblume, Anis, Safran, Kümmel etc.; man bezeichnete damals alle diese Gewürzarten mit dem im Niedersächsischen noch üblichen Wort ‚Krude‘. Zucker war noch etwas kostbar. Sein Gebrauch hatte schon seit dem zwölften Jahrhundert durch die Kreuzfahrer in Europa sich zu verbreiten angefangen, bald war er auf Sicilien und Malta gebaut und von dort ausgeführt worden (der noch jetzt übliche Name Melis kommt von Saccharum Melitense); auch der Zuckerbau Spaniens war im Mittelalter bedeutend, die Mauren hatten dort Siedereien. In Deutschland war er schon im vierzehnten Jahrhundert nicht mehr ganz selten; auf der Tafel des Erzbischofs Albrecht von Bremen sah man im Jahre 1376 geharnischte Männer von Zucker und Backwerk. Doch die Köche des Hochmeisters machten noch reichlichen Gebrauch von Syrup und Honig.

Selbstverständlich waren auch die Getränke bei Festmahlzeiten in Marienburg von mancherlei Art, als März-, Weiß- und Weizenbier, vorzüglichere Biere ließ man aus Wismar, Danzig, Elbing und Bromberg kommen. Vom Methe trank man zwei Arten, Tisch- oder Mittelmeth aus kleineren Schenkgläsern, alten und meist sehr starken Meth aus hohen Gläsern während der Mittelgerichte; dies Getränk, dessen Bereitung gegenwärtig zu den Specialitäten der slavischen Völker zu gehören scheint, kam damals aus Riga. Wein wurde zu den Nachgerichten gereicht, und zwar überraschte man fremde Gäste (ob angenehm, ist die Frage) zuweilen mit Landwein, der bei Thorn, Rastenburg, Riesenburg und Marienburg gewonnen war; im Herbst erschien auch Thorner Most auf der Fürstentafel; die Nordgrenze der Weincultur war im Mittelalter eine viel höhere als gegenwärtig, der deutsche Orden betrieb sie durch Winzer aus dem Rheinlande bis über Königsberg, ja selbst bis über Tilsit hinauf; wenn seit dreihundert Jahren kein Wein mehr in jenen Gegenden gekeltert wird, so darf man daraus nicht auf eine Verschlechterung des Klima’s, sondern auf eine Verbesserung des Geschmacks der Trinker schließen. Wie nachsichtig aber auch die Gäste des Hochmeisters das einheimische Gewächs beurtheilt haben mögen, so dürfen wir gewiß annehmen, daß sie den in silbernen und vergoldeten Bechern credenzten Rheinwein vorzogen. Als Köstlichkeit galt edler alter „Rheinfall“, der in einer Mischung mit Eiern und Milch getrunken wurde; mit ihm wechselten Elsasser, wälscher, griechischer, Ungarwein, Malvasier und andere Gattungen. Auch der den Ordensrittern sonst verbotene Luttertrank, wahrscheinlich eine Art gebrannten Weins, wurde bei außerordentlichen Festen gereicht.

Stellt man sich übrigens die mit silbernen und vergoldeten Tischgeschirren und Trinkgefäßen, künstlich gemalten hohen Gläsern, vergoldeten und silberbeschlagenen Straußeneiern auf’s Reichste prangende Tafel, umgeben von den festlich gekleideten ritterlichen Gästen vor, dazu Gesang und Saitenspiel der fremden und einheimischen Spielleute, die Possen der Gaukler und Narren – und dies Alles in dem heiter prächtigen, hohen, hellen Saal (Remter), dessen weitgespanntes Gewölbe wunderbar leicht auf einem einzigen Mittelpfeiler schwebt – so hat man ein Bild, wie es nur ein Paul Veronese auf die Leinwand werfen konnte.

Das sechszehnte Jahrhundert zeigt in Bezug auf die Feinheit der Küche keine großen Fortschritte gegen das funfzehnte: auch hier finden wir massenhafte, fett zubereitete Fleischspeisen, mit einem Uebermaß von Gewürzen. Bei der Vermählung Herzog Ludwig’s von Württemberg 1575 wurden Pfeffer, Zimmet, Safran, Ingwer, Nelken, Muscatnuß und Muscatblüthe nicht unzen-, sondern pfundweise verbraucht; außerdem Cubeben, Feigen, Damascener Pflaumen, Biscuit, Marcipan (der in dem lateinischen Hochzeitscarmen Martius panis heißt), und damit Gebäck, Braten und Fische recht schmackhaft wurden, nicht weniger als achttausend Pfund Butter!

Auch die Tafeln England’s waren in jener Zeit mit derber und nachhaltiger Kost besetzt. Die schöne Anna Boleyn, die Geliebte und Gemahlin Heinrich’s des Achten, frühstückte Speck und Bier; ein Frühstück, das ihre Tochter, Königin Elisabeth, am 22. November 1576 einnahm, bestand aus folgenden Speisen: Semmeln und Milchbrode, Weiß- und Braunbier, Hammelfleisch, große Rippenstücke, Lendenstücke von Ochsen, Hammel- und Kalbfleisch, Cotelettes von Kaninchen und Butter. Eine Chronik der Stadt Hall berichtet, wie dort Kaiser Karl der Fünfte an einem Fasttage „ohne allen Pampam“ tafelte; die Fischgerichte waren gelbe Stockfische, weiß in Schmalz gesottene blaue Kapfen, etwas dabei wie Pommeranzen; süße Hechte; Bratfische mit Kappern. „Seine Majestät aß, Gott segne es Ihm, weidlich und that nur drei Tränke aus einem Venedischen Glas.“

Um diese Zeit erschien auch der Truthahn auf europäischen Tafeln. Bei einem Banket, das der Geldfürst Jacob Fugger in Augsburg im Jahre 1561 gab, wurden nur zwei alte und vier junge „indianische Hanen“ (für je zwei und vierthalb Gulden) aufgetragen.

Im nächsten Jahrhundert war der Truthahn schon ebenso regelmäßig die Hauptzierde einer großen Tafel, wie früher der Pfau. Als der Günstling des Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg von seinen Feinden unsinniger Verschwendung angeklagt wurde, gehörte zu den Beweisen der Anklage auch ein Küchenzettel für die Hof- und Herrentafel zu Berlin, am 21. November 1638, in welchem der Truthahn die kostbarste Schüssel ist. Uebrigens vermögen wir keine Verschwendung in dieser Speisekarte zu entdecken, eher erregt die Masse der derben, jetzt zum Theil nur bei ländlichen Festen vorkommenden Speisen, und die wunderliche Art ihrer Zusammenstellung unser Erstaunen. Es war eine Bewirthung, die gegenwärtig etwa die Gäste und das Gesinde bei einer großen Bauernhochzeit zufrieden stellen, aber in jeder gastronomisch einigermaßen gebildeten Gesellschaft mit Blicken der Befremdung, wo nicht des Entsetzens, betrachtet werden würde.

Erst zu Anfang des siebenzehnten Jahrhunderts kam die Kartoffel auf königliche Tafeln und zwar als Leckerbissen. In England aß man sie mit Oel, Essig und Pfeffer, benutzte sie aber auch zu Confituren und Confect oder mit Mark und Gewürzen gebacken. In Frankreich wurden sie 1616 als Seltenheit auf den Tisch des Königs gebracht. In Italien erhielten sie ihren Namen (tartuffoli, wegen der Aehnlichkeit der Knollen mit Trüffeln); diesseits der Alpen hat sich ihr Anbau bekanntlich fast überall erst im achtzehnten Jahrhundert in der Art verbreitet, daß sie das wichtigste Volksnahrungsmittel geworden ist.

Die zweite Hälfte des siebenzehnten und die erste des achtzehnten Jahrhunderts war die Zeit, in der die „große Nation“ in allen Fragen des Geschmacks für ganz Europa eine unangezweifelte Autorität übte, und wo also auch die französische Kochkunst mehr und mehr zur europäischen wurde, wo ihre Herrschaft aus den Kreisen der Höfe und der aristokratischen Gesellschaft sich auch in die des wohlhabenden Bürgerstandes verbreitete. Das erste französtsche Kochbuch, dessen Verfasser der Sieur de la Varenne war, erschien 1692; noch jetzt berühmt sind „Les Dons de Comus“ von Marin. Koch der Herzogin von Cherulans, wozu der gelehrte Jesuit Pater Brumoy die Vorrede zu schreiben nicht verschmäht hat. Nicht die Häufung einzelner, wenn auch noch so kostbarer Ingredienzien, sondern ihre Verbindung zu einem harmonischen Ganzen wird hier als das hohe Ziel der „Wissenschaft des Kochs“ hingestellt, die höheren Saucen also als seine Hauptleistung betrachtet; „die Harmonie,“ heißt es, „welche dem Auge an einem Gemälde gefällt, sollte in einer Sauce auf den Gaumen eine gleich angenehme Wirkung thun.“ Doch ihre höchste Ausbildung erreichte die Kochkunst erst in der Zeit des Regenten und Ludwig’s des Funfzehnten.

Es ist selbstverständlich, daß zunächst die Höfe und der hohe Adel in ganz Europa, namentlich in Deutschland, sich bestrebten, dem Beispiel Ludwig’s des Vierzehnten und seiner Nachfolger, wie in allen übrigen Stücken, so auch in Bezug auf Küche und Keller nach Möglichkeit nachzuleben. Bald war kein Unterschied zwischen einer vornehmen Tafel in Paris und in einer größeren deutschen Residenz. Eine Kennerin, Lady Mary Montague, zollt den Gastmählern der Magnaten in Wien im Jahre 1716 das höchste Lob. Mehr als einmal wurde sie mit fünfzig Schüsseln bewirthet, alles auf Silber und wohl angerichtet, das Dessert auf dem feinsten Porrcellan. Dazu wurden bis achtzehn Sorten ausgesucht feine Weine gegeben, deren Verzeichniß die Gäste mit den Servietten auf ihren Tellern fanden.

Aber auch die bürgerlichen Gastmähler in reicheren Städten waren von den großen Fortschritten der französischen Kochkunst nicht unberührt geblieben. Der Küchenzettel für das Essen bei

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_030.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)