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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

und Mägde anschlossen. Nur Teresina hielt sich fern von der steigenden Lust, indem sie zwischen den Tanzenden mit dem irdenen Henkelkruge gleich einer Hebe anmuthig schwebte, um die leeren Gläser zu füllen.

Sinnend verfolgte Robert die liebliche Erscheinung des holden Mädchens, nachdenklich über die wunderbare Fügung des Geschickes, welches ihm einen Ausweg aus dem verworrenen Widerstreit des Herzens, die rettende Hand aus dem schwindelnden Abgrund der Leidenschaft zu zeigen schien. Wenn er diese Mahnung der Vorsehung beachtete, wenn er durch einen kühnen Entschluß die gebotene Gelegenheit ergriff und dem Kampfe ein Ende machte: vielleicht war es noch möglich, glücklich zu werden und auch sie zu beglücken.

Eine Ahnung von der Größe ihrer Liebe erfüllte ihn, als er Teresina’s Hand ergriff und mit ihr die enge Stube verließ, wo bei dem Jubel des Festes ihre Abwesenheit nicht bemerkt wurde.

Auf der weiten Ebene ruhte eine tiefe, fast feierliche Stille, der Friede Gottes; am tief dunkelblauen Himmel leuchtete der sanfte Mond, hoch im reinen Aether glänzte mit hellem Schimmer der Stern der Liebe.

„Teresina,“ sagte Robert, das Schweigen unterbrechend, „ich fühle, daß diese Stunde über mein Leben entscheidet!“

„Sagt, was Ihr von mir verlangt,“ versetzte sie voll banger Erwartung.

„Du hast mir von Neuem Deine große Liebe bewiesen, mich vom Tode gerettet, an meinem Lager gewacht und gebetet. In meiner größten Noth bist Du mir wie ein rettender Engel erschienen.“

„Ich that nur meine Pflicht. Ihr seid der Wohlthäter meiner Familie.“

„Und dennoch habe ich Dich schwer gekränkt, Deine treue Hingebung schlecht vergolten. Kannst Du mir verzeihen?“

„Ich habe Euch nie gezürnt, Euch längst vergeben. Was könnt Ihr dafür, daß ich ein so thörichtes Kind war?“

„Wir wollen Beide zu vergessen suchen. Die Zeit vermag auch die schwersten Wunden zu heilen. Mit Deiner Hülfe hoffe ich noch vollends zu genesen.“

„Mit meiner Hülfe?“ fragte sie verwundert. „Sprecht, was kann ich dazu thun?“

„Wenn Du mir folgen, mich nicht mehr verlassen willst,“ erwiderte Robert, indem er ihre Hand ergriff, die sie ihm widerstandslos überließ.

„Wie sollte das möglich sein?“

„Als mein angetrautes Weib, als die Gefährtin meines Lebens.“

„Euer Weib!“ rief sie freudig zusammenschauernd, während sie im nächsten Augenblick traurig das liebliche Gesicht mit beiden Händen bedeckte.

„Zu spät!“ murmelte sie, bleich wie der Tod. „Ich kann ebenso wenig Euer Weib werden, wie ich jemals einem andern Manne gehören darf.“

„Und warum willst Du meine Hand zurückstoßen?“ fragte Robert, schmerzlich bewegt.

„Weil ich Euch besser kenne, als Ihr selbst Euch kennt. Nur die Verzweiflung hat Euch diesen Entschluß eingegeben. Ihr liebt die Prinzessin noch immer mit derselben Leidenschaft wie früher.“

„Aber ich schwöre Dir –“

„Schwört nicht; Ihr würdet nur einen Meineid begehen. Ich habe im Fieber wider Willen Euch belauscht; nur ihr Name schwebte auf Euren Lippen, nur sie betet Ihr an, wie kein anderes Weib auf Erden.“

„Deine Nähe wird ihr Bild mit der Zeit verscheuchen, soll mir den gestörten Frieden wiedergeben.“

„Nein, nein! Ich weiß es besser, daß dies unmöglich ist. Wer einmal wahr geliebt, der hört nicht auf zu lieben bis in den Tod. Ihr könnt sie nicht vergessen und würdet mich noch elender machen, als ich ohnehin schon bin.“

„Du zweifelst an meiner Aufrichtigkeit, aber ich habe mich selbst geprüft und reiflich überlegt. Mein Entschluß ist nicht das Werk augenblicklicher Verzweiflung, kein thörichter Einfall eines unbesonnenen Knaben. Du weißt, Teresina, daß ich ein Mann bin, dem Du vertrauen darfst, wie Du sonst mir vertraut hast. Ich werde Dich achten und hochhalten als mein treues Weib, als meine beste Freundin. Du sollst den Schritt niemals zu bereuen haben, das gelobe ich Dir bei dem Andenken an meine Mutter.“

„Vergebens! Ich darf niemals, niemals Euer Weib werden!“ entgegnete Teresina entschlossen.

„Was kann Dich daran hindern? Glaubst Du nicht meinen Worten, meinen Schwüren? Liebst Du mich nicht wie früher, Teresina?“

„Fragt mich nicht!“ bat das junge Mädchen. „Dring nicht in mich. Ihr seht, wie ich leide.“

„Nein, nein! Ich will, ich muß den Grund Deiner Weigerung wissen.“

„Wohlan!“ sagte sie nach einem kurzen innern Kampf. „Ihr sollt ihn erfahren, damit Ihr mich nicht für zu schlecht oder treulos haltet. Als ich in jener Nacht an Eurem Krankenlager saß und an Eurer Rettung verzweifelte, da gelobte ich der heiligen Jungfrau, mich für immer ihrem Dienste zu weihen, wenn sie Euch vor dem sichern Tode retten würde. Die Gebenedeite erhörte erbarmungsvoll mein Gebet; ich sah, wie sie huldvoll mit dem gekrönten Haupte mir Gewährung nickte. Am nächsten Morgen waret Ihr durch ihre Hülfe genesen; ich aber bin durch mein Gelübde gebunden und werde schon in diesen Tagen als Novize in das Kloster der grauen Schwestern treten, um fortan die Kranken und Unglücklichen zu pflegen.“

„Teresina!“ rief Robert, tief ergriffen.

„Jetzt wißt Ihr,“ fuhr sie nach einer Pause mit bebender Stimme fort, „warum ich Euch nicht angehören kann, selbst wenn ich wollte. Und nun bitte ich Euch, mir den schweren Kampf nicht noch schwerer zu machen, da ich fest entschlossen bin, mein Gelübde zu erfüllen. Wir müssen scheiden für immer, auf ewig.“

„Auf ewig!“ seufzte Robert, indem er tief erschüttert das weinende Mädchen zum letzten Male in seine Arme schloß und einen Kuß auf ihre reinen Lippen drückte.

(Fortsetzung folgt.)




Die heiligen Hallen des Rheinweines und die Ruhestätte eines Volkskämpfers.

Unfern des Rheinstromes, in den Einsattlungen dreier Bergkegel, die Rabenköpfe genannt, umgeben von beschaulicher Waldeinsamkeit, liegt eines der interessantesten mittelalterlichen Gebäude des Rheingaus, das Kloster Eberbach. Vielleicht keine Gebäulichkeit am Rhein hat den Kreislauf der Zeiten und der Geschicke wechselvoller erfahren, als diese ehemalige Cisterzienser-Abtei, die schon im zwölften Jahrhundert, und zwar vom Stifter des Ordens selbst, dem heiligen Bernhard von Clairvaux, gegründet worden sein soll.

Bei der großen Zahl mönchischer Verpflegungsanstalten des Mittelalters, wie sie der Rhein allerwegen aufzuweisen hat, ist es ein wahrhaft erhebendes Gefühl, den frommen Herren von Eberbach ein aufrichtiges Loblied singen zu dürfen. Nach den übereinstimmenden Berichten aller rheinischen Schriftsteller, von der ältesten bis auf unsere Zeit, zeichneten sich die Eberbacher Mönche durch fromme, klösterliche Zucht und durch Gastfreundschaft gegen Fremde, reiche oder arme, in jeder Weise aus. Was ihnen aber ein unvergängliches Denkmal im Herzen jedes Rheingauers setzt, ist ihre Thätigkeit, nicht im Weinberge des Herrn, nein, im wirklichen Weinberge. Sie sind die Begründer des rheinischen Edel-Weinbaues, sie eröffneten dem Wein rheinauf und rheinab die Handelswege, sie rodeten (nur 1177) im Schweiße ihres Angesichts den weltberühmten Steinberg, den edelsten Flecken rheinischer Rebencultur, und waren ein leuchtendes Beispiel rührigen Fleißes und arbeitsamer Thätigkeit. Die benachbarten Klöster suchten den Eberbachern nachzustreben, sechszehn Nonnenklöster ordneten sich der Visitatur Eberbachs unter. Schenkungen aller Art brachten, neben der regen Thätigkeit, dem Kloster ungemessenen Reichthum und Ansehen. Wüste Plätze wurden durch die Anlage von Weinbergen und Klosterhöfen nutztragend, die landwirtschaftliche Bestellung ihrer Ländereien und ihrer Grundstücke, ihre Bewässerungsanstalten und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_276.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)