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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

wurden als echte in den höchsten Cirkeln der Residenz getragen, nicht blos aus Eitelkeit; die Etikette legt so manchen Zwang auf.

Der Juwelier hatte der Frau von Waldheim, die ihren gesammten Schmuck ihm vorzeigte, nach der Verschiedenheit der Fälschung, auch die anderen Werkstätten, aus denen diese hervorgegangen waren, angegeben. Sie begab sich dahin. Ueberall wurde die Arbeit anerkannt. Ueberall war fast zu derselben Zeit dieselbe junge Dame gewesen, die das Herausnehmen der echten und die täuschend ähnliche Wiedereinsetzung der falschen Steine bestellt hatte, unter denselben lügenhaften Angaben; nur hatten diese manchmal zwischen einer Mutter und einer Tante abgewechselt. Man hatte ihr überall Glauben geschenkt.

Auffallend war es nur gewesen, daß sie die echten Steine, anstatt, wie gewöhnlich bei solchen Gelegenheiten, sie sofort dem Juwelier zu verkaufen oder verkaufen zu suchen, zurückgenommen hatte.

Der Bestohlenen waren auf solche Weise entwendet die Steine aus einem goldenen Stirnbande, einem Halsschmuck, einem Armbandschlosse und drei Ringen. Den Werth der entwendeten Steine gab sie nach den Schätzungen der Juweliere selbst auf mehr als dreitausend Thaler an.

Die Angaben der Bestohlenen waren um so wichtiger und erheblicher, je mehr, wenn sie richtig waren, diesmal ein klarer Ueberführungsbeweis gegen die Angeschuldigte herzustellen war.

Die Juweliere, nicht blos Einer, bei dem noch möglicher Weise eine Täuschung hätte angenommen werden können, mußten die Angeschuldigte, wenn sie ihnen wirklich die Juwelen gebracht hatte, mit Bestimmtheit wieder erkennen. Sie war dann eine überwiesene Diebin. Und nicht blos für diesen Diamantendiebstahl. Der Beweis, der für ihn erbracht war, mußte nothwendig auch für die anderen Diebstähle mit großer Kraft zurückwirken.

Freilich konnte ich noch an eine sonderbare Eventualität denken. Aber auch, wenn diese eintrat, hatte ich klares Licht; allerdings nach einer ganz anderen Seite hin.

Ich ließ zuerst die sämmtlichen Juweliere vorladen, durch welche die falschen Steine eingesetzt waren. Sie bestätigten die Angaben der Bestohlenen in allen Punkten, die sie betrafen, auch hinsichtlich des Werthes der echten Juwelen. Die Dame hatte, wie leidenschaftlich sie auch wieder gewesen war, diesmal nicht übertrieben. Sie beschrieben ebenso ganz genau und übereinstimmend Figur und Wesen der Angeschuldigten. Ich konnte mich freilich mit dieser Beschreibung nicht begnügen; ich führte die Zeugen einzeln an die Zelle der Heisterberg. Die Thür der Zelle hatte, wie auch die übrigen Gefangenenzellen, eine kleine Glasscheibe, um durch sie unbemerkt von außen die Gefangene in ihrer Zelle beobachten zu können. Ich ließ die Zeugen hindurchsehen. Alle erkannten sie auf der Stelle mit der größten Bestimmtheit. Keinem einzigen war nur der geringste Zweifel über die Identität der Person.

Ich ließ dann nochmals eine genaue Haussuchung in der Wohnung der Beschuldigten vornehmen. Diese führte allerdings nicht zu dem geringsten Resultate.

Ich schritt zu ihrem Verhör.

Ich war im höchsten Grade gespannt. Durch dieses Verhör mußte die Wahrheit herauskommen. Nach der einen oder nach der anderen Seite.

Die Angeschuldigte konnte, als ich sie zu diesem neuen Verhöre vorführen ließ, von der Entdeckung des Diamantendiebstahls nicht die leiseste Ahnung haben, wenn nicht ihr eigenes böses Gewissen sie immer darauf vorbereitet hielt.

Ich begann das Verhör nicht sofort mit Fragen darüber.

„Fräulein, es dürfte sehr wahrscheinlich nothwendig werden, Ihre früheren Lebensverhältnisse zu erforschen. Können Sie sich auch jetzt noch nicht entschließen, mir darüber Mittheilungen zu machen?“

„Nein, mein Herr,“ erwiderte sie mit ihrer gewöhnlichen Ruhe.

„Ich habe Ihnen schon früher bemerkt, daß Sie durch diese Weigerung sehr weitaussehende Nachforschungen veranlassen.“

„Ich bedauere, daß ich Ihnen Mühe mache.“

„Ihre Haft kann sich dadurch Monate lang hinziehen.“

Sie lächelte.

„Herr Criminalrath, pflegen Sie die moderne Inquirententortur anzuwenden?“

„Nein.“

„Ich meine selbstredend nicht die ungesetzliche; aber die von dem Gesetz gestattete, nach der Ansicht manches Inquirenten gar befohlene: Entziehung von eingeräumten Bequemlichkeiten, einsame Einsperrung oder, wenn man keine Gesellschaft wünscht, die Gesellschaft von Dieben und anderem schlechten Gesindel, und ähnliche Mittel.“

„Ich wende auch solche Mittel nicht an.“

„Sie werden mir also meine Zelle für mich allein lassen?“

„Ja.“

„Sie werden mir auch meine Bücher, meine Schreibmaterialien lassen?“

„Ja.“

„O, mein Herr, sagen Sie Ihr Ja nicht so kalt, so verletzt und verletzend. Wenn Sie wüßten, wie glücklich, wie wahrhaft glücklich mich Ihre Versicherungen machen, Sie würden sich mit mir freuen, und wenn Sie auch eine so vollkommen verhärtete und verknöcherte Inquirentenseele hätten, wie Sie sie so vollkommen nicht haben.“

Durch ihr Lächeln, mit dem sie mich anblickte, drangen Thränen, die sie vergeblich zurückzuhalten suchte.

Wirkliche, echte Thränen kommen nur aus dem Herzen. Keine Verstellung, keine Heuchelei kann sie aus den Augen pressen. Vielleicht tausend Mal habe ich als Inquirent die gewaltsamsten und immer vergeblichen Anstrengungen der Verstellung wahrnehmen müssen.

„Kann dieses Herz wirklich einer gemeinen Diebin angehören?“ mußte ich mich wieder unwillkürlich fragen. „Und doch, wie kalt, wie spöttisch für gewöhnlich und in solcher Lage!“

Ich setzte mein Verhör fort.

„Aber, Fräulein, Sie erzielen durch Ihre hartnäckige Weigerung am Ende nichts. Glauben Sie, daß bei der Lebendigkeit und Leichtigkeit des gegenwärtigen internationalen Verkehrs meine Nachforschungen nach Ihnen resultatlos bleiben können?“

„Sie werden es bleiben,“ sagte sie sehr sicher.

„Auch nachdem Sie selbst den Weg gezeigt haben, den ich zu nehmen hätte?“

„Ich?“

„Sie haben bei der Frau von Waldheim über Ihre Verhältnisse Manches erzählt.“

Ich sah sie scharf an.

Sie erwiderte meinen Blick frei, wieder mit einem etwas spöttischen Lächeln.

„Mein Herr, wenn Ihnen damit gedient sein sollte, Sie haben nur zu befehlen.“

„Sie haben freilich meist in Räthseln gesprochen.“

„Ganz richtig.“

„Sie haben sich absichtlich in ein gewisses geheimnißvolles und vornehmes Dunkel zu hüllen gesucht.“

„Ah, ich höre die Frau von Waldheim.“

„Allein, mein Fräulein, auch aus den dunkelsten Geheimnissen läßt sich ein klarer Kern herausschälen, in dessen Mitte, wenn man ihn öffnet, zuletzt die Wahrheit zu Tage erscheint.“

„Mein Herr, versuchen Sie Ihr Glück; aber sollten Sie Ihre Nachrichten über meine geheimnißvollen Andeutungen blos von der Frau von Waldheim haben, so möchte ich Sie doch bitten, vorher noch Andere darüber zu befragen. Sie könnten dabei zugleich interessante Mittheilungen über die eigenthümliche Wahrheitsliebe der genannten Dame überhaupt erhalten.“

„Und welche Personen würden Sie mir vorschlagen?“

Sie stutzte.

„Ah, lassen wir das. Sie gehören Alle zu ihrer Gesellschaft und mir liegt nicht daran.“

„Aber mir.“

„So müssen Sie so gütig sein, sich bei der Frau von Waldheim selbst zu erkundigen.“

„Fräulein, im Besitze von welchen Schmucksachen war die Frau von Waldheim?“

Ich hatte die Frage unmittelbar, rasch, wie ganz zu dem verhandelten Gegenstande gehörig, an sie gerichtet. Die Angeschuldigte war also völlig unvorbereitet auf sie.

Sie wurde in der That überrascht. Aber diese Ueberraschung war eine durchaus sonderbare.

Sie sah mir scharf, tief, mit eimem ahnenden und plötzlich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_124.jpg&oldid=- (Version vom 5.6.2018)