Seite:Die Gartenlaube (1858) 461.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

– nach Indien einen dreimonatlichen Gehalt –; von ihm werden die sogenannten sea necessaries bestritten und an den Quartiermeister bezahlt, der sie zu liefern hat; der Ueberschuß wird dem Zahlmeister gegen Quittung zurückgegeben, wenn der Capitain nicht ausnahmsweise verheirathete Soldaten vollständig auszahlt, damit diese für ihre Familien etwas sorgen könenn, natürlich auf sein Risico, denn stirbt der Mann vor Ablauf jener drei Monate, so muß ersterer das zu viel ausgezahlte Geld dem Staate ersetzen. Unter allen möglichen Vorwänden suchen die Soldaten einen Vorschuß an Geld vom Capitain zu erlangen, Geld, das gewiß nur zum Ankaufe von Gin und Rum verwendet wird.

Portsmouth, als Kriegshafen ersten Ranges, ist in der Regel der Ort, von wo aus die Einschiffung nach dem Mittelmeere oder Indien erfolgt. Kommt das Regiment in den Dockyards an, so marschirt es in Colonne mit Compagniefront auf und zwar dicht an der Schiffsbrücke, denn da liegt das Schiff, das es aufnehmen, in seinen Räumen bergen und nach fremden Ländern bringen soll, wie ein riesiger Koloß, noch durch eine transportable hölzerne Brücke mit dem Lande verbunden. – Auch das Schiff ward vorher vom Hafenadmiral auf das Genaueste revidirt, es ist vollständig verproviantiert, lebende, fette Hammel, für den Officiertisch bestimmt, stehen in einem Stalle am Vordertheil, eben so eine Kuh, um täglich frische Milch zu haben, während eine Menge Hühner, Enten und Gänse in einem niedrigen Stalle am Quarterdeck jedenfalls ihre letzte Reise machen werden. Ein Adjutant des Admirals geht in Begleitung sämmtlicher Hauptleute auf das Schiff und weist jedem den Raum für seine Compagnie an. Wohl schüttelt Mancher, der noch nicht zur See war, das Haupt, wohl hält er den Raum für viel zu klein, eng und finster, er macht den Adjutanten darauf aufmerksam und erhält höchstens ein it is ordered, Sir (es ist befohlen) zur Antwort. Sind alle Räume angewiesen, so kehren die Officiere an das Land zurück und die Compagnie, welche in den untersten Raum zu liegen kommt, marschirt zuerst ab, und die andern folgen, so daß in längstens einer halben Stunde das ganze Regiment an Bord ist. – Die Gewehre werden an den Wänden in Reihen so festgestellt, daß sie selbst bei rauhem Wetter nicht umfallen, dann wird die Compagnie in so viele Cameradschaften getheilt, als sie Tische erhält, jeder solchen Cameradschaft ihr Platz angewiesen, ihr Eß- und Trinkgeschirr übergeben, die Tornister unter den Tisch gelegt, Czacko’s an die Bajonnets gehängt und jeder Mann bekommt seine Hängematte. In einer Stunde kann dies Alles geschehnsein, doch gehört diese gewiß nicht zu den angenehmsten im Leben, namentlich wenn, wie es uns im Jahre 1855 geschah, der Raum für die Compagnie unter dem Wasserspiegel liegt, Luft nur durch die Treppenluke, Licht nur von zwei düster brennenden Laternen erhält, wenn derselbe, ohnedies eng und klein, durch die aufgeschlungenen Hängematten so niedrig ist, daß man den Czako abnehmen muß, wenn man endlich in ihm sich hundert Soldaten denkt, die ihre Waffen, ihr Gepäck ablegen und unwillkürlich einer dem anderen im Wege stehen. Da noch zu befehlen, das ist nicht leicht, und wir waren froh, als wir auf das Deck gehen konnten, um frische Luft zu schöpfen.

Mittlerweile ist das Gepäck des Regimentes angekommen und auf das Deck geschafft worden, um, mit Ausnahme der Officiersequipagen, in den Raum verstaut zu werden. Die Pferde der berittenen Officiere werden den Matrosen übergeben, welche sie in Kästen führen, deren vordere Seite mit der daran befindlichen Krippe nur bis zur Höhe der Brust reicht. Die Kästen sind so lang, daß die Pferde in ihnen stehen, doch so schmal, daß sie sich nicht legen können, und um sie vor dem Niederfallen zu bewahren, werden ihnen zwei Gurte unter dem Bauche durchgezogen und an den Wänden des Standes befestigt, so daß sie in diesen ruhen können. Dann wird der Kasten mit dem Pferde mittelst eines an der großen Raa befestigten Krahnes an Bord gehißt und am vorderen Ende des Gangweges niedergestellt und festgebunden. – Sind alle Pferde, ist alles Gepäck an Bord, so hißt der Capitain den sogenannten blue Peter, blauen Peter, eine blaue Flagge mit weißem Quadrat in der Mitte, an dem Hauptmaste auf, dadurch meldend, daß er zum Auslaufen bereit sei, – der Lootse kommt an Bord und nimmt seinen Platz auf dem Stege nahe am Hauptmaste ein, der von einem Räderkasten zum andern führt, um von da aus seine Befehle zu ertheilen. Die Ordre, „die Anker zu lichten und auszulaufen“, überbringt ein Adjutant des Hafen-Admirals; dies geschieht, und langsam und vorsichtig unter den Befehlen des Piloten dampft das Schiff den schwierigen Hafen hinaus, um auf der Rhede von Spithead abermals die Anker fallen zu lassen, und dann hier bis den folgenden Morgen liegen zu bleiben.

Es geschieht dies, um Alles in Ordnung zu bringen, den Officieren werden ihre Cabinen angewiesen. die Mannschaft wird in drei Wachen getheilt, die alle vier Stunden wechseln und deren mindestens immer eine auf Deck sein muß, der Dienst wird commandirt und der Capitain und drei Subalternofficiere wechseln mit demselben alle vierundzwanzig Stunden, sie haben die Ausführung gegebener Befehle zu überwachen, so wie das Kochen und Verteilen der Rationen an die Compagnieen zu beaufsichtigen. Die nöthigen Schildwachen werden ausgestellt, kurz der Dienst so vorbereitet, wie er auf See dann ausgeführt werden muß.

Eine Hauptschwierigkeit liegt in der Verpflegung der Mannschafen, da die Küchen sehr beschränkt sind. – gegen einen Abzug von täglich 6 Pence (5 Neugroschen) empfängt der Soldat früh 1 tin pot – ungefähr eine halbe Kanne haltend – Thee mit braunem Zucker, Mittags 1 Pfund gepökeltes Schweine- oder Rindfleisch mit einer halben Kanne Erbsen oder Reis, um 6 Uhr abermals eine halbe Kanne Thee und um 7 Uhr ¼ Kanne Grog, d. h. Rum mit zwei Theilen kalten Wassers vermischt. Zwieback wird in Ueberfluß geliefert, mit Trinkwasser muß dagegen sparsam umgegangen werden.

Ganz anders und beinahe luxuriös ist die Verquartierung und Verpflegung der Officiere. Gewöhnlich bewohnen drei bis vier derselben eine Cabine zur Seite des Salons; die Betten sind schmal, aber sehr rein und gut, freilich zwei Reihen übereinander. – Der Salon ist ihnen ausschließlich zur Benutzung übergeben, eben so das Quarterdeck. Der Salon selbst ist höchst elegant möblirt, Polstermöbel von Magagoni mit rothem Damast überzogen, große Spiegel in Goldrahmen, elegante Teppiche auf dem Fußboden, Alles ist schön und comfortabel.

Früh 6 Uhr bringt der Steward jedem Officier eine Tasse schwarzen Kaffee an das Bett, gegen 7 Uhr stehen sie auf, machen Morgentoilette und gehen in den Salon oder auf das Verdeck bis 9 Uhr, wo die Glocke zum ersten Male Frühstück ruft. Dies ist echt englisch, es besteht aus Kaffee, Thee, Milch, Toast, frischem Weißbrod, Butter, Fischen, Eiern, gekochtem Schinken, Kartoffeln, Reis und kaltem Braten. Dann beginnt der Dienst, bis gegen 12 Uhr dauernd, die Leute müssen ihre Hängematten rollen und in die Sinkmatten legen, alle Räume werden inspicirt, kein Fleckchen auf Tisch oder Diele darf zu sehen sein, Alles muß gescheuert sein, eine Maßregel, die nicht wenig zur Erhaltung der Gesundheit der Mannschaften beiträgt.

Um 12 Uhr haben die Mannschaften ihr Mittagessen, die Officiere ihr zweites Frühstück, luncheon, dessen Hauptbestandtheite Butter, Weißbrod, Zwieback, Käse, Anchovis oder Sardinen bilden; Porter, Ale, Sherry Rum, Whisky und Brandy stehen auf der Tafel und Jeder kann davon nach Belieben zulangen.

Das Diner findet um 4 Uhr statt; zu dieser Stunde wird verlangt, daß jeder Officier in dem Anzuge ist, wie ihn das Reglement für die Messe (den gemeinschaftlichen Mittagstisch der Officiere) vorschreibt. Das Diner beginnt mit einer Suppe, die, in der Regel sehr stark gepfeffert, Appetit erregen soll. Sind die Teller gewechselt, so erscheinen sämmtliche Stewards, jeder eine mit einem plattierten metallenen Deckel bedeckte Schüssel tragend, und setzen diese nach Anordnung des Oberstewards auf den Tisch; sobald er nun den Deckel von der ersten Schüssel erhebt, thun sie dies gleichzeitig mit allen anderen, riesige Rinderbraten, Hammelkeulen, Gänse, Enten, Hühner und Pökelfleisch reizen den Gaumen. Jeder Officier, vor dem ein solcher Braten steht, ist verflichtet, zu tranchieren und vorzulegen, ein nicht immer leichtes Geschäft, – jeder der Gesellschaft schickt seinen Teller durch den Aufwärter dahin, von wo er etwas zu haben wünscht, und jeder hat vollständig Zeit, von allen Gerichten zu essen, wenn es sein Magen sonst erlaubt. Reis, Rüben und Kartoffeln sind die Gemüse, Salat haben wir nie gehabt, – der Wein und Sherry steht in geschliffenen Flaschen auf der Tafel, Bier wird nur auf Verlangen gläserweise verabreicht. Will ein Officier die Gesundheit des andern trinken, so schickt er, nachdem er sich sein Glas vollgeschenkt, den Aufwärter zu dem Betreffenden mit der Bitte, ihm die Ehre zu erweisen, ein Glas Wein mit ihm zu trinken, nun schenkt sich dieser auch ein, beide nehmen die Gläser in die Hand, verneigen sich gegenseitig und leeren sie dann.

Wenn Niemand mehr Braten ißt, räumen die Kellner Schüsseln,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 461. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_461.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)