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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

die schöne Stimme des Sängers trug und hob, so weiß man nicht, was mit den gefühlvollen Künstlerseelen geschehen wäre, wenn nicht bald genug der geniale Kunstfeuerwerker energisch sein „Ah!“ gefordert hätte. Und es ward ihm, als er plötzlich an passendster Stelle die prächtig gruppirten Laubwände des Ufers bis hinauf zu den schwankenden Giebelzweigen mit bengalischem Glanz übergoß. Es war wirklich ein entzückender Anblick – unser Holzschnitt sucht ihn wiederzugeben – man war diesen Augenblick lang mit dem Geist in einem fremden romantischen Land, und Jeder hätte es für eine Kränkung seiner schönen Empfindung gehalten, wenn man ihm gesagt hätte, daß die Bauern auf der Connewitzer Chaussee ganz gut am Scheine des rothen Lichtes sehen könnten, in welchem keine Viertelstunde entfernten Winkel der Pleiße die verehrte Künstlergesellschaft sich soeben befinde.

Nach dem gelungenen Anfang folgte nun Schlag auf Schlag ein Stück des Feuerwerks nach dem andern, bald flogen Schwärmer in das Gezweig der Uferbüsche, bald Frösche über das Wasser hin, Feuerräder schlugen mit dem Schweif ihren feurigen Reif, Raketen versuchten sich im Steigen und Leuchtkugeln sprühten ihre Funken in das widerspiegelnde Wasser, Alles begrüßt und begleitet von allerlei Passendem, welches Poesie und Musik dazu in Wort und Ton gesetzt haben.

Ferne Böllerschüsse verkündeten uns noch im Urwalde die Nähe lustverwandter Menschen. Das Verlangen nach ihnen fuhr in die Arme der Rudernden, und bald leuchtete zur Rechten ein Feuerchen, von Gestalten umlagert, am Ufer. Es war die von uns schon bei der Herfahrt begrüßte Waldnische, aber Hinterwäldler zechten hier nicht, sondern biedere Turner saßen um ein Fäßchen und boten zum Gruß uns den vollen Becher. Ihr voller Rundgesang hallte uns noch lange nach. Da begegnete uns eine neue und sehr liebliche Ueberraschung, deren Urheber wir derzeit nicht ergründen konnten: auf dem Wasser, sich ziemlich in des Flusses Mitte haltend, schwamm eine lange Reihe von Wachslichtchen, jedes auf seinem eignen kleinen Korkfloß, im Schaukeln und Widerschein gar prächtig dahin. Alle Gondeln fuhren mit schonender Vorsicht an ihnen vorüber und gewährten dabei selbst ein neues Bild, denn während ihre dem Lichterzug zugewandte Seite selbst in hellem Glanze stand, deckte den Raum der Insassen um so tieferes Dunkel.

Alle Blicke waren noch der allerliebsten Wasserzierde zugewandt, als zur Linken ein neuer bunter Lichtschimmer auftauchte. Das „prächtige Plätzchen“ der Herfahrt strahlte in einem Festschmuck. Bunte Lampen zu Guirlanden vereint schlangen ihre Bogen von Baum zu Baum, darunter saßen eines Sängervereins Männlein und Fräulein, und Gläser klirrten und Töne schwirrten, aber reizender, als beides, war das, was sie dem Auge gewährten: das schöne Nachtbild. „Das wenn i auf’m Papier hätt’! Aber wer kann’s fest halten?“ rief ein Künstler baierischer Zunge. So viel aber davon festzuhalten war, nahm Jeder im frohen Gedächtniß mit.

Feuerwerk und Gesang hatten unsererseits jeden Gruß von den Ufern erwidert; die letzten bengalischen Flammen schmückten die letzten Bäume des Waldes, die letzten Raketen grüßten die freien Ufer, und als wir am Brandhafen das Land betraten, brauchte Niemand mich darum zu fragen, sondern freudig mußte ich bekennen: Ja, wer so wie Ihr Künstler das Wasser und den Wald zu benutzen versteht, der schafft sich, was man so schwer geglaubt, selbst eine Romantik auf der Pleiße!

Friedrich Hofmann.




Geister vor Gericht.

Justiz und Polizei haben von jeher eine gewisse Abneigung gegen alle sogenannte Hineinragungen einer übernatürlichen Welt in das gewöhnliche Menschenleben an den Tag gelegt. „In Gegenwart der Polizei erscheint weder Dämon noch Engel.“ Dieser Erfahrungssatz war bekanntlich, nach Immermann’s Bericht, das einzige sichere Ergebniß der ernsten und umfassenden Studien, welche Herr von Münchhausen in Weinsberg über diesen Gegenstand gemacht hatte. Das preußische Landrecht stellte „Geisterbanner und Wahrsager“ mit Goldmachern und Schatzgräbern zusammen und drohte ihnen mit Zuchthaus und öffentlicher Ausstellung; noch vor einem Menschenalter sah man auf preußischen Marktplätzen bisweilen alte Weiber, die damals im Alleinbesitz solcher übernatürlicher Gaben zu sein pflegten, an irgend einem Baum, Brunnen oder Pfahl zur Schau gestellt, mit einer Tafel vor der Brust, aus der die Worte: „Wegen betrüglicher Gaukelei“ zu lesen waren. Dabei waren die Geister früher meist harmloser Natur und beschränkten ihre Thätigkeit auf einige dankenswerthe Mittheilungen aus dem „dunkeln Reich, aus deß Gebiet kein Wandrer wiederkehrt“, oder auf mehr oder weniger überraschende Enthüllungen aus der Zeit ihres Erdenwallens. Bei den praktischen Briten aber scheinen in neuester Zeit auch die Geister eine praktische Richtung bedenklichster Art genommen zu haben, und dadurch hat vor wenigen Wochen einer der höchsten Richter von England, der Vicekanzler Gissard in London, Gelegenheit erhalten, sich über die Stellung der englischen Justiz gegenüber der übersinnlichen Welt mit aller irgend wünschenswerthen Klarheit auszusprechen.

Zu London lebte eine Wittwe Lyon, deren Ehemann 1859 gestorben war und ihr ein Vermögen von etwa einhundertvierzigtausend Pfund Sterling hinterlassen hatte. Die Ehe war kinderlos gewesen, und Frau Lyon hatte selbst keine nahen Verwandten, mit denen ihres Gatten aber stand sie auf schlechtem Fuße. Derselbe hatte ihr kurz vor seinem Tode gesagt: „in sieben Jahren werde eine Veränderung mit ihr vorgehen.“ Sie deutete dies dahin, daß sie ihm im Herbst 1866 in’s Grab folgen solle, scheint aber hierzu ungeachtet ihrer fünfundsiebenzig Jahre und bei aller Liebe zu dem Dahingeschiedenen keineswegs geneigt gewesen zu sein, wenigstens war sie sehr erfreut, als ihr ein Photograph, Herr Sims, mittheilte, sie brauche durchaus nicht zu sterben, um sich mit ihrem Gatten wieder vereint zu sehen, sondern habe sich nur an den berühmten Spiritualisten, Herrn Daniel Home, zu wenden, der soeben ein spiritualistisches Athenäum eröffnet habe. Sie trat sofort mit demselben in Briefwechsel und besuchte ihn zuerst am 2. October 1866. Kaum hatten sie sich an einem Tische niedergelassen, als derselbe heftig zu klopfen begann. Herr Home erklärte ihr in gedrängter Kürze das Geisteralphabet; kaum hatte er vollendet, so klopfte der Tisch: „Einzig geliebte Jane, ich bin Charles, Dein einzig geliebter Gatte! Ich lebe und segne Dich, Du meine Theure! Ich bin immer bei Dir und liebe Dich wie immer!“

Diese einleitende Mittheilung bezahlte Frau Lyon mit dreißig Pfund Sterling, womit Charles durchaus einverstanden gewesen zu sein scheint, denn am 6. October, bei einer neuen Zusammenkunft, gerieth der Tisch in wahrhaft leidenschaftliche Bewegung und klopfte etwa Folgendes: „Daniel Home soll Dein Sohn sein! Er ist mein Sohn, folglich Deiner! Denkst Du daran, was ich Dir von einer nach sieben Jahren bevorstehenden Veränderung gesagt habe? Dieselbe ist jetzt eingetreten!“ Darauf hüpfte der brave Mahagony vor Freuden, und nur mit Mühe konnte man aus seinen entzückten Schlägen noch die Worte: „Ich bin glücklich, glücklich, glücklich!“ entnehmen. Frau Lyon zahlte ihren, neuerworbenen Sohne sofort fünfzig Pfund Sterling; damit war aber dem Willen seines spiritualistischen Vaters bei Weitem nicht Genüge geleistet, vielmehr gab derselbe schon in den nächsten Tagen seinen Wunsch zu erkennen, daß seinem Sohne ein Jahreseinkommen von siebenhundert Pfund Sterling gesichert wurde, und Frau Lyon ließ deshalb von den für sie in der Londoner Bank stehenden Capitalien vierundzwanzigtausend Pfund Sterling auf Home übertragen. Anfang November verfiel Herr Home in der Wohnung der Frau Lyon plötzlich in Verzückung. Diesen willenlosen Zustand benutzte der selige Herr Lyon, durch dessen Mund der aufmerksamen Wittwe seine eigentliche Willensmeinung zu eröffnen: sie solle Home adoptiren und ihm ihr ganzes Vermögen testamentarisch vermachen, unter der Bedingung, daß er den Namen Lyon annehme.

Beides geschah in untadelhafter gesetzlicher Form; bald darauf

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 446. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_446.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)