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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Um von dem Schriftsatze ganzer Seiten Platten zu gewinnen, welche einen einzigen Körper bilden, ist es zuvörderst nöthig, daß derselbe auf die gewöhnliche Weise, welche wir weiter unten näher kennen lernen werden, aus beweglichen Typen hergestellt wird. Man legt um die aus Typen gesetzte, sorgfältig corrigirte und geschlossene Columne einen Formenrahmen, der den Schriftsatz soweit überragt, als die Matrize stark werden soll, bestreicht den Satz mit Knochenöl und bringt dann eine dünne Schicht mit Wasser eingemachten Gypses darauf, die in alle Vertiefungen gehörig eingeführt wird, worauf dann der Formenrahmen selbst mit Gypsbrei gefüllt und mit einem Lineale abgeglichen wird. Dieser Gypsabguß, der sehr schnell verhärtet und die Buchstaben des Satzes vertieft, die Zwischenräume aber erhaben wiedergibt, gelangt nun in den Trockenofen, wo ihm noch alle zurückgebliebene Feuchtigkeit entzogen wird.

Von diesen Matrizen werden die Stereotyptafeln auf zweierlei Art gewonnen, wovon die eine das oben erwähnte englische und die andere das französische Verfahren (nach Daulé) genannt wird. – Nach dem ersten wird die ausgetrocknete Matrize in eine eiserne Pfanne mit Deckel gelegt an deren vier Ecken sich Eingußöffnungen befinden, und mit dieser so lange in die geschmolzene Masse versenkt, bis dieselbe alle Räume vollständig ausgefüllt hat. Nach 15 bis 30 Minuten zieht man die Pfanne wieder in die Höhe und läßt sie auf feuchtem Sande sich abkühlen; ist dies geschehen, so wird die Pfanne geöffnet, der Guß herausgenommen und die Stereotypplatte von der Matrize getrennt. – Nach dem französischen Verfahren werden die Stereotypplatten in einem senkrecht angebrachten eisernen Gießinstrument gegossen, welches aus zwei Theilen besteht und sich mittelst einer Charnière öffnen und schließen läßt; in diesem wird die Matrize sammt dem sie umschließenden Rahmen auf die hohe Kante gestellt und der Schriftzeug mit einem Gießlöffel durch den oben am vordern Theile befindlichen schrägen Einguß in das Gießinstrument gegossen.

Die auf beide Arten gewonnenen Stereotypplatten gelangen nun in die Hände besonderer Arbeiter, welche diese sorgfältig durchsehen und alle Unebenheiten zwischen und in den Buchstaben entfernen. Um die Platten für den Abdruck in der Buchdruckerpresse geeignet zu machen, werden sie auf einer Hobelmaschine gleichmäßig abgehobelt und durch eine mechanische Vorrichtung auf die gewöhnliche Schriftfläche zugerichtet, so daß sie nun wie eine gewöhnliche Form aus beweglichen Lettern zum Abdruck gelangen.

Die Erfindung der Stereotypie bietet dem Verleger bei Herstellung von Druckwerken, welche einer großen Verbreitung fähig sind, wesentliche Vortheile dar. Diese bestehen hauptsächlich darin, daß nicht, wie es in der Regel geschieht, die ganze Auflage eines Werkes mit einem Male abgedruckt werden muß, sondern daß man den Abdruck in beliebiger Anzahl von Exemplaren so oft erneuern kann, als es eben der Erfolg nöthig macht, wodurch bei wiederholten Auflagen die Herstellungskosten für Satz und Correctur erspart werden. Außerdem hat man bei dem ganzen Werke gleichsam neue Schrift, die sich, da sie eben nicht wieder zu andern Zwecken benutzt werden kann, gleichmäßig abnutzt, und endlich kann man auf die vollkommenste Correctheit des Textes rechnen, denn wenn derselbe einmal gesetzt, genau corrigirt und stereotypirt ist, so darf man der unfehlbaren Gleichheit aller Abdrücke gewiß sein, was bei dem gewöhnlichen Drucke der Fall nicht ist, wo bei dem Schwärzen der Form die beweglichen Lettern nur zu leicht herausgerissen oder in Unordnung gebracht werden.

Man vervielfältigt übrigens durch die Stereotypie nicht allein Lettern, sondern erlangt auch mittelst derselben Clichés von Holzstöcken und ähnlichen für den Buchdruck bestimmten Gravuren.

(Das „Setzen“ und „Drucken“ im nächsten Artikel.)




Blätter aus der Krisis.
Von Ludwig Rein.
Nr. 1. Fabrikantenbrod.
(Fortsetzung.)

„Dann müßte auch noch ein Färbehaus gebaut werden,“ fuhr der alte Herr zerstreut nach einer Weile fort, während er noch immer am Fenster stand und Mathilden den Rücken zukehrte, „ja, das wollte ich Dir eigentlich mittheilen, Mathilde, wir werden bauen, viel bauen, – Karl wird bauen, das Geschäft wird fast noch einmal so groß werden, – aber Schwindel, Schwindel, wenn wir nicht Geld haben, – wir brauchen viel Geld, Mathilde, – Du bist ein gutes Mädchen, – und Karl – ich sehe das ein, –“

Er wendete sich jetzt um, ging hin zu Mathilden und fragte mild und väterlich:

„Hast Du meinen Karl lieb?“

Ueber Mathildens Lippen ging kein Laut. Sie senkte das Haupt, – ein neuer Gluthstrom überbrannte ihr Angesicht.

„Und hat Karl Dich lieb?“

Tiefer senkte das Mädchen das Haupt, – keine Antwort erfolgte.

„Ich kenne doch so Einiges, – ich erinnere mich an so Manches, – hat er Dich lieb, Mathilde? hat Karl Dich lieb?“

„Ich weiß es nicht.“

Das war so leise gesprochen, daß der Alte es kaum hörte, – es klang wie das Beben einer Saite, – und die Arme, die es sprach, senkte noch tiefer das Haupt, – ihre Hände zitterten, weil ihre Seele zitterte.

„Seit längerer Zeit hat er nicht mit Dir geredet,“ fuhr der alte Herr fort, während er seinen Gang durch die Stube von Neuem unternahm, „hat es vermieden, Dich zu sehen, Dir zu begegnen, – weiß wohl, Mathilde, – und ’s ist ihm schwer geworden, ist ihm an’s Herz gegangen, – glaubst Du’s, Mathilde?“

Er blieb bei diesen letzten Worten vor ihr stehen. Mathilde aber erhob ihr Haupt, als habe sie einen himmlischen Gruß gehört mit himmlischer Bürgschaft. Aus ihren Augen leuchtete es feucht, wie Thränen, – ein stilles Entzücken flog über ihr Antlitz, indem sie leise fragte:

„Es ist ihm schwer geworden, ist ihm an’s Herz gegangen?“

„Kannst es glauben, Mathilde,“ versicherte der wiederum Umherwandelnde, „schwer geworden, schwer, – aber hat er nicht Recht? nur kein Unternehmen auf Schwindel gegründet! nur festen, sichern Boden, eine Capitalunterlage! und da hat er Recht, – und doch, und doch, wenn’s ihm schwer wird, und wenn’s Dir schwer wird, –“

Als müsse er sich einen Augenblick lang erst stärken, hielt er an und sprach dann schnell weiter, indem er nach dem Hofe hinabblickte:

„Mathilde, Du siehst, es wird auch mir schwer, recht schwer, – aber gibst Du ihm nicht Recht? Du dauerst mich, er dauert mich, – doch die Vernunft, die Vernunft! Karl hat Recht, – so schwer es ihm wurde, er scheint doch mit sich fertig zu sein, – und wenn Du nun auch mit Dir fertig wärst, so wollte ich Dir etwas sagen, Mathilde. Soll ich, soll ich Dir etwas sagen?“

„Wie Sie wollen,“ sprach kaum hörbar Mathilde und bedeckte mit beiden Händen ihr Gesicht, als wolle sie den Blitz nicht sehen, der unter Donnerschlag jetzt niederfahren mußte.

„Jawort, – Cölestine, – Karl, –“

In diesen und noch wenigen Sylben lag Blitz und Donnerschlag, – er fuhr nieder.

Mathilde stand scheinbar ruhig, stand wie eine schöne Bildsäule. Hielt sie auch die kleinen Hände vor’s Gesicht, der Blitz hatte doch durchgeleuchtet, war niedergefahren in das Blumenbeet des Herzens. Schnell hatten sich die Knospen zu Blüthen geöffnet, – noch schneller lagen sie zerschmettert, – zusammengedrängt Alles in wenige Minuten, Alles, Sonne und Nacht, – Sonne der Hoffnung, Nacht der Entsagung.

Der alte Herr, der bis jetzt am Fenster und von Mathilden abgewendet gestanden, drehte sich um.

„Bist erschrocken, armes Kind, sehr erschrocken?“ sprach er mitleidig. „O, nimm doch die Hände vom Gesicht, brauchst Dich vor mir nicht zu schämen, gutes Kind, – wie mich’s dauert! habe

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_214.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)