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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

für Dr. Seidensticker in Hannover, dem er zweitausendfünfhundert Gulden als Baarunterstützung zusammenschrieb und trieb, der „deutsche Säckelmeister“, der „vaterländische Großalmosenier“ – und seine Hallgartner nannten ihn den „Vater der Unglücklichen“. – Ein kurzer Weg führt uns durch Weinberge und am Fuße der eintausendsiebenhundertsiebenundachtzig Fuß hohen Hallgarter Zange hin, von Eberbach aus, zunächst zu Itzstein’s letzter Ruhestätte. Man hätte den Kirchhof, der Itzstein’s Grab umschließt, wohl pietätvoller behandeln dürfen; er ist seit einiger Zeit seines früheren grünen Schmuckes leider ganz entkleidet, Bäume und Sträuche sind entfernt, und kahl und einförmig erscheint die ehedem malerische Stätte des Friedens.

Das Grabmal selbst, ein stattliches Monument in Sandstein, zeigt in der Mitte ein trefflich gelungenes Medaillonportrait Itzstein’s, nach einem Entwurf Eduard’s von der Lannitz in Frankfurt, Schöpfers des bekannten Frankfurter Gutenbergmonumentes. Ueber demselben schwebt ein goldener Stern. Der Stein trägt am Fuße die Inschrift: „Adam von Itzstein, geboren zu Mainz, gestorben den 14. September 1855, 80 Jahre alt.“ Auf der Rückseite des Steines finden sich die wahrhaft entsprechenden Worte: „Müde von den Jugendkämpfen deutscher Freiheit ruhet hier ein muthig Herz.“ Das Monument ist zu beiden Seiten eingeschlossen von den Gräbern der Frau und der Schwägerin Itzstein’s. Ueber dem Grabhügel wächst zu kräftigem Stamm heran und sproßt und grünt üppig ein Erinnerungszeichen unverbrüchlicher Freundschaft, eine Liebesgabe des „alten Mohr“ von Ingelheim, des Mitstreiters Itzstein’s in der badischen Kammer, der kurz nach der Bestattung eine junge Paulownia, einen Lieblingsbaum des alten Herrn, von Ingelheim zum Grabschmucke herübersandte.

Neben dem freundlichen Herrenhause des Gutes, welches ein vortreffliches Gewächs ergiebt, erhebt sich ein Nebengebäude, die Wohnung des Verwalters, und im Weingarten selbst bildet ein freundlicher Gartensaal, geschmückt mit den Ahnenbildern der Familie Itzstein’s, den Portraits des Vaters und des Großvaters, den Mittelpunkt. Hier tagten und beriethen im Jahre 1847 Bassermann, Gervinus, Mohr von Ingelheim, Itzstein und andere Gesinnungsgenossen, hier wurde die Idee eines „deutschen Parlaments“ angeregt und reiflich erwogen. Auch Hoffmann von Fallersleben kennt diese Räumlichkeiten, denn mehr als einmal – im Jahre 1844, 1847 – führte den fahrenden Dichter die Einladung des gastlichen Hausherrn hierher. Hoffmann erwähnt des deutschen „Säckelmeisters“ in „Mein Leben“ zu verschiedenen Malen in aufrichtigster Verehrung, da ihm durch Itzstein’s Vermittelung in den Tagen der Heimathlosigkeit die Germania in Christiania und die Lahrer Bürger Ehrenspenden übersandten.

Das Itzstein-Lied Hoffmann’s ist bekannt, ebenso das Gedicht:

„Der Mann, der in guten und bösen Tagen
Das Banner der Freiheit hat hoch getragen,“ etc.

welches Hoffmann am 23. Mai 1847, als am Jahrestage der Ausweisung Itzstein’s und Hecker’s aus Berlin, veröffentlichte. Es wurde in dem erwähnten Garten-Pavillon beim Glase Maiwein von Hoffmann zuerst gesprochen.

Itzstein’s Haus war eine immer offene Herberge. Damit es den häufig hier verkehrenden Gästen an Unterhaltung bei ungünstiger Witterung nicht fehle, mangelte es auch an einem Billardzimmer nicht. Ein Vogelhäuschen ziert, neben den anderen Baulichkeiten und Lauben, den Garten. Die befiederten Insassen des ersteren erfreuten sich der besonderen Pflege des alten Herrn. – Gar häufig erschollen frische, kräftige Lieder beim trefflichen Hallgarter aus dem Gartensaal hinunter zum Rhein. Die Aussicht ist entzückend und besonders nach der Richtung von Bingen hin im höchsten Grade malerisch. In der Nähe thront der Johannisberg. Und doch pflegte der alte Herr nicht die sonnigen, freundlichen Zimmer nach dem Rheine zu, welche ihm diese Aussicht boten, sondern ein nach der Nordseite liegendes unfreundliches Gemach zu bewohnen. Es war dicht an der Straße gelegen und die Leute hatten so einen „bequemeren Anlauf“. Nur bei feierlichen Gelegenheiten, das heißt an seinem Geburtstage, oder an Tagen besonderer Erinnerungen aus seinem Leben, verweilte Itzstein während seiner letzten Jahre im Salon. Er schloß sich dann ab von der Außenwelt und frischte das Andenken an seine Erlebnisse auf, indem er alle jene Ehrengeschenke der verschiedenen Städte und Wahlbezirke Badens im Staatszimmer aufstellen ließ. Dann durchschritt er den Raum und lebte noch einmal durch, was ihn bisher erfreut und bewegt. Der jetzige Besitzer und Erbe des Gutes, Dr. Eisenlohr in Heidelberg, Itzstein’s Enkel, bewahrt noch heute in Hallgarten mit anerkennungswerther Pietät alle jene Ehrengeschenke, welche dem alten Herrn einst von deutschen Bürgern übersendet worden sind.

Da findet sich noch das Ehrenbürgerdiplom der Stadt Mannheim, ausgestellt von dem Bürgermeister Hutten am 15. März 1835; ein Ehrenpocal, den der einunddreißigste badische Wahlbezirk seinem Abgeordneten 1831 überreichte; der Ehrenbecher der Stadt Lahr von 1831; eine prachtvolle silberne Bürgerkrone, welche die freien Männer des einunddreißigsten Wahlbezirks (Schwetzingen) dem „Nestor deutscher Freiheit“ übersandten. Die Bürger von Mainz widmeten „ihrem Itzstein, dem deutschen Volksfreund“ einen großen Silberpocal, der die Inschrift trägt: „Was er für Badens Wohl gethan, bringt Heil dem deutschen Vaterland.“ Die Stadt Rastatt sandte 1831 einen Goldpocal „dem beharrlichen Itzstein für sein kräftiges Wirken am Landtag“. Zur „Feier der Wiederherstellung der Verfassung“ kam am 26. März 1831 ein Pocal von den Einwohnern des Amtsbezirks Müllheim, der die Worte Itzstein’s als Inschrift trägt: „Nur die unverletzte Verfassung macht ein Volk stark und glücklich.“ Nicht weniger interessant ist die goldene Ehrenmünze, welche die Stadt Mannheim am 22. September 1844 zu Ehren A.’s von Itzstein, „des Vertreters der Volksrechte“, prägen ließ. Die dazu gehörende Denkschrift schmückt die Räume des Wohnhauses, ebenso wie die Abbildung jenes Schiffes, welches der Rheder A. Völtz in Uckermünde dem Volksmann zu Ehren „Adam von Itzstein“ taufte. Die zahlreichen Adressen und Denkschriften, die an Itzstein einliefen, bilden eine kleine Bibliothek. Da finden wir Tausende von Unterschriften unter den Zusendungen aus Schwetzingen, Rastatt, Constanz, Lörrach, Schopfheim, Eberbach, Freiburg, Rüdesheim, Chemnitz, von den Bewohnern des Renchthales u. s. f.

Ein ereignisreiches Leben schloß sich mit Itzstein’s Tode. Von der Regierung durch Versetzung und Pensionirung schon 1819 und 1823 gemaßregelt, von dem Volke wie ein Vater verehrt und vom Jahre 1822 bis 1846 Vertreter desselben in der badischen Kammer, 1845 mit Hecker aus Berlin aus heute noch nicht bekannten Gründen ausgewiesen, erhielt er ein Jahr später in Baden sogar eine Ministerstelle angeboten, die er kluger Weise ausschlug. Das Jahr 1849 findet ihn auf der Flucht über den Rhein, zu der ihn eine Warnung der nassauischen Regierung gemahnt haben soll, während sein Freund Mohr in Ingelheim ihm die Pferde durch die Pfalz bereitstellt, und im selben Jahre lernt er auch die Entbehrungen des Exils kennen, denn während seines Aufenthaltes im Elsaß (Straßburg) und in Interlaken mußte er sich wahrhaft kümmerlich durchschlagen.

Auch die Zuschriften aus allen Theilen des deutschen Vaterlandes nach der erwähnten Ausweisung aus Berlin sind eine, merkwürdige Sammlung geschichtlicher Schriftstücke für die Bewegungen jener Zeit; es finden sich deren, außer den zahlreichen badischen, aus Mecklenburg, Dresden, Leipzig, Crimmitzschau, Glauchau, Tharand, Köln, Coblenz, Königsberg, Saarbrücken, Crefeld, Düsseldorf, Berlin, Breslau etc., und Anastasius Grün erfreute in jenen Tagen Itzstein durch eine poetische Zusendung, in welcher er singt:

„Ich sah dich einst im Kampfe – ein Held im Silberhaar,
Dein Bild ist mir geblieben durch manch’ entflohen Jahr!“

Und siehe da! der Sänger kämpft jetzt selbst im österreichischen Herrenhause, ein Held im Silberhaar!

Wenn der Einsiedler von Hallgarten in seinen letzten Jahren bei guter Laune war, die leider gegen sein Lebensende hin mehr und mehr von ihm wich, so erinnerte er sich mit besonderer Vorliebe einzelner Erlebnisse, welche er dann in heiterer Weise zum Besten gab. Einen tiefen Eindruck machte auf ihn eine Scene in Altripp bei Mannheim. Durch Zufall wurde er in eine Prügelei junger Leute verwickelt und ein kräftiger Bursche griff ihn bedrohlich an. Da ertönt der Ruf: „Um Gotteswille, Hannes, des ischt ja der Itzstein!“ und wie vom Blitz getroffen, fällt der Angreifer ihm zu Füßen und bittet demüthigst um Verzeihung. Der Auftritt hatte einen tiefen, unverlöschlichen Eindruck auf Itzstein gemacht.

Mit schallendem Gelächter erzählte auch der alte Herr ein Erlebniß, das sich bei dem sogenannten Urlaubstreit, der im Jahre

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_279.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)