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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Ein edles Wild.

„Einen Zweiunddreißig-Ender?“ frug zweifelnd, aber doch mit all dem bereits angeregten Interesse eines leidenschaftlichen Jägers Graf Detlev den vor ihm stehenden Hans Björne.

„Gewiß, gräfliche Gnaden,“ entgegnete dieser zuversichtlich. „Als ich mit dem Herrn Grafen von Pinneberg zurückritt, spürte Hector’s feine Nase das Wild auf; ich drang ihm nach durch das Dickicht, und als das aufgescheuchte Thier über die Lichtung im Forst setzte, konnte ich deutlich sein herrliches Geweih sehen. Das prächtigste, was mir noch vorgekommen! Euer Gnaden besitzen noch kein solches!“

Es war die erste Jagd, die Graf Detlev seit dem Antritt seiner Regierung abhielt, und Boten flogen nach allen Richtungen, um die edlen Gäste dazu einzuladen; im Schlosse wurden die nöthigen Vorbereitungen gemacht, und heiteres Leben erfüllte nach langer Zeit wieder Hof und Hallen.

Graf Adolph hatte seinen Bruder um die Erlaubniß bitten lassen, von der Partie zu sein, das war sein ganzer Versöhnungsschritt gewesen.

Mit dem ersten Tagesgrauen des 10. Novembers stand der stattliche Jagdzug gerüstet vor den Stufen der Haupttreppe, auf welcher nach jener heftigen Scene, wo sich Graf Adolph vergessen hatte, die Hand an den Degen zu legen, die beiden Bruder sich zum ersten Male wieder begegneten. Graf Detlev war in bester Stimmung, voll frischer Lebenslust und Kraft; er ertheilte dem treuen Peter eben noch einige Anweisungen.

War es der Anblick des alten Dieners, der ihn mahnte, aber getrieben von einem plötzlichen Gefühl trat er zu dem Bruder: „Guten Morgen, Detlev!“ sagte er, „es thut mir leid, daß ich mich letzthin von meiner Heftigkeit habe hinreißen lassen. Hier ist meine Hand – wir wollen Friede machen!“

Detlev schlug ein in die dargebotene Rechte und schüttelte sie mit den Worten: „Von Herzen gern! Komm heute Abend zu mir, ich habe gute Botschaft für Dich von Rasdorf,“ sagte er lächelnd. Damit schwang er sich auf das ungeduldig scharrende Roß, und als die Morgensonne kaum die Wipfel des bunten Buchenwaldes vergoldete, vertheilten sich die Jäger in demselben, Hans Björne’s Anordnungen folgend, der allein den Lagerplatz des Thieres kannte. Einen weiten Kreis mußten sie um denselben bilden, so daß Keiner den Andern sehen konnte. Den beiden Brüdern wies er einen Kreuzweg an, der durch den dichten Forst und nach einem kleinen See zuführte, er selbst aber verschwand mit dem ungeduldig an der Leine zerrenden Hector in das dichte Unterholz. Das Signal ertönte und bald zeigte sich, ruhig und stolz nach den unberufenen Störern umherschauend, das schöne Thier am Rande des Waldes, um ebenso rasch vor den nun losgelassenen Hunden zu verschwinden.

(Schluß folgt.)




„Wenn Du ein armes Menschenkind –“



Wenn Du ein armes Menschenkind
In bangem Schmerz siehst weinen,
So kannst Du Deine Thränen lind
Vereinen mit den seinen.
Du kannst mit mildem Trosteswort
Ihm vor die Augen treten:
Getheilter Schmerz ist halber Schmerz,
Ihr könnt zusammen beten.


Doch siehst Du wo ein helles Aug’
In Liebeszähren blinken,
So lenke Deinen Schritt zurück
Und laß’ sich’s einsam dünken!
Die Liebe ist sich selbst genug,
Darfst ihr nicht nahe treten –
Getheilte Lieb’ ist keine Lieb’,
Da muß man einsam beten.

 Th. Schuckhart.






Erinnerungen aus dem Schleswig-Holsteinschen Kriege.

Von Graf A. Baudissin.
Nr. 3.
Der alte Torfbauer.

Es war Jahrmarkt in Segeberg, und mit dem Jahrmarkt war kaltes, unfreundliches Wetter mit Schnee und Wind eingezogen in das friedliche Städtchen. Ich stand am Fenster meines Gasthofes und bewunderte bald einen Orgeldreher, welcher trotz des kalten Windes und trotz der Schneeflocken, die letzterer ihm in die hohlen Zähne trieb, das Mantellied absang, bald eine Schaar halberfrorener böhmischer Musikanten, die vor Kälte schaudernd den warmen Odem in die alten Trompeten hauchten, als meine Aufmerksamkeit auf einen alten Bauer gelenkt wurde, der langsam, Schritt vor Schritt ein krankes Pferd am Zügel führte. Der Bauer machte Halt vor dem Gasthofe und richtete Fragen an den Hausknecht, welche dieser entschieden abzulehnen schien. Das Aeußere[WS 1]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Aeu-/sere
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_053.jpg&oldid=- (Version vom 30.4.2020)