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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

zu Frankreich immer nur auf eine Geistesgemeinschaft mit seinen Stammesbrüdern gerichtet sind, noch haben sie ihre Nationalität im eigenen Lande, wie die Vlamen gegen Wallonen und Franzosen, zu behaupten, da ganz Holland von Niederdeutschen bewohnt ist. Dazu kommt noch die Erinnerung an die vielen Verluste und Einbußen, die sie im Laufe der Zeiten erdulden mußten. Die Engländer stürzten ihre Herrschaft zur See, und Frankreich brachte sie um Belgien. Solche Erlebnisse machen ein nicht mehr die Weltgeschicke mitentscheidendes und wenig zahlreiches Volk mißtrauisch und ängstlich und mußten es, indem sie es seine herrliche, ruhmreiche Geschichte unter einem falschen Gesichtspunkte auffassen ließen, zu einem kalten, vornehmen Zurückziehen auf sich selber veranlassen. Doch haben sich auch bei den Holländern in letzter Zeit die ersten Merkmale einer tieferen Erkenntniß ihres Verhältnisses zu ihren deutschen und vlämischen Brüdern kund gethan. Bei der Eröffnung der Eisenbahn zwischen Köln und Amsterdam sprachen die in der Metropole des Rheinlandes versammelten holländischen Festgäste in warmer, begeisterter Rede das Bewußtsein ihrer inneren Zusammengehörigkeit mit Deutschland aus. Als wenige Tage später die nach Amsterdam geladenen Deutschen in großer Anzahl anlangten, empfingen die Holländer ihre Gäste auf dem Bahnhöfe mit Arndt’s „Was ist des Deutschen Vaterland?“ –

Hoffen wir denn, daß das in dem Arndt’schen Liede enthaltene schöne Wort, Deutschland solle reichen, „so weit die deutsche Zunge klingt und Gott im Himmel Lieder singt,“ in den Herzen und Gemüthern unserer vlämischen und holländischen Bruder zur Wahrheit werde. Dann dürften sie dereinst neben den tausendfachen äußeren auch die tiefen inneren Beziehungen mit Deutschland erkennen. Ist es nicht bezeichnend für die letzteren, daß gerade unsere beiden größten Dichter die Niederländer verherrlichen? Nie sind sie wahrer und rührender in ihrer Vaterlandsliebe, Treue und Tüchtigkeit dargestellt worden, als in Goethe’s Egmont. Nur das verwandte Herz kann in so bewegter Weise das Bruderherz schildern. Und wie schwärmerisch begeistert spricht Schiller durch seinen Posa oder in seiner Geschichte des Abfalls der Niederlande von unseren vlämischen und holländischen Brüdern! Möchten die Niederländer darum den Schweizern in der Anerkennung des großen Dichters nacheifern, der die Befreiung zweier uns so nahe verwandter Völker in flammender Schilderung der Nachwelt überlieferte.

Des alten Arndt letzter Wunsch ging zu Euch, Ihr theuern vlämischen Bruder. Das Geschick hat ihm denselben nicht erfüllt. So kommt denn zu uns an dem nicht mehr fernen Tage, da des greisen Helden Standbild am linken Ufer des Rheins sich enthüllen wird, und macht durch Eure Gegenwart des unvergeßlichen Mannes Wort in neuer und herrlicher Wese wahr: „Der Rhein Deutschlands Strom, nicht Deutschlands Grenze!“




Zu W. Bauer’s deutschem Taucherwerk.

Bauer’s neue Luftpumpe – Taucherkunst – Taucherapparat: Helm und Ballast – Tauchersignale.

Ein Hauptbestandtheil des Bauer’schen Hebeapparates sind die großen Luftpumpen, deren er bedarf, sowohl um den Tauchern fortwährend frische Luft zum Einathmen in die Tiefe hinabzuschicken, als auch um die Kameele und Hebeballons aufzublasen und ihnen Tragkraft zu geben.

Es ist unsern Lesern erinnerlich, daß die ersten Luftpumpen, deren sich Bauer bei den geringen ihm von Haus aus zu Gebote stehenden Mitteln bedienen konnte, aus nichts weiter bestanden als aus ganz gewöhnlichen Feuerspritzen, bei welchen die in dem Windkessel zusammengepreßte Luft auf das Wasser wirkt und dasselbe in einem Strahl zum Schlauch hinaus treibt. Statt des Wassers aber ließ Bauer einen Luftstrahl in die Tiefe schicken, und welche Erfolge er mit diesen mangelhaften Apparaten erreichte, das beweisen die ersten Hebungen des Ludwig. Freilich konnte die große Mangelhaftigkeit der Apparate nur durch einen großen Aufwand, eine wahrhafte Verschwendung an Arbeitskraft einigermaßen ausgeglichen werden.

Diesem Umstande schenkte Bremen bei seiner Betheiligung an dem nationalen Sammelwerk für Bauer seine volle Beachtung, und kennzeichnete dies dadurch, daß es Bauer die Mittel zur Herstellung von zwei ausgezeichnet sorgfältig gearbeiteten Luftpumpen (Compressionspumpen) darbot, mit deren Hülfe der bedeutende Druck, der in einer Wassertiefe von 73 Fuß wirkt, mit Leichtigkeit überwunden wird. Wir geben beistehend eine Abbildung dieser nach Bauer’s Angaben construirten Luftpumpen und knüpfen daran einige Erläuterungen, welche wiederum dem Bauer’schen Scharfsinn in Erfindung eigenthümlicher, zweckmäßiger Vorrichtungen das brillanteste Zeugniß ausstellen. Man sieht auf der Abbildung zwei Cylinder, in welchen je ein Kolben luftdicht sich mittelst eines Hebels auf und ab bewegen läßt. In dem Stadium, welches unsere Zeichnung versinnlicht, ist der linke Kolben im Herabgehen, der rechte im Heraufsteigen begriffen. Durch diese Bewegung wird die Luft aus dem linken Kolben heraus und durch ein metallenes im obern Theil des Cylinders einmündendes Leitungsrohr in den Kautschukschlauch gepreßt, welcher sie in die Tiefe des Wassers führt. In den rechten Cylinder dringt dagegen durch ein im Kolben befindliches und sich nach unten öffnendes Ventil Luft ein, die ihrerseits bei dem Niedergehen des rechten Kolbens ebenso in den Kautschukschlauch gepreßt wird, wie jetzt die Luft des linken Cylinders.

Soweit stimmt die Einrichtung dieser Compressionspumpen mit den bisher in Gebrauch befindlichen überein. Da aber Bauer bei seinen früheren Versuchen die Beobachtung gemacht hatte, daß bei einer fortgesetzten Arbeit mit den Pumpen durch die Reibung des Kolbens und durch die Zusammenpressung der Luft eine sehr bedeutende Erhitzung des Cylinders eintrat, durch welche alle Dichtungen und Packungen sehr schnell zerstört wurden, so sind die Cylinder dieser Pumpen so eingerichtet, daß der Kolben nicht in seiner ganzen Länge dicht in dem Cylinder geht, sondern der Kolben läuft nur im Deckel durch eine Lederkappe gedichtet, der eigentliche Cylinderraum hat einen Durchmesser, der um etwa einen Zoll größer ist, als der Durchmesser des Kolbens. Dieser Zwischenraum wird mit Wasser oder Oel angefüllt und bildet somit einen beweglichen Piston, der bei jedem Niedergang des Kolbens in die Höhe gepreßt wird und die Luft hinausjagt, bei jedem Aufgange aber wieder zurücksinkt uns durch seinen Fall die Luft mit einsaugt. Die für gewöhnlich metallenen Ventile sind durch Kautschukscheiben ersetzt.

Um nun für verschiedene Tiefen oder für verschiedene Compression der Luft zwischen 6 und 10 Atmosphären immer die Pumpen durch dieselbe Kraft, etwa dieselbe Anzahl Menschen oder eine bestimmte Dampfkraft, in Thätigkeit setzen zu können, hat Bauer noch die Vorrichtung angebracht, daß der Stützpunkt des Kolbens sich durch Umstecken eines Dornes verschieben läßt. Es läßt sich damit die wirkende Hebellänge so weit reguliren, daß allein dadurch die Verschiedenheit der Widerstände ausgeglichen wird. Selbstverständlich wird bei Verlängerung des Hebels die Hubhöhe verringert, denn was an Kraft gewonnen wird, muß an Geschwindigkeit verloren gehen.

Bei der ausgezeichneten Tüchtigkeit der Ausführung ist aber das Spiel der Maschine ein so leichtes, daß trotz eines Kolbendurchmessers von 11 Zoll und einer Hubhöhe von 1 Fuß bairisch bei gewöhnlicher Spannung ohne Comprimirung der Luft eine Kraft von 8 Pfund hinreicht, um 1600 Kubikzoll Luft zu bewegen, von denen 800 Kubikzoll von dem einen Kolben aufgesaugt, die andern 800 Kubikzoll von dem andern ausgepreßt werden.

Während 19tägiger Arbeit auf dem Bodensee haben sich diese Bauer’schen Pumpen in ihrer Vorzüglichkeit bewährt. Sie hatten den Druck einer Wassersäule von 73 Fuß oder ein Gewicht von 361/2 Pfund für jeden Quadratzoll auszuhalten und wurden sowohl für die Taucher als zur Füllung der Ballons verwendet. Ohngeachtet sie durchschnittlich 8 Stunden unausgesetzt in Thätigkeit waren, blieben Kolben, Cylinder und Lederpackung vollständig kalt, obwohl die durch die Verdichtung erhitzte Luft den Schlauch und die Druckröhre bis zurück zum Ventil erwärmte. Dadurch aber erfüllte sich die Grundbedingung einer lange Zeit und anhaltend brauchbaren Luftpumpe auf das Schönste von selbst.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 796. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_796.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2020)