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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

No. 51.   1862.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen.    Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.



Eine Speculation.

Erzählung aus dem amerikanischen Südwesten.
Von Otto Ruppius.
(Fortsetzung.)

Das Gespräch endete, und eine Zeitlang schwebte Behrend in der Besorgniß, die Redenden auf die Gallerie heraustreten zu sehen; aber er blieb allein, und nun wollte ein peinlicher Zustand der Ungewißheit über die Berechtigung zu seinem raschen Verfahren sich seiner bemächtigen, während die Stimme des Mädchens in ihrem verschiedenen Ausdrucke noch immer in seinem Ohre klang – da bog ein schwarzes Gesicht um die Ecke der vordern Gallerie, und der Dasitzende erkannte Bob, den Porter, welcher beim Anblicke des Deutschen mit einer wunderlichen Gesichtsverzerrung stehen blieb. Damit aber trat in einer plötzlichen Ideenverbindung auch Webster’s Gesicht vor die Seele des jungen Mannes. Er wußte jetzt mit einem Male, was seinen Stolz und seine Empfindlichkeit dem Alten gegenüber so geschärft; es war der Hochmuth jenes Menschen, dessen wegwerfender Antwort ihn Peters schon bei seiner Ankunft preisgegeben, jenes Menschen, welcher der Verlobte Ellen’s war, und er wußte nun auch, was ihn in näherer Berührung mit dem Bankier und dessen Familie niemals hätte ausdauern lassen. Er war mit sich und seinem Entschlusse wieder völlig klar. Mit dem Gedanken an Webster aber waren auch alle Empfindungen, welche der letztgehörte Ruf desselben in ihm erzeugt, von Neuem erwacht, und mit unwillkürlicher Hast winkte er den Schwarzen zu sich heran.

„Well, Bob, es ist nun doch ein Mann, der Wilson heißt, unter der Schiffsmannschaft!“ sagte er, seine Stimme dämpfend, und der Herbeigetretene riß mit einer Miene, in welcher sich plötzlich Angst und Geheimniß wunderlich mischten, die Augen fast unnatürlich groß auf.

„Wissen Sie etwas davon, Sir?“ erwiderte er leise, mit einem scheuen Blicke auf die nächsten Umgebungen. „Ich bin nun ein Jahr auf dem Boote, aber ich habe ihn jetzt das erste Mal gesehen und reden hören.“

„Und was hat er mit Colonel Webster gesprochen?“ fragte Behrend, dem es klar war, daß der Schwarze soeben etwas von den zwischen Beiden gefallenen Worten aufgefangen haben mußte, halblaut und mühsam seine Spannung verbergend.

„Nichts, Sir, nichts, was nur einen Sinn für mich gehabt hätte,“ gab der Schwarze hastig und sich von Neuem scheu umblickend zurück, „aber wenn Sie etwas wüßten, Sir, und wollten mir ein Wort sagen – Sie frugen schon gestern nach dem Wilson –“ Die ängstliche Scheu in dem Wesen des Negers prägte sich jetzt in einem so seltsamen Mienenspiele aus, daß Behrend nur um so gespannter auf den Grund derselben wurde, zugleich sich aber auch überzeugt hielt, daß Jener, was auch beabsichtigt werden mochte, nirgends betheiligt war.

„Wir werden uns verständigen, Bob,“ nickte der junge Mann, seine Stimme zum halben Flüstern dämpfend, „laßt nur zuerst hören, was keinen Sinn für Euch gehabt und Euch doch in Schrecken gesetzt hat –!“

„Es waren nur die Gesichter, Sir,“ erwiderte der Schwarze eifrig; „ich bekam zuerst den Mr. Wilson vor’s Auge – ich dachte nicht an’s Horchen, Sir, ich stak zwischen dem Passagiergepäck, wo sie sich gerade hinstellten – und ich meinte dem leibhaftigen Teufel, wenn er über eine verlorene Seele lacht, in’s Gesicht zu sehen. Er lachte ganz heimlich, Sir, aber es fuhr mir in alle Knochen, und als ich nachher den Cornel ansah, meinte ich ihn kaum wieder zu erkennen, er hatte beinahe dasselbe Gesicht wie der Andere, so roth und verzogen. Sie sprachen nur ein paar kurze Worte, so lange sie still standen; Wilson sollte etwas nicht thun, so lange Miß Peters auf dem Boote sei, er schien sich aber nicht gern hinein zu fügen, weil er sich nicht um des Cornels Zärtlichkeiten, sondern nur um die beste Gelegenheit kümmern dürfe; der Cornel sagte nun etwas, das klang wie „Mörder“, wozu aber Wilson sein heimliches Lachen wieder aufschlug; dann gingen sie miteinander weg, aber ich sah noch, wie Wilson seine Hand hinreichte, als verspreche er den Willen des Cornels zu thun –“

Ein kurzes, scharfes Läuten der Schiffsglocke brach die Rede des Schwarzen ab; ein langgezogenes Brüllen der Dampfpfeife folgte nach, und mit einem hastigen Blicke in’s Freie, wo sich soeben Alles, was die Reise nicht mitmachte, vom Boote hinausgetreten zu zeigen begann, wandte sich der Sprechende zum Gehen. „Erlauben Sie mir wohl, Sir, Sie noch einmal anzureden, sobald es sich ruhiger thun läßt?“ fragte er eilig und sprang, nachdem ihm Behrend mit einem bereitwilligen: „Nur los damit, Bob!“ zugenickt, in weiten Sätzen davon. Der junge Mann sah den Bankier bereits am Lande, sah, wie Webster zu ihm trat, ohne daß indessen der Beobachtende einen Blick in des Letzteren Gesicht hätte erhalten können, und in der Minute darauf begann sich das Boot aus der Reihe der übrigen Fahrzeuge in das freie Wasser hinaus zu schieben.




Zwei Tage lang war die „Lilly Dale“ in eintöniger Fahrt den Strom hinabgeschwommen, hatte nur zweimal angelegt, um sich des größten Theils ihrer Passagiere und einiger Frachtstücke zu entledigen, und trieb jetzt Memphis zu. Behrend saß in dem offenen Eingange zur Gallerie und schien seine Aufmerksamkeit zwischen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 801. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_801.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)