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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Asad zuckte die Achsel und hieb mit einer Haselgerte durch die Luft. „Und wem haben wir denn Schweigen gelobt?“ setzte er nach einer Pause mit Verachtung hinzu, „dem Giaur!! der Schwur hat keine Geltung.“

„Was dienst Du ihm, wenn Du ihn verachtest?“

„Er ist milde, denn sein Blut ist Wasser, wie das Blut aller Ungläubigen; seine Hand ist immer offen, und ich liebe ihn, aber betrügen muß ich ihn doch; Asad vermag die Giaur nicht zu achtem“

Die Nasenflügel des Abyssiniers zitterten, und mit unendlichem Selbstgefühl schloß er: „Asad ist glücklich, wenn er den klugen Franken überlistet, bei der Seele Hassan’s und Hussein’s.“

Die Negerin, zu indolent, um länger über dieses Thema zu streiten, erwiderte nichts, sondern scheuchte die blitzenden Insecten von den Eßwaaren in den Körben, die zu beiden Seiten des breiten Sattels herabhingen und die allabendlich auf dem Markte in der Stadt mit Geflügel, Weizenbrod, Zuckerpasteten und anderen Delicatessen gefüllt wurden. Den sonstigen Lebensbedarf an Milch, Butter und köstlichen Früchten lieferte der Meierhof der fruchtbaren Guta, den die Herrschaft Asad’s und der schwarzen Messaouda bewohnte.

Schweigend erreichten die beiden Dienstboten jenes entzückende, quellenreiche Gartenland, welches Angesichts des Libanon seine Myrthengärten und Rosendörfer stundenweit ausbreitet.

Bevor Messaouda ihr Saumthier in das Gehege leitete, von wo aus der Pfad sich sanft hinabsenkte und zum Hofe und der Villa führte, bevor sich die Negerin von ihrem Begleiter trennte, neigte sie sich ein letztes Mal zu ihm und fragte gutmüthig vertraulich: „Und wenn er Dich fragte, was antwortetest Du, da Du nichts weißt?“

„Ich weiß genug, um zu antworten, genug, um den fremden Tauber lüstern zu machen auf den weißen Vogel, der dort oben mit gebundenen Fittigen im Pavillon verschmachtet!“

Ein Schrei entfuhr Messaouda. „Du setzest Dein Leben ein! Der Franke ist eifersüchtiger auf sein junges Weib, als der Padischah von Damaskus auf die Lust seiner Augen. Laß Dir’s gesagt sein!“

„Kein Giaur ist eifersüchtig, Tochter des Nils,“ lachte Asad und schlug auf dem sammetweichen Rasen einen Purzelbaum. Der weiße Esel legte die Ohren zurück und bäumte sich empor, worauf er in sausendem Galopp dem Stalle zulief, unbekümmert um die Negerin, die sich schreiend an seiner Mähne festhielt, während der schadenfrohe Asad sich vor Lachen der Länge nach in den Klee warf. - -

Kühler erhoben die Winde sich, rosiger erglühten die Wölkchen am tiefblauen Himmel, zärtlicher girrten die Turteltauben in den persischen Silberpappeln, und aus den Wiesen und Weinpflanzungen empor stieg ein sinnberauschendes Arom, ein Weihrauch von Wohlgeruch: da öffnete sich eine dichtverhangene Thür im obersten Stockwerk jener luftigen Villa der Guta, und auf eine Terrasse – gleichsam ein schwebender Garten der Semiramis – trat ein junges Frauenbild in köstlichen Kleidern heraus.

Langsamen Schrittes bewegte sie sich bis an das grünumrankte Gitter vor und schaute feuchten, sehnsüchtigen Blickes über die glanzumgossene Landschaft, über den schillernden Wiesenquell, an dessen Ufer eine Schaar junger Lämmer weidete; doch wie von dem Abendroth geblendet, schloß die Einsame alsbald die Augen und sank ermattet auf ein weiches Polster, welches, mit einer kühlen Binsenmatte überdeckt, auf der Terrasse unter einer Palme lag.

Angesichts dieser südlichen Zauberpracht, die das kälteste Herz in seinen Tiefen wendet, angeduftet von der violetten Passionsblume, von tausend Rosen, die trotz der späten Jahreszeit in bunten Porzellan-Vasen auf dem Balcone blühten, verharrte das reizende, junge Weib in trostloser, starrer Gleichgültigkeit, wie verloren in quälende Gedanken. – Ein gelber Papagei war tändelnd auf ihre Schulter geflogen und zog eine Strähne ihres lose schweifenden Lockenhaares durch seinen krummen Schnabel; – umsonst; die bleiche Herrin, die unter der Last ihrer Juwelen seufzte, achtete nicht der herausfordernden Zärtlichkeit des kleinen, gefiederten Freundes.


(Fortsetzung folgt.)



Ein Kämpfer für das Kaiserhaus.

Mit dem Abschlusse des Pariser Friedens von 1815 glaubte man für immer die schweren Wolken beseitigt, die Europa mit so vielen und großen Leiden überschüttet. Nun droht uns doch von gleicher Seite das gleiche Unheil. Fast scheint es, daß Fürsten und Völker diese zweite Katastrophe erdulden müssen, weil sie die erste vergessen und nicht gelernt haben, auf welchen Grundlagen ihre Freiheit, ihr Wohl, ihre Größe ruhen. Da ist es Zeit, daß man, wo die Gespenster der Vergangenheit spuken, auch ihre großen Gestalten aus dem Grab beschwöre, um sich durch sie in einer haltlosen Gegenwart für die Kämpfe, die vielleicht nahe bevorstehen, zu stärken. So steig denn aus den Gewölben deiner Gruft bei den Franziskanern zu Innsbruck, steig empor, du alter Rothbart mit der Kutte und dem Säbel in der Hand, wie du einst gestritten gegen die Horden und Heere der Nation, welche sich rühmt, an der Spitze der Civilisation voran zu schreiten. Solche Erinnerungen thun noth, wenn wir damit auch nicht sagen wollen, daß die da drüben über dem Rhein die schlimmsten Feinde des deutschen Vaterlandes sind. Die größten haben wir näher zu suchen.

Da lebte zu St. Martin im Pusterthale ein Bäuerlein auf seinem Hofe und mochte oft genug bedenklich den Kopf schütteln, wenn es sah, wie seine sieben rüstigen Kinder die Schüssel mit Schwarzplenten fast eben so schnell leerten, als sie aufgesetzt worden. Der Aelteste, der Hans, hatte einen offenen Kopf, und da meinen in Tyrol die Leute, daß ein solches Büblein nothwendig Priester werden und so seinem Hause die höchste Ehre auf Erden verschaffen solle. Hans, geboren am 28. October 1776, machte sich in seinem siebzehnten Jahre auf und trat als Schüler in das Gymnasium zu Botzen, obwohl er eigentlich lieber mit dem Stutzen in der Hand den Gemsen nachgestiegen wäre oder vor der Scheibe um das Best gerittert hätte. Bald sollte er jedoch die Bücher in den Winkel werfen und die Waffen tragen. Im Jahre 1796 bedrohte der Franzose die Grenze Tyrols, Haspinger zog mit den Schützen aus, der Feind gab ihm jedoch keine Gelegenheit, sich als Krieger zu erproben, und es blieb beim müßigen Vorpostendienste im Thale von Ampezzo, bis der Sieger von Arcole die Oesterreicher zurückwarf. Auch jetzt suchte der Feind die Berge Pusterthals nicht heim. Ungeduldig beschloß Haspinger, der um jeden Preis einen Franzosen beim Kragen packen wollte, allein auf die Streife zu gehen, und schlich wie ein Wolf auf den einsamen Gebirgspfaden zwischen Tyrol und Venetien lauernd umher. Endlich begegnete er einem welschen Bauer. Seine erste Frage war nach dem Feinde. Jener zeigte auf einen Baum, unter dem ein französischer Officier stand, beschäftigt, die Gegend zu recognosciren. Der junge Schütz schlich hinter ihm heran, trat plötzlich vor und setzte ihm den Stutzen auf die Brust. Betroffen übergab ihm der Officier den Degen und wollte ihm auch seine goldene Taschenuhr überreichen, Haspinger wies sie zurück, indem er nicht der Beute wegen, sondern das Vaterland zu vertheidigen ausgezogen sei. Er führte nun den Gefangenen, welcher sehr über die Verwegenheit erstaunt war, mit der er fern von den Seinen sich mitten unter den Feind geschlichen, nach Tyrol zurück und übergab ihn dem Commandanten des österreichischen Militairs, dem Fürsten Reuß.

Die Ehre blieb nicht aus; es wurde ihm die silberne Tapferkeitsmedaille zugeschickt, als er wieder nach Botzen zurückgekehrt war. Doch sollte er nicht lange auf den Bänken des Gymnasiums Schulstaub schlucken; im Frühling des Jahres 1797 bedrohten die Franzosen neuerdings Südtyrol, und ein Aufruf des Landesguberniums führte die Schützen auf’s Neue in den Kampf. Joubert rückte mit großer Macht gegen Brixen vor, seine Avantgarde überschritt die Klause und eilte bis in die Nähe von Sterzing. Dort bewahrt noch in der Capelle am Wege ein schlichtes Bild mit der Unterschrift:

„Bis hieher und nicht weiter
Kamen die französischen Reiter.“

die Erinnerung an dieses Ereigniß. Sie mußten umkehren! Als Joubert am 2. April vorrückte, waren die Höhen bereits ringsum von Schützen besetzt, ein wüthendes Gefecht, dessen heftigste Angriffe um das Dorf Spinges hin und her wogten, entspann sich und dauerte im tiefen Schnee von 9 Uhr Morgens bis 5 Uhr Abends. Als den Schützen die nassen Gewehre versagten, ertönte der wilde Ruf: „Dreinschlagen, dreinschlagen!“ Mit aufgehobenem Kolben tobte der Landsturm daher und warf Alles vor sich nieder. Da fiel Reinisch, der kühne Schmied von Bolders, gleich Winkelried die Brust von Bajonneten durchbohrt, nachdem er zuvor mit einem

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_292.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)