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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

und Feind, zeigt die Dankadresse, welche ihm der Elisabethstädter Magistrat überschickte, und daß er ein großer Freund seiner Nation, aber kein Feind der andern war, das beweist auch das ungarische Kind, welches im Meschner Walde gefunden und von Roth getauft und als Pflegekind aufgenommen wurde.

Am 18. Januar 1849 rückte der General Bem in Mediasch ein und war Herr des ganzen gleichnamigen Stuhls. Roth kehrte zu seiner Pfarre nach Meschen zurück, bald war ganz Siebenbürgen erobert. Die österreichische Armee rückte in die Walachei ein. Mit ihr zogen viele Sachsen, welche in der Nationalgarde gedient hatten. Die Freunde Roth’s suchten auch ihn zu bewegen, mit zu flüchten, doch umsonst, er antwortete ihnen entschieden: „Ich suchte in meinem Leben nur meine Unterthanen- und Bürgerpflicht zu erfüllen, habe Niemandem etwas Böses gethan und habe also auch Niemanden zu fürchten.“ Um jedoch vor rohen Mißhandlungen des Kriegsvolks geschützt zu sein, erwirkte er sich vom edlen Polen-General Bem, der Vielen das Leben schützte, eine Sicherheitskarte. So lang Bem in Siebenbürgen war, blieb er auch unangefochten, kaum aber hatte Bem Siebenbürgen verlassen, so mußte Roth als Opfer des Parteihasses fallen.

Am 21. April wurde er von einem ungarischen Officier mit zwölf Mann Bedeckung vom Pfarrhause zu Meschen aus den Armen seiner fünf Kinder gerissen und zunächst über Mediasch nach Schäßburg geführt. Hier traf er, mit Eisen an Hand und Fuß, unter Bedeckung an. Auf die Aufforderung des ihn begleitenden Officiers, den Mantel über die Eisen zu ziehen, erwiderte er: „Es kann sie Jedermann sehen, sie schänden mich nicht.“ Die innige Theilnahme seines Wirthes und die täglichen Besuche seines Freundes Dr. G. D. Teutsch, des jetzigen Directors am Gymnasium, that seinem trüben Gemüthe wohl. Gegen diesen äußerte er auch die prophetischen Worte: „Sie werden mich tödten.“ Nach einigen Tagen wurde er über Vasarhely nach Klausenburg geführt, wo er manche Verhöhnungen zu dulden hatte.

In Klausenburg wurde Roth in das städtische Gefängniß eingekerkert, wo außer einem Stuhl, einer Pritsche und spärlichem Lichte nichts zu finden war. Nur zweimal besuchten ihn theilnehmende Freunde. Der erste war Carl Maager (nachheriger Reichsrath) aus Kronstadt, der am 7. Mai 1849 von dem Regierungscommissär Chány nur mit Mühe und erst nachdem er diesem männlich die Wahrheit über Roth’s Leben und Thun dargelegt, die Erlaubniß dazu erlangen konnte.

Kaum hatte Maager die Einlaßkarte erhalten, so eilte er in den Kerker. Roth, in einen Mantel gehüllt, lag leidend auf der Pritsche und traute bei dem Eintreten des Freundes seinen Augen kaum; in wenigen Augenblicken schloß er ihn mit Thränen und den Worten in seine Arme: „Lieber, theurer Freund, Sie hat mein guter Gott mir gesendet. O wie oft habe ich an Sie gedacht! Sie sind der Erste, der mich in meinem Elend aufsucht, Sie sind ein Engel des Trostes, der mir Kraft und Stärkung bringt.“ Er theilte nun dem Freunde mit, wie er hier schon zehn Tage im Gefängniß sitze, ohne außer dem Gefangenwärter und Chirurgen einen Menschen gesehen zu haben. Mit tiefer Wehmuth sprach er von seinen fünf ganz verlassenen Kindern, das Vaterherz blutete über das Schicksal der Verwaisten. Seine älteste Tochter war in die Walachei geflüchtet, und so war kein theilnehmendes Herz, das die Stelle der Eltern vertreten hätte. Außer der Sorge für seine Kinder beschäftigte Roth lebhaft das Schicksal seines Völkchens. Er hatte an der Erstarkung, dem Wohlergehn seines Volkes fast sein ganzes Leben mit seltenem Eifer mitgearbeitet, und mußte es nun in seiner tiefsten Erniedrigung sehen. Dies Gefühl war ihm ein tödtendes. – – Auf Maager’s Anerbieten, ob er ihm in nichts nützlich sein könne, antwortete er: „Ich kann über all mein Thun und Lassen Rechenschaft geben, ich habe nichts gethan, was eine Strafe nach sich ziehen könnte. Mein gesetzliches Vorgehen ist sowohl durch den Befehl meiner Ernennung des h. Generalcommando, als durch die schriftliche Instruction für meine Amtsführung gerechtfertigt. – Was ich Sie aber freundschaftlichst bitte, ist: erwirken Sie die Erlaubniß, daß ich einige Bücher zum Lesen erhalte. Außer diesem Gebetbuche, welches mich bis jetzt noch vor Verzweiflung geschützt hat, habe ich keine Nahrung für meinen Geist. Bitten Sie weiter bei Chány, daß ich nur ja bald verhört und vor meine Richter gestellt werde; denn nichts ist peinlicher, als diese schreckliche Ungewißheit; und wenn Sie sehen, daß Ihre Bitte nicht ungnädig aufgenommen wird, suchen Sie dahin zu wirken, daß mir ein gesunderer, weniger feuchter Kerker angewiesen werde.“ Unter Thränen des innigsten Mitgefühls verließ Maager den unglücklichen Freund. Er eilte sogleich, um bei Chány für ihn zu bitten. Dieser war nicht zu sprechen, und so richtete Maager seine Bitten an den in Chány’s Begleitung befindlichen Raaber Bischof Tallian, der ihm seine eifrigste Verwendung für Roth versprach und ihm nicht nur Bücher, sondern auch die Erlaubniß erwirkte, den Tag über im Hofraume und im Zimmer des Kerkermeisters zu sein. Beruhigt reiste Maager weiter. –

Den zweiten Besuch erhielt Roth im Kerker vom Klausenburger evangelischen Pfarrer Gintz; als aber dieser später um die Erlaubniß eines zweiten Besuchs bat, verweigerte Chány es ihm mit den Worten: „Es geht Niemand mehr zu Roth; er ist nicht hier, Gesellschaften zu geben; Sie haben heute lange genug mit ihm gesprochen.“

Der 11. Mai 1849 war der Tag der Entscheidung von Roth’s Schicksal; das Bluttribunal in Klausenburg sprach das Todesurtheil über ihn aus. Um 2 Uhr Nachmittags wurde dasselbe verkündigt, und die 5. Nachmittagsstunde desselben Tages zur Vollstreckung des Urtheils bestimmt.

Bis zur Todesstunde ward Roth unter starker Militärbewachung ausgesetzt. Eine zahllose Menge Neugieriger umgab das unglückliche Opfer. Den Pfarrer Gintz ließ er zu sich bitten, er empfing ihn mit den Worten: „Nun, Herr Bruder, ich bin eben zum Tode verurtheilt worden und soll heute Nachmittag um 5 Uhr sterben. Erweisen Sie mir den Liebesdienst, diese wenigen Stunden bis dahin bei mir zu bleiben und durch Ihre Freundschaft und christliche Zusprache erleichtern zu wollen.“ Auf Gintz’s Befremden über diesen tragischen Ausgang antwortete Roth: „Auch ich habe diesen Ausgang nicht erwartet, – denn ich habe nichts gethan, was des Todes werth wäre, darum sehen Sie mich auch gefaßt und heiter. Mein Mittagsmahl hat mir wohlgeschmeckt. Ich fürchte den Tod nicht, nur meine lieben, unerzogenen Kinder betrüben mich.“ Bei diesen Worten füllten Thränen seine Augen. Gintz suchte wiederholt Gnade bei Chány zu erwirken, erhielt aber die gefühllose Antwort: Es befremde ihn sehr, daß man diese Bitte nur zu stellen wage, da der Mann nicht einen, sondern zehn Tode verdient habe. Er habe ja überall und schon seit längerer Zeit an der Vertilgung der ungarischen Nation gearbeitet, wie dies außer seinem letzten sündigen Thun auch seine Einberufung der Schwaben (die Einwanderung Deutscher in Siebenbürgen) beweise. Uebrigens könne er mit dem besten Willen am Urtheil nichts ändern, da jenes Gericht nicht unter ihm stehe, ja daß hier selbst Kossuth nicht helfen könnte. – Wir sehen, wie auch hier der politische Haß blind machte. Aber man hüte sich, zu rasch den Stein auf die blinden Kriegsrichter zu werfen. Dieser Haß ist durch Jahrhunderte gezogen worden, es ist der Haß, den das österreichische System in Italien wie in Ungarn gegen den deutschen Namen erweckte, und diesem Haß fiel auch Roth als ein unschuldiges, ja als das reinste Opfer. – Aber lernen von diesem Beispiel, lernen sollen die Ungarn, wie jede nach Freiheit ringende Nation, daß sie sich selbst schändet, wenn sie die Standrechtswaffe der Tyrannei in ihre Hand nimmt und anstatt RechtRache übt.

Während Gintz bei Chány war, schrieb Roth nachfolgenden Brief an seine Kinder, der von seiner seltenen Seelengröße das beste Zeugniß giebt:


            „Lieben Kinder!

Ich bin eben zum Tode verurtheilt worden und über 3 Stunden soll das Urtheil an mir vollzogen werden. Wenn mich etwas schmerzt, so ist es der Gedanke an Euch, die Ihr ohne Mutter seid und nun auch den Vater verliert. Ich aber kann dieser Macht, die mich zur Schlachtbank führt, keinen Widerstand leisten, sondern ergebe mich in mein Schicksal, wie in einen Rathschluß Gottes, bei dem auch meine Haare gezählt sind.

An Sophie schließet Euch Alle fest an und betrachtet sie als Eure Mutter. Seid gehorsam gegen Gott und ehrerbietig gegen Jedermann, damit es Euch wohlgehe, oder Ihr es wenigstens verdient.

Mit dem Vermögen, das ich in großer Unordnung hinterlasse, haltet Rath, damit Ihr Mittel in Händen habt zu Eurer Bildung. Es giebt noch viele gute Menschen, die Euch auch um Eures Vaters willen rathen und helfen werden. Meinen Schwägern

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