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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

„Und warum, wenn ich fragen darf?“

„Ich will auch darin offen gegen Sie sein. Ich möchte wissen, ob meine Combinationen richtig sind, ob ich Menschen und Verhältnisse richtig taxirt habe.“

Die Frivolität, eigentlich der Cynismus des russischen Diplomaten hatte doch auch etwas Originelles; es lag immerhin Geist darin, wenn auch nicht viel. Man konnte dem Manne nicht gram werden. Zudem hatte ich, wenn auch keine Verpflichtung, doch eine Berechtigung, auf Grund seiner Mittheilungen, obwohl ich sie als anonym auffaßte, weiter zu verhandeln. Und ich konnte ihnen andererseits möglicher Weise eine noch schwerer wiegende Bedeutung verschaffen. Ich versuchte dies.

(Fortsetzung folgt.)




Land und Leute.
Nr. 11. Die Mistelgauer, vulgo Hummeln, in Oberfranken.
Von Ludwig Storch.

Oberfranken! Sonniges grünes Bergland, vom hellen Main durchströmt, wie viel Freude bot mir der Blick vom deinen waldigen Höhen, wie viel die Rast in deinen freundlichen Thälern! Wie gern weilte ich im Kreise deiner Kinder! Jean Paul Friedrich Richter, dein größter Sohn, wußte wohl, was er an dir hatte; wüßtest du doch eben so gut, was du an ihm gehabt hast und noch hast und immer haben wirst; denn wenn der Unsterbliche auch der ganzen Welt angehört, so ist und bleibt er doch immer dein bester Sohn!

I. Der Hummelhut. II.  Kopfputz. III. Gewöhnliche Kopftracht. IV. Tracht der Hummelmädchen bei Festlichkeiten. V. Das Hummelröcklein mit Brustfleck und Hosenträgern. VI. Die blaue Jacke mit der Doppelreihe blanker, runder Zinnknöpfe.

Ich wohnte in der Altstadt Bayreuth, es ist ein kleines Dorf, kaum eine halbe Stunde westlich von der Stadt, die Jean Paul seine reinliche schmucke Sonnenstadt nannte, einst ist’s die Stadt gewesen, wie der Name andeutet. Mein kleines, freundliches Haus lag in einem hübschen Garten hart an einem Bache, dem Mistelbache. Der Name versetzte mich immer schnell in die hochpoetische altdeutsche Götterwelt, aus der er an der sanften Welle haften geblieben war. Aus den Fenstern meines Giebelstübchens übersah ich eine kleine, allmählich aufsteigende schiefe Ebene und einen Kranz mäßiger bewaldeter Berghöhen. Gerade aus westlich in der Entfernung einer kleinen halben Stunde warf die Dampfmühle des Herzogs Alexander von Würtemberg im Weiler Geigenreuth ihre Rauchfahnen in die Luft. Auch sie lag am Mistelbache und hier war das Thor in eine kleine, seltsame, abgeschlossene, von malerischen Berghöhen umgürtete Welt, ein reizendes Stückchen Erde, etwa eine Quadratmeile groß, mit Bewohnern so eigenthümlicher Art, daß sie wohl eine Beschreibung in der Gartenlaube verdienen, zumal die große Welt wenig von ihnen weiß.

Von meinem köstlichen Sitze am Fenster sah ich zuweilen lange Züge wohlgestalteten Rindviehes drüben auf der Straße durch die stille, träumerische Landschaft ziehen, die von der Röcklesmühle am Eingange des Thales herkamen oder dort verschwanden. Den Horizont begrenzte mir dort ein schön geformter Berg, dessen Namen ich bald erkundete; er hieß der Schobertsberg. Es lockte mich gewaltig, auf seinem breiten Rücken zu stehen. Wenn ich die Höhe nördlich hinter meinem Hause erklimmte, wo ein einsamer alter Birnbaum mit einer Steinbank stand, der den wunderlichen Namen „der Oesterreicher“ führte (auf der Bank hatte, der Angabe der Altstädter nach, Jean Paul oft gesessen und die liebliche Aussicht auf die theuere Stadt im weiten Thalkessel des rothen Mains, auf das Fichtelgebirge und die übrigen Berghöhen und Dörfer genossen): dann hob nach Südwest ein noch weit malerischer geformter Berg das prächtige Haupt über die anderen Höhen empor, dem eine Landesfürstin, die dort oben echt fürstlich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_260.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)