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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Fäusten der schachlichen Steuereintreiber, die nehmen und rauben, wo sie etwas finden, zu entwischen. Heute präsentirte sich uns Malik Miirza Beg, unser Pferdejunge, gehörig aufgeputzt, aber mit traurigen Blicken und jämmerlich bittender Haltung und erklärte, daß seine Schulden schwer auf ihm lasteten und wir verpflichtet wären, ihn durch einen Vorschuß von 12 Pfund wieder aufzurichten. Als Gründe für die Anleihen figuriren erstens eine neuhinzugekommene Frau, dann eine starke Familie, der Tod des Vaters, die Fallsucht des Hauses oder eine schon eingefallene Wand und ein Loch im Dach, im Aermel oder in der Tasche. Aber, wie gesagt, eine Vermehrung des Harems und eine frische Eroberung, ein neuer Herzensschatz ist in der Regel die Veranlassung zu Angriffen auf den Geldschatz Anderer. Unser Tafeldecker Mahommed Agha nahm sich eine zweite Frau, sobald er in unsere Dienste getreten war. Dem Tafeldecker (eines englischen Gesandten) mochten viele Neigen vom Tische und manche Gelegenheiten, seine Finanzen zu verbessern, zugefallen sein, so daß er wohl dachte, auch eine dritte Schönheit lasse sich mit durchbringen. Wir erfuhren dies nicht ohne Besorgniß, da die drei Schönheiten und deren mögliche Nachkommenschaft alle auf unsere Kosten zehren mußten. Als uns daher ein Gerücht zukam, Mahommed Agha gehe für eine vierte Lebensgefährtin auf Freiers Füßen, ließen wir ihn kommen und gaben ihm den ernstlichen Rath, daß, wenn er bei uns Tafeldecker bleiben wolle, er die für’s künftige Leben versprochene Anzahl von Huri’s im Paradiese nicht schon in diesem irdischen Zustande nehmen dürfe.

„Auch unser Kammerdiener Suleiman Agha (Agha heißt fast Jeder in Persien, wie bei uns Schulze oder Müller) hatte sich in viel Liebe und noch mehr Schulden gestürzt. Eines Tages fehlte er uns auf der Reise. Er hatte einen Abstecher in das benachbarte Tabreez gemacht und sich dort geschwind verheirathet. Als wir nach Teheran zurückkamen, ließ er sich von seiner bisherigen Frau, die blind geworden war, scheiden. Später reis’te er mit uns nach Ispahan und verschwand sofort auf längere Zeit, um, wie er nach seiner Rückkehr sagte, seine nach ihm schmachtende Frau zu besuchen. Er schien in jeder Stadt, wohin wir kamen, immer schon eine Frau vorräthig zu haben. In ähnlicher Lage ist der größte Theil der – Gebildeten – überall in Schulden und in Harems.“

Sie verkommen im Uebermaß des Ausgebens gegen Einnahme und Enthaltsamkeit und haben bereits alle moralische Kraft verloren, wie der große vielweiberische und frauenehrlose Muhamedanismus. Nur zuweilen glühen sie noch zu einem Dschihad (Glaubenskrieg, Krieg gegen Verrath) auf und ermorden mit Ingrimm ihre Feinde, zu denen manchmal auch der Schach gerechnet wird, so daß dieser Landes und starke Familienvater nicht zu beneiden ist. Der Muhamedanismus sinkt dem russischen Reiche in die Arme, besonders nachdem England und Napoleon die Türkei „gerettet“ haben. Der palmerston-napoleon’sche Krieg der „Civilisation“ hat diesen Prozeß nur in beschleunigten Gang gebracht. Das Leben der Perser ist todt, selbst ihre Todten morden noch. Die Maulthierkaravanen, welche die Todten in verschiedenen Ortschaften sammeln und auf Kirchhöfe bringen, warten immer hübsch lange auch in der größten Hitze, bis sich eine gute Zahl Leichname angesammelt hat. Dann binden sie die engen Leichnamskisten, schlecht verschlossen, auf ihre Maulesel und ziehen so langsam von Ort zu Ort und endlich auf den Begräbnißplatz. Viele Leute sterben schon, während solche Karavanen in heißer, stiller Sonnenglut vorbeiziehen, von dem Geruche.

Und wie viele läßt der Landesvater im Interesse der Ruhe und Ordnung todtpeitschen, vergiften oder lebendig begraben? Auch privatim thut die Bastonnade den Sohlen und Seelen viel Schaden. Lady Sheil ward einmal während einer mäuschenstillen Nachtreise durch ein tiefes Stöhnen und Jammern aufgeschreckt. Auf nähere Erkundigung erfuhr sie, daß ihr Reisegefährte, ein persischer Khan oder Adeliger, in der Betrunkenheit mit seinem Koch unzufrieden geworden war und ihm die Bastonnade geben ließ.

Sie sah den Koch in einen „Fellek“ gespannt, ein langes, starkes Holzstück mit zwei Aushöhlungen in der Mitte, in welche die Hacken des Schuldigen gebunden und dann von zwei Ferashes (Polizeibeamten) so hoch gehalten werden, daß der Gebundene beinahe auf dem Kopfe steht. Zwei andere Ferashes bearbeiten nun die nach Oben gefesselten Fußsohlen mit Ruthen – zuweilen Stunden lang. Früher war kein Stand vor diesem Sohlenkitzel eximirt und nach dem letzten russischen Kriege ließ der Schach den General, der eine Schlacht verloren hatte, auf diese Weise auf dem öffentlichen Platze von Teheran besohlen, nur daß ihm die Ehre zu Theil ward, auf einem persischen Teppiche auf dem Kopfe zu stehen, während die Sohlen gen Himmel schrieen, und daß der Kronprinz Abbas Miirza höchsteigenhändig den ersten Schlag that.

Auf so besohlten Füßen kann Persien unmöglich vorwärts kommen oder auch nur festen Fuß fassen auf eigenem verschuldeten Boden.

Selbst die strenge Ministerverantwortlichkeit, die in Persien herrscht und ganz anders practicirt wird, als in England, wo die Minister stets unverantwortlich handeln, kann nichts mehr helfen, da die Herren immer todt gemacht werden, ehe sie sich verantworten können. Amir Miirza, Staatsminister und Schwager des Schach, war in Ungnade gefallen und suchte viele Monate Schutz in dem unverletzlichen Privatzimmer seiner Frau, der Schwester des Monarchen. Endlich kam eine Hofdame mit der freudigen Botschaft, daß der Schach seinen Zorn bereue und der Khelat (Ehrenkleid, Staatsuniform) für den gefallenen Minister schon unterwegs sei. Er möge sich deshalb durch ein Bad zur Anlegung des Ehrenkleides vorbereiten. Amir Miirza eilte nach dem lang entbehrten Bade, wo ihm eine Horde Ferashes die Wahl ließen, welchen Tod er sterben wolle. Sterben müsse er. Amir Miirza ließ sich im Bade die Adern öffnen und so sein Leben schließen.




Eine gute Fee.

Matt schlich ich Mittags auf der Höhensteppe,
Wo ringsum weder Haus, noch Busch, noch Quell.
Ob ich mich niederleg’? Ob weiter schleppe?
So frug ich, ein verzweifelnder Gesell.

      Da war mir’s, als ob unfern etwas rauschte:
      Wie Flüstern klang’s dazu, und als mein Ohr
      Begierig diesen Lispeltönen lauschte,
      Riß auch dem müden Auge flugs der Flor.

Es stand nicht weit von mir, am Bergeshange,
Ein feenhaftes Wesen, zart und schlank;
Sie winkte mir; ich zögerte nicht lange:
Frohlockend ich zu ihren Füßen sank.

      Da lag ich lange, bis des Durstes Qualen
      Mich jagten auf, und bis zum Wahnsinn wild
      Küßt’ ich den weißen Leib zu tausend Malen,
      Bis labend mir daraus sein Blut entquillt.

Und gnadenreich, wie alle gute Feeen,
Ließ mit Gekos’ indeß die meine auch
Mir über’m Haupt den grünen Schleier wehen,
Mich schützend vor der Sonne Glutenhauch. –

      Gesegnet sei für das, was ich genossen,
      Einsame Birke Du aus wüstem Raum!
      Hab’ Dank, daß mir Dein Labesaft geflossen,
      Dein Schatten mich erquickt, Du trauter Baum!

Wilhelm Künstler.



Nicht zu übersehen!

Alle Einsendungen von Manuskripten, Büchern etc. etc. für die Redaktion der Gartenlaube sind stets an die unterzeichnete Verlagshandlung zu adressiren.

     Leipzig.

Ernst Keil.

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Hierzu eine Extrabeilage.


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