Seite:Die Gartenlaube (1858) 688.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

oben sehen lassen, um die Thiere zu füttern. Mit großer Behendigkeit fängt der Obensitzende die ihm zugeworfenen Stücken mit dem Maule oder, sind sie für dasselbe unerreichbar, wohl auch mit den Tatzen auf, während die Uebrigen unten sämmtlich aufrecht auf den Hinterfüßen stehen und durch sehnsüchtige Blicke und Töne die Mahnung, sie nicht zu vergessen, aussprechen. Die Gemüthlichkeit hört aber, wie überall beim Fressen, auch hier auf, wenn ein hinuntergeworfener Brocken sein Ziel, das offene Bärenmaul, verfehlt und zwischen die Gesellen fällt. Sehr widerhaarige Töne, zwischen Gebrumm, Geschrei und Gebrüll mitten inne stehend, sind dann auch für den entfernteren Spaziergänger das Zeichen eines solchen Mißgeschicks und bezeichnen die Stimmung des Leerausgegangenen.

Dieses ganze Schauspiel wiederholt sich den Tag über so oft, als durch das Publicum dazu Veranlassung gegeben ist, denn der Appetit ist stets vorhanden. Bei Gelegenheit des Appetites wollen wir uns auch einmal ausnahmsweise eine wissenschaftliche Bemerkung über die Nahrung der Bären erlauben; dieselbe besteht aus Brod, allen Arten Früchten, Mützen, Taschentüchern und anderen Vegetabilien. Ein leinenes Taschentuch, wenn es zu ihnen herunterfällt, wird sofort und unter großem Wetteifer der ganzen Gesellschaft zerrissen und verzehrt, wie wir dies selbst gesehen; und an einer Tuchmütze, die also doch auch für gut befunden wurde, hat der Vater des erwähnten Bären-Brüderpaares sein Leben lassen müssen. Die Mama dieses würdigen Paares hatte schon früher mehrmals im Zwinger Junge geworfen, es war aber versäumt worden, sie abzusperren, und so war die Mutter nicht im Stande gewesen, ihre Jungen vor dem neugierigen Appetite ihrer Genossen, selbst des Rabenvaters zu schützen, bis sie im späteren Falle, gleich jenem Pudel das Unnütze der Vertheidigung einsehend, aus Liebe oder Verzweiflung ihre Jungen selber fraß. Beim letzten Male ihres hoffnungsvollen Zustandes abgesperrt, zog sie aber dann ihre Kinder um so erfolgreicher auf.

Was glotzt uns aus dem Teiche, der jetzt vor uns liegt, für eine schwarze, unbewegliche Masse an? Soll das ein Thier sein? Ja, gewiß, und sogar ein seit Jahrhunderten in Europa häufiges Thier, der gemeine Büffel; bis an die Nasenspitze ist er im Wasser verborgen, stehend oder liegend suchen die übrigen der kleinen Heerde das Gleiche zu thun, und die muntere Bachstelze scheut sich nicht, auf den beweglichen, ungeschlachten Leibern zu ruhen oder Beute zu suchen. Mit seiner stets vorgestreckten borstigen Schnauze, seinem oft wild über das Auge wachsenden Stirnhaar, seinen hängenden Ohren und den plumpen, an den Knieen zottigen Beinen macht der Büffel den Eindruck einer zwar gewaltigen, aber auch stumpfthierischen Kraft, und gleichwohl war der Büffelstier ritterlich genug, als einst von zwei im Garten ausgebrochenen Bären der eine eine Büffelkuh angefallen hatte, dieselbe sofort durch einen mächtigen Stoß, mit welchem er das Raubthier in den Teich schleuderte, von demselben zu befreien.

Diese Büffel bilden, gleichwie die nebenan befindlichen Zebu-Rinder, eine kleine, sich immer selbst ergänzende Heerde, daher man bei beiden stets Junge antrifft. Beide, obgleich zur Gattung Ochs gehörig, repräsentiren ganz entschieden Gegensätze; die Büffel ungeschlacht und roh, der Zebu von feinem Bau und fast sanftem Blicke, jener schwarz, dieser weiß. Während die Hörner des Büffels nach hinten gerichtet und gebogen sind, stehen diejenigen des Zebu gerade nach außen. Der Büffel ist berüchtigt durch seine Widerspenstigkeit, während die Anwendung des Zebu’s in seiner Heimath die vielfältigste ist und auf seine Anstelligkeit schließen läßt.

Das Inspectionshaus neben den Zebu’s, in welchem der die Aufsicht über den Garten führende Inspector wohnt, enthält in seinem Erdgeschoß eine Sammlung größtentheils solcher Thiere, die theils ihrer Empfindlichkeit wegen die bei uns oft veränderliche Temperatur nicht vertragen, theils wegen ihrer Kleinheit diese Aufstellung erfordern. Im zweiten Zimmer fesseln besonders die Schlangen, obgleich die hier befindlichen „Riesenschlangen“ durch ihre Größe nichts weniger als imponiren, wie das auch anderswo oft der Fall ist.

Sehr häufig trifft man es, daß die Thiere mit weißen Ratten oder Mäusen, welche in demselben Zimmer gezogen sind, gefüttert werden. Man sperrt die Opfer einfach in den Behälter der Schlangen und überläßt es diesen, sich derselben zu bemächtigen. So sehen wir z. B. in einem Käfig einen gräulichen Klumpen von drei bis vier durcheinander liegenden Klapperschlangen; eben so viele weiße und weiß- und graugefleckte Mäuse klettern mühsam, da sie schon durch erhaltene Bisse gelähmt sind, über die Leiber ihrer Feinde und an dem Drahtgitter empor, um sich zu retten. Gierig werden sie von den lauernden Blicken der gräßlichen Reptilien verfolgt und sobald eine, matt geworden, herabfällt, nähert sich langsam ein häßlicher Kopf und packt ganz gemächlich das unglückliche Thier. Doch die Todesangst gibt demselben neue Kräfte; schreiend sträubt es sich mit der Kraft der Verzweiflung und die Schlange, dadurch genirt, öffnet ihren Rachen und entläßt die Maus, um sich vielleicht einer andern zuzuwenden. So wiederholt sich dasselbe Schauspiel oft drei, vier Mal, auch öfter, ehe das Opfer sich ohne Widerstand ergibt. Schneller geht es, wenn zwei Schlangen zugleich eine Maus erfassen, in wenigen Augenblicken ist dann das Thierchen wehrlos und todt, und die widerlichen Köpfe rücken sich allmählich näher, bis der stärkere den andern zwingt, ihm die Beute ganz zu überlassen und sich nach anderer umzusehen. Höchst auffallend ist es, daß nicht schon durch den ersten Biß der giftigen Schlange das Opfer sofort oder doch in Kurzem getödtet wird, und es bleibt fast nur die Erklärung dafür, daß bei dem langsamen Anpacken die Giftzähne nicht wirken können, was bei einem schnell versetzten Bisse jedenfalls geschehen würde. Daß der Anblick dieser geschilderten Scenen ein höchst widerlicher ist und viel Ueberwindung erfordert, wird man übrigens gern glauben.

Unsere einheimischen Schlangen, die giftige Kreuzotter und die unschädliche Ringelnatter fehlen natürlich niemals, so wenig, als die schöne grüne Eidechse unseres Vaterlandes.

Die großen Raubvögel, von denen wir außer dem Uhu noch keinen sahen, befinden sich an dem wieder betretenen Gartenwege in einer Reihe nebeneinander angebrachter Käfige. Stumm und ruhig sitzen die zu den Adlern gehörigen Thiere auf ihren Blöcken, blos den Kopf in fortwährender Bewegung nach Allem, was irgend auffällt, und das Auge im feurigsten Glanze leuchtend. Die Geier hingegen, durch ihre gewöhnlich minder langen und krummen Krallen mehr dazu befähigt, halten sich öfter auf dem Boden auf, und die an das Schnattern der Gänse erinnernde Stimme des weißköpfigen Gänsegeiers ertönt häufig, wenn er sich mit seinen Genossen um die Reste der Mahlzeit herumstreitet. Alle diese Vögel kann man nur in ihrer Freiheit kennen lernen; der Flug ist es, in dem sie als das in seiner Art vollkommene Thier erscheinen, und der Gefangene ist nur das halbe Bild seiner selbst, weil das belebende Element ihm genommen. Ein wehmüthiges Gefühl überkommt den Beschauer, wenn er die riesigen Condors sich am Boden um sich selbst drehen sieht, sie, die in ihrer Heimath noch hoch über den Gipfeln der Anden im Aether schweben und keine Ferne kennen.

Bei der Colonie kleiner Raubthiere angekommen, stellen sich uns die Gebrüder Reinecke, obgleich höchst unfreiwillig, vor, und der bloße Anblick der immer scheuen, immer listig lauernden Gesellen läßt ihnen Alles zutrauen, was man denselben nachsagt. Sehen nicht alle Uebrigen, die Waschbären, der Wombat, der Schakal, selbst der graue Polarfuchs wie Biedermänner dagegen aus? Nur die Marder mit ihren fast schlangenartig sich windenden Leibern zeigen ein ähnliches listiges Gebahren, aber nicht entfernt kann sich in dieser Beziehung der Ausdruck ihres Kopfes mit dem eines Fuchses messen.

Das vollendetste Bild eines biedern Bürgers ist indeß jedenfalls der Dachs; er kennt keine krummen Wege, als höchstens die seiner unterirdischen Gänge, er schleicht nicht leise einher, sondern tappt, allen hörbar, mit seinen langen Grabekrallen laut genug auf seinem steinernen Boden herum, denn ihn plagt nicht das böse Gewissen seines Vetters. Leider ist die Gelegenheit sehr selten, diese Beobachtungen zu machen, denn man hat aus zu weit getriebener Nachsicht für seine Neigungen ihm einen unterirdischen Raum ausgemauert, in welchem er wohl den ganzen Tag verbringt, und nur des Abends zum Vorschein kommen soll. Wer übrigens Dachs und Fuchs gesehen, wird finden, daß in dem altdeutschen „Reinecke Fuchs“ die Charakterzeichnung dieser Thiere ganz vortrefflich gelungen ist.

Weiterhin nehmen neue noch nicht gesehene Raubthiere unsere Aufmerksamkeit in Anspruch, voran die gestreifte Hyäne, dieses merkwürdiger Weise immer noch Vielen als furchtbar geltende Thier. Man sieht hier schlagend, wie schwer es ist, einmal eingewurzelte Irrthümer auszurotten. Da glauben noch Manche, daß die Hyäne Löwen und Tiger bekämpfe und, was des Unsinns mehr

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 688. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_688.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)