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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

und der Führer hatte sich wieder vollständig verlaufen. „Nach einem zweistündigen Marsche waren wir nämlich an eine Bergwand gekommen, von der kein Weg herunterzuführen schien. Vergeblich wurde stundenweit rechts und links nach einem Abstieg gesucht, nichts wollte sich finden, und unser Wasservorrath war bereits so auf die Neige gegangen, daß, wenn wir nicht spätestens den folgenden Tag Sella erreichten, uns der sichere Tod durch den Durst bevorstand. Endlich wurde beschlossen, in südöstlicher Richtung an der Felswand entlang zu marschiren, in der Hoffnung einen Ausweg zu finden. Zwei Stunden darauf kamen wir auch an eine Stelle, wo der Sand rampenförmig an die Felswand heraufgetrieben war, so daß die Kameele zur Noth hinunter kommen konnten. Einzeln, indem ein Mann das Thier am Schwanz hielt und gleichsam als Hemmschuh diente, während zwei Andere es vorn am Zaum hielten, wurden so die Kameele hinuntergeschafft und in fröhlicher Stimmung die nordwestliche Richtung wieder eingeschlagen. Bald aber zeigte es sich, daß sie abermals an einem Abgrund standen; es blieb nichts weiter übrig, als entweder Thiere und Gepäck im Stich zu lassen und das Leben zu retten, oder die Thiere den gekommenen Pfad wieder zurückzuschaffen. Nach einem kleinen Imbiß entschied man sich für das Letztere, und oben glücklich wieder angekommen, suchte man in einer andern Richtung über höchst unwegsames Terrain einen Ausweg, den man denn auch nach harten Kämpfen fand.“ Am 16. März endlich wurde Sella erreicht.

Moritz v. Beurmann.

Die Oasengruppe von Sella besteht aus drei, je zwei Stunden in der Richtung von Norden nach Süden zu liegenden Inseln, Namens Tirsa, Sella und Tlissem. Sella liegt nach von Beurmann’s Messung unter 28° 32′ 9″ nördl. Breite und 17° 18′ 30″ Länge von Greenwich. Der Reisende wurde hier, da nicht gleich Kameele zur Weiterreise zu haben waren, zehn Tage aufgehalten, dann aber erzwang er seine Weiterreise, die er über Fugga, Temissa und Tuila nach Mursuk bewerkstelligte.

Am 15. April hielt Herr v. Beurmann seinen Einzug in die schon bekannte Hauptstadt Fessan’s. Der Pascha hatte dem Reisenden, als er von seiner Ankunft Kunde erhalten, eine Suite von 20 Reitern, die ihn in feierlichem Zuge nach der Stadt geleiteten, entgegen geschickt und sein Nichterscheinen, als durch ein Unwohlsein veranlaßt, entschuldigen lassen. Am Morgen des folgenden Tages schickte der Gouverneur zu der Zeit, die Herr v. Beurmann bestimmt hatte, ein reich aufgezäumtes Pferd, das ihn in den Müdschlis (Rath) trug. Später erhielt unser Reisender einen Besuch vom Pascha; nachdem derselbe fort war, begab sich Herr v. Beurmann zum Hadsch Mohammed Ben Alua, dem Präses des Raths, um seine Wünsche behufs der Reise nach Wadai zu betreiben. In dem Bericht[1] vom 28. April heißt es: „Ich veranlaßte ihn, zum Pascha zu gehen und die sofortige Herbeirufung des Sultans von Tibu-Reschade, der sich gegenwärtig in Gatron befand, zu bewirken. In der That ging noch denselben Abend der Bote ab.[2] Auch behufs meines Eintritts in Wadai kam die Sache zu einem vorläufigen Abschluß, indem als der einzige ausführbare Plan von den Müdschlis anerkannt wurde, mittelst eines Schreibens vom Pascha von Tripolis an den Sultan von Wadai zu fordern: 1) die sofortige Herausgabe aller noch in Wadai befindlichen Effecten und Papiere des Dr. Vogel, 2) die Erlaubniß zu meiner Reise und 3) zu diesem Behufe die Hersendung eines Mannes mit einem Firman vom Sultan. Unterstützt wird diese Forderung durch ein entsprechendes Geschenk von meiner Seite. Ein blindes Drauflosgehen ward aber von Allen, die hier mit den Verhältnissen jener Länderstriche bekannt sind, für die größte Thorheit erklärt.“

Aus dem Vorstehenden ist zu ersehen, daß v. Beurmann mit großer Energie, Umsicht und Verstand seine so schwierige Aufgabe behandelt, und wenn überhaupt ein Erfolg möglich ist, so glauben wir, daß v. Beurmann der rechte Held ihn zu erringen ist. Um so unwürdiger würde es sein, wenn man die braven drei deutschen Männer v. Beurmann, W. Munzinger und Kinzelbach nicht mit den nöthigen Geldmitteln unterstützen wollte.

Herr v. Beurmann hat im Eifer der Sache und im Glauben, daß es möglich sei in directer Richtung nach Wadai vorzudringen, die Reise mit der geringen Summe von 1500 Thalern, die ihm


  1. Ergänzungsheft Nr. 8 zu Dr. A. Petermann’s Mittheilungen aus Justus Perthes’ Anstalt.
  2. So eben erhalte ich schon die Nachricht, daß wegen zu hoher Geldforderung die Reise nach Wadschanga erschwert wird. Nachdem der Tibu-Sultan Herrn v. Beurmann für die Summe von 80 Thalern nach Wadschanga zu geleiten versprochen hatte, steigerte er nach drei Tagen seine Forderung auf 500 Thaler. Die Forderung ist allerdings sehr hoch. Die Entfernung aber beträgt etwa 150 Meilen. Hätte der Reisende zu Anfang Juni schon mehr Mittel gehabt, so würde er möglicher Weise eine Vereinbarung erzielt haben. So aber mußte er die Forderung einfach zurückweisen und seinen Weg auf Bornu nehmen.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 684. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_684.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)