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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Revue passiren. Frau von Platen und die Gräfinnen von Hauenstein und Prausil waren die Königinnen dieses kleinen Cercle.

„Es ist, wie ich Ihnen sage, Madame!“ versicherte der schöne Major Hurtig. „Eine geheimnißvolle und räthselhafte Geschichte.“

„Räthselhaft wohl, aber nichts weniger als geheimnißvoll!“ lachte Frau von Hauenstein. „Was ist nur der tugendhaften Nassau eingefallen, sich einen Liebhaber anzuschaffen?“

„Ich dachte bisher immer, sie vergöttere ihren Gemahl in aufrichtiger Treue!“ meinte Georg. „Uebrigens ist es ein göttlicher Scherz! Der alte Nassau, welcher alle Scandalgeschichten des Hofes an den Fingern herzuzählen weiß, welcher Niemanden schonte und Niemandem Etwas schenkte, ist nun selbst der passive Held einer Chronik!“

„Unbezahlbar!“ jubelte der brünette Colonel Illisch.

„O!“ meinte die Hauenstein. „Wir werden ihm das Gift tropfenweise zumessen, wie er es uns so oft gethan! Zum Glück ist er jetzt an’s Spiel gefesselt, wir wollen also eine kleine Verschwörung gegen seine Gemahlin organisiren, um ihn zur Verzweiflung zu treiben.“

„Wie boshaft!“ lächelte der schöne Hurtig, indem er seinen blonden Schnurrbart strich.

„Vor allem aber müssen wir wissen, ob die Nachricht auch authentisch ist!“ rief Frau von Platen, indem sie dem Prinzen einen bedeutungsvollen Blick zuwarf. „Monsieur Hurtig theilt uns ein interessantes Abenteuer mit, welches sein Kammerdiener entdeckt zu haben glaubt. Kann sich aber dieser nicht einen Scherz erlaubt haben?“

Der schöne Hurtig unterbrach sie mit einer protestirenden Handbewegung. „Mein Lorenz lügt nie! Und übrigens sind seine Angaben so unglaublich, daß sie wohl wahr sein müssen!“

„Und sie lauten?“ fragte die Gräfin.

„Also, es ist, wie ich bereits zu erzählen die Ehre hatte,“ begann Hurtig. „Mein Lorenz war gestern Abend eben damit beschäftigt, die Rouleaux meines Salons herabzulassen, dessen Fenster bekanntlich in den Garten fuhren – als er plötzlich durch die Scheiben eines Corridorfensters zwei Gestalten erblickte, welche angelegentlich mit einander zu conversiren schienen. Lorenz würde diesem Umstände natürlich gar keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt haben, wenn er nicht in der einen Gestalt einen Leibsoldaten, in der andern aber einen reichgekleideten Cavalier erkannt hätte. Was konnten die Beiden mit einander zu verhandeln haben? Endlich sah er, wie der Cavalier eine Thüre öffnete und durch dieselbe verschwand – durch eine Thüre, welche jedenfalls in ein Damengemach führt, da der westliche Flügel, von dem wir sprechen, nur von den Damen des Hofes bewohnt wird. Lorenz zählte die Fenster des Corridors und war bald überzeugt, daß es Frau von Nassau sein müsse, welche den Besuch des Cavaliers empfangen habe, der beiläufig eine Stunde bei ihr verweilte.“

„Und die Züge des Cavaliers hat Lorenz nicht wahrgenommen?“ fragte Jllisch.

„Nein.“

„Hatte er auch an seiner Kleidung nichts Auffallendes?“ fragte der Prinz.

„Ebensowenig. Er trug nach Lorenz’ Aussage einen dunklen Rock, orangegelbe Achselschleifen …“

Frau von Platen machte eine Bewegung der Ueberraschung. „Wie?!“

„Bah!“ lachte Georg. „Glauben Sie den Cavalier an seinen Achselschleifen zu erkennen? – In der That, welcher Cavalier trägt gewöhnlich gelbe Achselschleifen? Außer dem alten Herrn von Herbst …“

Aber die Platen zerknitterte mit beiden Händen die Spitzen ihres Kleides, indem sie einen durchdringenden Blick auf Frau von Nassau warf, welche hinter dem Stuhle Sophiens stand und ihrer Freundin manchmal einen leisen Rath in Bezug auf das Spiel in’s Ohr flüsterte. „Er!“ murmelte sie für sich. „Er sollte diese Wachspuppe lieben? Fünfunddreißig Jahre und eine Halskrause – unmöglich! Und doch muß er’s sein.“

„Jedenfalls steht fest,“ meinte Georg, „daß die Nassau ihrem Gatten untreu ist – und diese Neuigkeit ist köstlich! Wir wollen sie vollständig ausbeuten! Ich will Ihnen einen Vorschlag machen, meine Herren. Da morgen im Allerheiligsten der keuschen Göttin wahrscheinlich wieder Schäferstunde gehalten wird, so wollen wir um die Abendstunde im Garten Schildwache machen und, sobald der mysteriöse Cavalier bei Frau von Nassau eingetreten ist, vor den Fenstern derselben ein kleines Ständchen arrangiren. Auf diese Weise wird der Scandal public und unauslöschlich und wir rächen uns sowohl an dem boshaften Nassau, als auch an der prüden Gräfin. Aber dazu brauchen wir einen Anführer! Ein Scherz ohne Philipp ist ein Souper ohne Champagner! Wo ist Philipp? He, Königsmark!“

„Er hat sich heute noch gar nicht sehen lassen,“ meinte Frau von Hauenstein, indem sie ihre Blicke durch den Saal gleiten ließ.

„Wo zum Teufel mag er stecken?“ rief Jllisch. „He, Königsmark!“

Frau von Platen zuckte mit einem spöttischen Lächeln die Achseln. „Wenn Herr von Königsmark verschwunden wäre,“ sagte sie, „welch’ ein entsetzlicher Verlust würde das sein!“ Dann nahm sie den Arm der Hauenstein und flüsterte ihr in’s Ohr: „Machen Sie mit mir eine Tour durch den Saal, Gräfin, und äußern Sie weder in Worten noch in Mienen Erstaunen über das, was ich Ihnen jetzt laut erzählen werde.“

Die Hauenstein warf einen verwunderten Blick auf Frau von Platen, nichtsdestoweniger aber nahm sie ihren Arm, und die beiden Damen machten eine kleine Ronde, indem sie sich den Spieltischen näherten. Indem sie an der Prinzessin vorbeigingen, sagte die Platen laut, indem sie ein angefangenes Gespräch fortzusetzen schien und dabei ihre Augen unter den halbgeschlossenen Lidern hervor fest auf die vier Partner des Spieltisches richtete: „Aber die Wunde des Grafen ist doch nicht tödtlich? Dieses Duell kam so unerwartet! Armer Königsmark!“

Ein leiser Schrei tönte vom Tische her. Es war nicht Frau von Nassau, welche denselben ausgestoßen hatte, sondern Sophie, deren bebenden Hand die Karten entglitten waren.

„Pardon! Ich bin so ungeschickt!“ sagte Frau von Nassau, indem sie sich beugte und dabei beinahe mit Frau von Platen zusammenstieß, welche sich wie alle Umstehenden beeilte, die verstreuten Karten zu sammeln und der Prinzessin zu überliefern. „Entschuldigen Hoheit, daß ich Sie gestoßen!“

„Es hat nichts zu sagen!“ lächelte Sophie Dorothea mit blutlosen Lippen, indem sie ihrer Freundin einen dankbaren Blick zuwarf – und die Karten aus der Hand der Platen empfing.

„Ah!“ murmelte diese, indem sie sich am Arme der Hauenstein vom Tische entfernte. „Ich wußte wohl, daß es die Prinzessin sei, die ihn liebt! O, wir Frauen täuschen uns nie – darum also haßte ich sie so sehr!“

In diesem Augenblicke ertönte die Stimme des Prinzen Georg aus dem Kreise seiner Freunde: „Da ist er ja! Philipp! Komm!“

In der That trat Königsmark soeben in den Saal. Seine linke Hand ruhte auf dem Griffe seines zierlichen Galanteriedegens, und seine Rechte strich einige widerspenstige orangegelbe Schleifen glatt, welche von seinen Schultern flatterten.

Ehe er aber noch den Cercle des Prinzen erreichte, hatte sich Frau von Platen demselben schon genähert und flüsterte ihm hastig zu: „Kein Wort von dem Abenteuer zu Königsmark, Prinz. Er ist der Held desselben!“

Georg unterdrückte mit Mühe ein lautes Gelächter und flüsterte seinen Gefährten ein ersticktes „Pst!“ zu, indem er auf die orangegelben Schleifen des Ankommenden deutete.


(Schluß folgt.)


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