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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Zunächst habe ich die Leser noch auf einige kleine Einrichtungen aufmerksam zu machen, welche in keiner Vogelstube fehlen dürfen. Da in der beweglichen Gesellschaft die soeben ausgeflogenen Jungen zuweilen sehr geschüchtert werden, so daß sie voll Angst in die Winkel flattern, hier hinab und hart auf die Erde fallen, so ist es nothwendig, daß man in allen Ecken des Gemachs Falltücher anbringe. Dies sind lose und flach beutelförmig aufgespannte und befestigte Zeuglappen, welche den herabstürzenden Vogel auffangen, damit er sich nicht beschädigen, sondern ruhen und davon fliegen kann. Ein sehr großer Uebelstand ist es, wenn die Vogelgesellschaft, durch irgend etwas Ungewöhnliches erschreckt, in Entsetzen geräth und darauf in blinder Angst durcheinander tobt; dann können nur die Fang- oder Falltücher in den Ecken und die Netze vor den Fenstern viele Unglücksfälle verhindern. Wenn sich dieser Schrecken öfter wiederholt und durch einige dumme oder muthwillige Wichte wohl gar zur täglichen Gewohnheit wird, so ist es höchst nothwendig, daß man die Ursache ermittele und abstelle, weil sonst die ganze Gesellschaft in die Gefahr geräth, zu Grunde zu gehen, mindestens an Brüten und eine gedeihliche Entwickelung nicht mehr zu denken ist.

Zuweilen kommt es vor, daß die Vögel des Nachts aufgestört werden und bis zum Morgen hin wie unsinnig toben, ohne daß man eine Ahnung davon hat. Deshalb ist es nothwendig, daß man scharf aufpasse, entweder dicht neben oder zuweilen in der Vogelstube schlafe, um dergleichen bemerken und abwenden zu können. In meiner Vogelstube tobte es eine Zeit hindurch zu meiner großen Betrübniß in jeder Nacht. Erst nachdem ich eine geraume Frist beobachtet, fand ich, daß der Ruhestörer ein Indigovogel war, dessen Zugzeit wahrscheinlich gekommen und der durch ängstliches Umherflattern alle Uebrigen aufscheuchte. Er wurde natürlich sofort herausgefangen und in einen Käfig gesperrt. Um Unglück abzuwenden, ist es zweckmäßig, bei nächtlicher Störung sogleich eine große, recht hellbrennende Lampe in das Zimmer zu bringen und bis zur Beruhigung stehen zu lassen, dann aber nicht wieder hinaus zu tragen, sondern schnell auszulöschen und möglichst geräuschlos sich zu entfernen.

Eine weitere Vorsicht, die viel Unheil verhüten kann, ist die, daß man jedes Nistbauer, sowie auch die Käfige, welche zum Einfangen der Vögel dienen, stets mit zwei oder mehreren Eingängen versehe. Bevor ich diese Einrichtung getroffen, haben die Sperlingspapageien, welche sonst gar nicht böse sind, durch die vor ihnen flatternden jungen Vögel erzürnt, mehrere derselben arg gebissen.

Im Spätsommer und Herbst sammele man fleißig Distel- und andere Pflanzenwolle, Birken- etc. Schale, selbst reine Spinnengewebe und noch brauchbare Vogelnester aus Gärten und Hainen, bewahre alle diese Gegenstände an einem trockenen Orte auf und lege sie nach und nach zur Benutzung in die Vogelstube. Die wohl gereinigten Nester bringe man an passenden Orten zur Benutzung an. Ueberhaupt sind die mannigfaltigsten und oft sonderbarsten Dinge den Vögeln zum Nisten willkommen; man thut immer gut, wenn man von Spaziergängen etc. alles Mögliche heimbringt und ihnen bietet, denn andererseits wird manche Brut durch den Mangel an richtigem Nistmaterial vereitelt.

Für die kostbareren Weberarten: Orange-, Napoleonsvögel etc. habe ich künstliche Durrahfelder angelegt. In einem flachen, aber sehr geräumigen Kasten wurde der Boden mit einer Lage von feuchtem Lehm bedeckt und in diese wurden steife Getreidehalme, namentlich Strandhafer, den ich aus dem Seebade Kolberg mitgebracht, in naturgemäßer Entfernung gesteckt. Dann wurde, zur bessern Festigung der Halme, die Kiste bis fast zum Rande mit reinem Stubensand gefüllt und nun das Ganze an einer hellen Stelle so an der Wand befestigt, daß die Spitzen der Halme noch einige Fuß von der Decke entfernt sind. Mehrere Paare von derselben Art nisten in solchem Felde friedlich bei einander; für verschiedene Arten muß jedoch je ein anderer Kasten angebracht werden. Man sollte in der beschriebenen Weise recht viele Versuche machen, denn die schönen Vögel verdienen es und schon ihre Nester erregen volle Bewunderung. Ich kann noch nichts Näheres mittheilen, denn ich habe diese Nistgelegenheiten soeben erst eingerichtet.

Während der Mauser, die bei manchen dieser Vögel schon im Mai eintritt und im Allgemeinen bis zum August währt, ist es wohl zu beachten, daß an kalten Tagen das Zimmer erwärmt werden muß, falls von den zartesten, z. B. Schmetterlingsfinken, nicht mehrere sterben sollen. Namentlich ist es aber nothwendig, selbst in den schon warmen Monaten bei kaltem Wetter noch ein wenig zu heizen, wenn die Vögel in der Brut begriffen sind. Es ist eine schon mehrfach bestätigte Beobachtung, daß die Weibchen der meisten fremdländischen Vögel regelmäßig sterben, sobald während des Eierlegens eine kühle Temperatur eintritt. Oft erkrankt freilich, wie schon früher bemerkt, die zarte Mutter beim ersten Ei trotz aller Vorsicht und Pflege doch. Dann pflegt es von gutem Erfolge zu sein, wenn man ihr den ganzen Unterleib mehrmals mit erwärmtem Provenceröle bestreicht. Dabei unterlasse man es nicht, einen in das Oel getauchten dünnen Federkiel, am besten aus dem eigenen Flügel, natürlich mit äußerster Vorsicht, in die Legeröhre zu schieben und auch dies etwa dreistündlich zu wiederholen. Manche Vogelfreunde geben in diesem Falle auch öfter hinter einander ein Dampfbad, indem sie Kamillenblüthen in heißem Wasser aufbrühen, darüber ein leinenes Tuch decken und auf dieses den Vogel in der hohlen Hand so halten, daß der Kopf vor dem Dampfe geschützt ist.

Auf andere Heilversuche lasse man sich, gleichviel in einer Vogelstube oder in kleinen Käfigen, durchaus nicht ein. In der Vogelstube wirkt bereits die Freiheit so wohlthätig, daß alle Kranken bald genesen und neue Erkrankungen nicht leicht vorkommen; Herr Mieth sendet mir sogar oft in den Schaufenstern elend gewordene Vögel, in der Hoffnung, sie bald frisch und kräftig zurückzuerhalten – und dies ist auch fast regelmäßig der Fall. In den Käfigen giebt es gegen die mancherlei Krankheiten, die sich allerdings zuweilen einstellen, meistens keine Hülfe; in manchen Fällen ist noch Rettung möglich, wenn man den Patienten frei im Zimmer umherfliegen lassen kann. Erkrankte kostbare Papageien beobachte man genau und wende dann, je nach den Umständen, karge Diät, blos in Wasser geweichte und ausgedrückte Semmel mit etwas Hafer, lange anhaltend an oder man setze den Vogel gelinder Wärme und milden Sonnenstrahlen aus. Gegen eine der übelsten krankhaften Erscheinungen, das Selbstausreißen der Federn, pflegt nur mageres Futter, bis zur völligen Entkräftung, wirksam zu sein. Im Uebrigen vermeide man sorgfältig die vornehmlichsten Erkrankungsursachen aller Vögel: Zugluft, Nässe, schlechte Luft, Unreinlichkeit, sauergewordenes oder sonst verdorbenes Futter und auch vielerlei Leckereien, die in den meisten Fällen schädlich sind. –

Die beiden ersten Mittheilungen aus meiner Vogelstube (in Nr. 25 und 28 der „Gartenlaube“) haben ungemein rege Theilnahme gefunden und mir zahlreiche Briefe eingetragen, aus allen Theilen unseres großen Vaterlandes, einschließlich Oesterreichs, ja sogar von Vogelliebhabern aus Nordamerika, Rußland, Holland, aus der Schweiz, Ungarn u. s. w. Hiernach mache ich mir eine Freude daraus, die hauptsächlichsten der ausgesprochenen Wünsche und Anfragen zu erledigen. Als das Wichtigste derselben will ich zunächst eine Anleitung zur Pflege der fremdländischen Vögel im kleinen Käfige geben.

Alle die kleinen herzigen Prachtfinken beanspruchen äußerst geringe Mühe von Seiten ihrer Besitzer und vergelten diese doch in reichem Maße. Schon ein Käfig von der geringsten Größe derer für Canarienvögel ist für ein Pärchen der Amadinen vollkommen ausreichend; nur ist zu beachten, daß der Draht viel enger, höchstens drei Achtelzoll weit geflochten sein muß. Hält man die Vögelchen ohne die Absicht, sie zum Nisten zu bringen, so brauchen sie zum Futter nur ungeschälten Hirse und recht häufig Vogelmiere oder Salat; dabei halten sie viele Jahre gut aus.

Den größeren Arten gebe man unter dem Hirse auch stets Canariensamen (Glanz oder Spitzsamen). Brehm empfiehlt auch immer das beim Aussieben des Getreides zurückbleibende Scheuerngesäme. Wärme ist allen Webefinken, Webern, Wittwen und den meisten Papageien in gleichem Maße nothwendig; directe Sonnenstrahlen sucht aber in den wärmeren Monaten des Jahres keiner von ihnen auf, nur im ersten Frühlinge, im Herbst und Winter sonnen sie sich gern. Es kann daher auch keineswegs richtig sein, diese Vögel gerade an ein von der Mittagssonne beschienenes Fenster zu stellen. Wohl aber ist ihnen, den Kindern der Tropensonne, stets helles Licht Bedürfniß; an düsteren, schattigen Orten verkümmern sie und viele, z. B. Tigerfinken, verlieren in den dunkel stehenden Käfigen der Vogelhändler ihre Farbenpracht und bekommen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 616. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_616.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)