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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

noch fest in der Thür stak; wie sollte er es losmachen und wieder in den Besitz des Fadens gelangen?

Es schien kein anderer Ausweg vorhanden zu sein, als sich der Thür zu nähern und die Schnur von dem Pfeile abzuschneiden. Hierin aber lag eben die Gefahr: denn gewahrte ihn der Löwe und stürzte zu dem Fenster heraus, so war der Buschmann verloren.

Wie die meisten Individuen seines Volksstammes, war Swartboy mehr listig als tapfer, obschon er weit entfernt war, ein Feigling zu sein. Dennoch aber empfand er in diesem Augenblicke keine Lust, sich der Thür des Hauses zu nähern. Das zornige Grollen, welches sich von innen hören ließ, wurde selbst ein tapfereres Herz als Swartboy’s vor Furcht haben erbeben lassen.

In dieser Verlegenheit kam Hendrik ihm zu Hülfe. Hendrik hatte sich ein Mittel ausgesonnen, in den Besitz der Schnur zu gelangen, ohne sich der Thür zu nähern. Nachdem er Swartboy zugerufen, auf seiner Hut zu sein, ritt er bis auf dreißig Schritte auf den Eingang zu – aber auf der Seite, die der, auf welcher Swartboy sich befand, entgegengesetzt war, und machte dann Halt. An dieser Stelle stand ein Pfahl mit mehreren Gabeln, welcher zum Anbinden der Pferde gedient hatte. Hendrik stieg ab, legte den Zügel seines Pferden über eine dieser Gabeln, seine Kugelbüchse auf eine zweite, zielte nach dem Schafte des Pfeiles und gab Feuer. Die Büchse knallte, der zerschossene Stecken flog aus der Thür heraus und die Schnur war los. Alle machten sich fertig, in’s Weite hinaus zu galoppiren, der Löwe aber blieb, obschon er furchtbar brüllte, als er den Schuß hörte, in seinem Versteck. Nun zog Swartboy die Schnur an sich, befestigte sie an einen frischen Pfeil und ritt dann ein Stück weiter, um das Fenster richtig vor sich zu haben. Binnen wenigen Minuten pfiff der Pfeil durch die Luft und fuhr tief in das weiche Holz hinein, und kann drehte sich der Laden in seinen Angeln herum und ward zugeworfen.

Nun stiegen alle Drei von den Pferden, eilten still und rasch hinzu und befestigten Thür und Laden mittelst starker Riemen von ungegerbtem Leder. Hurrah! der Löwe war im Käfig.

Ja, das wüthende Thier war nun richtig in der Falle. Die drei Jäger athmeten frei auf.

Wie aber sollte die Sache enden? Sowohl die Thür als auch der Fensterladen schlossen dicht und fest, und obschon es möglich war durch die Ritzen zu sehen, so konnte man doch nichts erspähen, da es in Folge des Schließens der Thür und des Ladens im Innern vollständig finster war. Aber wenn man auch den Löwen hätte sehen können, so war doch kein Loch vorhanden, durch welchen man die Mündung eines Gewehres hätte hineinstecken und auf ihn feuern können. Er war gerade eben so sicher als seine Feinde, und so lange als die Thür geschlossen blieb, konnten sie ihm nicht mehr Schaden thun als er ihnen.

Sie konnten ihn eingesperrt lassen und dem Hungertode preisgeben.

Eine Weile hatte er allerdings noch an dem zu zehren, was die Schakals übrig gelassen, so wie an den Kadavern der beiden Hunde. Dies konnte ihn jedoch nicht lange erhalten und am Ende hätte er elend umkommen müssen. Reiflich erwogen, schien dies jedoch dem Boer und seinen Begleitern nicht so ganz ausgemacht zu sein. Wenn der Löwe merkte, daß er in allem Ernste eingesperrt war, so machte er vielleicht einen Angriff auf die Thür und bahnte sich, mit seinen scharfen Klauen und Zähnen einen Ausweg.

Der erbitterte Boer aber beabsichtigte nicht im Mindesten, dem Löwen eine solche Gelegenheit übrig zu lassen. Er war entschlossen, das Thier zu tödten, ehe er vom Platze ginge, und begann zu überlegen, wie dies auf die schleunigste und wirksamste Weise in’s Werk gesetzt werden könnte.

Anfangs dachte er mit seinem Messer ein Loch in die Thür zu schneiden, welches groß genug wäre, um hindurch sehen zu können, und den Lauf seiner Büchse hindurch zu stecken. Gelänge es ihm nicht, durch dieses eine Loch das Thier zu Gesicht zu bekommen, so wollte er ein zweites in den Fensterladen machen. Da beide sich auf an einander stoßenden Seiten des Hauses befanden, so mußte er dadurch einen Ueberblick über das ganze Innere erhalten, denn die frühere Wohnung des Boer bestand aus einem einzigen Gemache. Während seines Aufenthaltes hier war mittelst einer Scheidewand von Zebrafellen der Raum in zwei Gemächer getheilt gewesen.

Diese Scheidewand aber war jetzt entfernt, und es war nun wieder nur ein einziges Gemach vorhanden.

Anfangs konnte van Bloom sich auf kein anderes Mittel besinnen, um seinem Feinde Etwas anzuhaben, und dennoch gefiel ihm dieses eine nicht so recht. Es war allerdings ein ziemlich sicheres, und konnte, wenn es ausgeführt wurde, nur den Tod des Löwen zur Folge haben. Ein Loch sowohl in Thür als in Fensterladen müßte sie in den Stand setzen, so viele Kugeln, als ihnen beliebte, auf das Thier abzufeuern, während sie gegen einen Angriff von ihm vollkommen sichergestellt waren. Die Zeit aber, welche nöthig war, um diese Löcher zu schneiden – dies war es, weshalb der Plan dem Boer nicht gefiel. Er und seine Begleiter hatten keine Zeit zu verlieren: Ihre Pferde waren kraftlos vor Hunger und sie hatten noch eine lange Reise vor sich, ehe ein Bissen Futter erlangt werden konnte. Nein, – es war nicht so viel Zeit übrig, als zum Einschneiden der Löcher nöthig war, und man mußte daher auf eine schleunigere Angriffsmethode sinnen „Vater,“ sagte Hendrik, „wie wäre es, wenn wir das Haus in Brand steckten?“

Gut. Der Vorschlag war gar nicht übel. Van Bloom richtete seine Blicke auf das Dach hinaus. Es war ein schräg ablaufenden Bauwerk mit langen Traufen, und bestand aus schweren Balken trockenen Holzen mit Latten und Quersparren und war mit einer einen Fuß hohen Binsenschicht gedeckt. En mußte eine furchtbare Flamme geben, und wahrscheinlich erstickte der Rauch den Löwen, ehe noch das Feuer ihn wirklich erreichen kirnte.

Hendrik's Vorschlag ward deshalb angenommen und Anstalt getroffen, das Haus in Brand zu stecken.

Es war noch eine große Quantität Feuerholz da. Diesen setzte sie in den Stand, ihre Absicht auszuführen, und alle drei begannen sofort das Holz herbeizuschleppen und vor der Thür aufzuthürmen.

Man hätte meinen sollen, der Löwe habe ihre Absicht errathen, denn obschon er sich eine lange Weile vollkommen ruhig verhalten, begann er doch jetzt von Neuem zu brüllen. Vielleicht hatte das Geräusch der außen an die Thür anschlagenden Holzscheite ihn herbeigelockt und er hatte nun gesehen, daß die Thür zu und er eingesperrt war. Der Ort, den er zum Schutze ausgesucht, war in eine Falle verwandelt worden, und es lag ihm natürlich alles Mögliche daran, herauszukommen. Dies verrieth sich durch die Demonstrationen, die er zu machen begann. Man hörte ihn hin und her rennen – von der Thür nach dem Fenster, und an beide mit seinen ungeheuern Tatzen anschlagen, so daß sie in ihren Angeln erzitterten, während er ein ununterbrochenes höllischen Gebrüll hören ließ.

Obschon nicht ohne einige Befürchtungen, setzten die Drei doch ihre Arbeit fort. Sie hatten ihre Pferde zur Hand und hielten sich bereit, sofort aufzusitzen, im Fall der Löwe sich den Weg durch das Feuer heraus bahnte. Ueberhaupt hatten sie die Absicht, sich, sobald das Feuer ordentlich brannte, in. den Sattel zu werfen, und den Brand des Hauses aus sicherer Entfernung zu beobachten.

Sie hatten nun allen trockene Holz herbeigeschleppt und vor der Thür aufgehäuft. Swartboy hatte Stahl und Stein aus der Tasche gezogen und stand im Begriff, Feuer anzuschlagen, als man ein lauten Kratzen inwendig hörte, das ganz verschieden von dem war, welches bis jetzt zu ihren Ohren gedrungen. Es war das Scharren der Löwentatzen an der Mauer, aber es hatte einen seltsamen Ton, so, als ob das Thier sich heftig sträubte, und gleichzeitig schien seine Stimme heiser und gedämpft zu sein, und aus weiter Ferne zu kommen.

Was machte denn das Thier?

Der Boer und seine Begleiter standen einen Augenblick lang da und sahen einander fragend an. Das Kratzen oder Scharren dauerte fort – das heisere Grollen oder Grunzen ließ sich ebenfalls in Zwischenräumen vernehmen, endlich aber verstummte es, und dann ließ sich ein Schnauben und gleich darauf ein so lauten und helles Gebrüll hören, daß alle Drei erschrocken zusammenfuhren. Sie konnten nicht glauben, daß die Mauern sich noch zwischen ihnen und ihren! gefährlichen Feinde befänden.

Wieder hallte das entsetzliche Gebrüll. Großer Himmel! Es kam nicht mehr von innen – sondern von oben, über ihnen! War der Löwe auf dem Dache?

Alle prallten einige Schritte zurück und schauten hinauf. Ein Anblick bot sich ihnen dar, der ihnen vor Überraschung und Schrecken fast die Sprache raubte. Oberhalb des Essenkopfes zeigte sich der Kopf des Löwen, und seine funkelnden gelben Augen und weißen Zähne traten im Gegensatze mit dem schwarzen Ruße, mit dem er bedeckt war, nur um so greller hervor. Er zerrte seinen Leib nach. Eine Tatze hatte er schon auf den Essenrand herausgelegt, und mit dieser und seinen Zähnen erweiterte er die Öffnung, die ihn eingeschlossen hielt. Es war ein furchtbares Schauspiel – wenigstens für die, welche unten standen.

Sie waren in der That erschrocken, wie bereits gesagt worden, und würden sich sofort auf ihre Pferde geworfen haben, wenn sie nicht bemerkt hätten, daß das Thier feststak. Es war augenscheinlich, daß dies der Fall war, aber auch eben so gewiß, daß es ihm binnen wenigen Minuten gelingen würde, sich aus dem Schornsteine herauszuarbeiten. Seine Zähne und Tatzen waren mit Erfolg thätig, und die Steine und der Mörtel flogen nach allen Richtungen umher. Es konnte nicht lange dauern, so war der Essenkopf bis unterhalb der breiten Brust des Thieres zertrümmert, und dann –

Van Bloom überlegte nicht lange, was dann geschehen würde. Er und Hendrik eilten, mit den Büchsen in der Hand, sofort an den Fuß der Mauer. Der Schornstein war nur etwa zwanzig Fuß hoch, und das lange Feuerrohr des Boers reichte, als es emporgerichtet ward, beinahe bis auf die Hälfte dieser Distanz hinauf. Hendrik legte seine Buchse ebenfalls an. Beide feuerten zu gleicher Zeit. Die Augen des Löwen schlossen sich plötzlich, sein Kopf zitterte krampfhaft, seine Tatze sank kraftlos über den Essenrand herab, seine Kinnbacken öffneten sich und Blut tröpfelte ihm die Zunge herab. In wenigen Augenblicken war er todt.

Dies war Allen klar. Swartboy jedoch war. nicht eher zufriedengestellt, als bis er ungefähr ein halbes Schock seiner Pfeile nach den, Kopfe des Thieres abgeschossen, so daß es bald aussah wie ein Stachelschwein.

Das ungeheure Thier hatte sich so fest eingezwängt, daß es selbst nach dem Tode in seiner eigenthümlichen Situation verharrte.

Unter anderen Umständen würde man den getödteten Löwen um seiner Haut willen heruntergezerrt haben. Es war jedoch keine Zeit übrig, ihn abzuhäuten, und ohne weiteren Verzug stiegen van Bloom und seine Begleiter auf ihre Pferde und ritten fort.




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