Seite:Die Gartenlaube (1856) 133.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

anscheinend mildesten Fällen können oft ganz unerwartet oder allmälig, selbst in der schon eingetretenen Wiedergenesung, gefährliche und tödtliche Zufälle eintreten. Kurz, man kann sich bei dieser Krankheit immer nur dann erst seines Lebens wieder recht freuen, wenn man dieselbe eine Weile im Rücken und sich seines früheren Wohlseins (Stärke, Schwere, Aussehens) zu erfreuen hat. Die Genesung erfolgt stets langsam unter Beruhigung des Pulses, Reinigung der Zunge, Wiederkehr des Schlafes, des Appetites und normalen Stuhles, Wiederzunahme des Fleisches und Körpergewichtes, häufig mit Ausgehen der Haare.

Die Vorbauung bei herrschendem Typhus besteht zur Zeit, wo die Wissenschaft noch so wenig von der Entstehung und dem Wesen dieser Krankheit weiß und kein sicheres Schutzmittel dagegen angeben kann, hauptsächlich: in Herstellung und Erhaltung einer guten Luft (gehörigem Luftwechsel, besonders in den Schlaf- und Krankenzimmern); äußerster Reinlichkeit, sowohl der einzelnen Personen als auch der Wohnungen; baldiger Beseitigung aller Zersetzungsprodukte (fauliger, übelriechender Stoffe); Vermeidung von Ueberfüllung der Wohnungen mit gesunden und noch mehr mit kranken Personen; in Sorge für gute, leicht verdauliche Kost, reines Trinkwasser, gesunde Wohnung und gehörige Kleidung; in Vermeidung aller Excesse (also Führung einer geregelten Lebensweise in jeder Hinsicht) und in Beruhigung des Gemüths (Heiterkeit und Furchtlosigkeit). Von den sogen. desinficirenden Räucherungen sind die mit Kaffee (wobei erhitzter grüner Kaffee gestoßen und als grobes körniges Pulver auf glühende Kohlen gestreut wird) denen mit Chlor, Essig, Wachholder u. s. w. vorzuziehen. Das sicherste Präservativmittel ist aber jedenfalls, baldmöglichst sich aus der Gegend zu entfernen, wo der Typhus herrscht, und nach einem typhusfreien Orte überzusiedeln. —

Die Behandlung typhöser Kranken braucht fast nur eine diätetische zu sein; die allermeisten Fälle von Typhus kommen auch ohne ärztliches Zuthun (und deshalb auch bei homöopathischer Behandlung) zur Heilung, ja sie verlaufen, sich selbst überlassen, stets weit besser, als unter den Händen mittelsüchtiger allopathischer Heilkünstler, da stark eingreifende Arzneien nirgends so schadenbringend sind, als gerade in dieser Krankheit, welche für den Arzt noch so viel Räthselhaftes hat und gegen welche ein besonderes, spezifisches Verfahren zur Zeit nicht gefunden ist. Dagegen üben auf den günstigen Verlauf derselben augenscheinlich einen wesentlichen Einfluß: frische und reine Luft, Reinlichkeit und öfterer Wechsel der Bett- und Leibwäsche, Abwaschungen des Körpers, Ruhe des Körpers, der Sinne, des Geistes und Gemüthes, gelind nährende und leicht verdauliche Speisen und Getränke. Damit soll nun aber nicht etwa gesagt sein, daß der Arzt beim Typhus stets entbehrlich sein und nicht in einzelnen Fällen bei gewissen Umständen (besonders bei Erstickungs- und Schwächezuständen) heilbringend, sogar lebensrettend wirken könne. Dies kann aber nur der allopathische, nie der homöopathische Arzt mit seinen Nichts-Arzneien. Aber mit einem Abschneiden der Krankheit durch energische Mittel, sowie mit Anwenden von Arzneien, die schon manchmal gute Dienste beim Typhus geleistet haben sollen, dürfte mir, wenn ich am Typhus litt, kein Arzt kommen. Auf die Gefahr hin, für Dr. Sangrado II. gehalten zu werden, empfehle ich jedoch zum Abkürzen, wenn auch nicht zum Coupiren des Typhus, wenn derselbe sich bei seinem ersten Erscheinen durch Fieber, große Hinfälligkeit und Kopfschmerz vermuthen läßt, ein ganz unschädliches Mittel, welches ich mehrere Male mit gutem Erfolge, wie ich nämlich glaube (also nicht gewiß weiß), selbst an Medicinern angewendet habe und welches, wenn es nichts hilft, sicherlich nicht schadet. Es ist dieses Mittel „heißes Wasser“, welches blos einige (2 bis 3) Tage lang, aber in sehr großer Menge bei leichter Bedeckung und Bekleidung des Körpers (damit es keinen übermäßigen Schweiß hervorrufe) getrunken werden muß und das unreine Blut, die HH. Aerzte mögen mir diesen unwissenschaftlichen Ausdruck verzeihen, auswaschen oder ausschwemmen soll. Uebrigens dürfte es bei der Behandlung des Typhus, einer in ihrem Verlaufe wohl nicht aufzuhaltenden und den erkrankten Organismus äußerst erschöpfenden Krankheit, hauptsächlich darauf ankommen, den Kranken gehörig zu kräftigen, damit er den Kampf mit der Krankheit siegreich bestehen könne, wobei natürlich auch noch nebenbei Alles abzuhalten und zu vermeiden ist, was das Uebel unterhalten oder steigern kann. Sicherlich sind schon viele Typhuskranke nur deßhalb zu Grunde gegangen, weil sie auf eine zu karge Diät gesetzt wurden und weil man glaubte, daß sie erst dann kräftige Nahrung bekommen müßten, wenn sie Appetit danach bekämen.

Unter den diätetischen Heilmitteln des Typhus steht reine, mäßig warme Luft und gute Nahrung obenan. Um stets reine Luft im Krankenzimmer, was so geräumig, luftig und trocken als möglich sein muß, zu haben, ist Alles sofort aus demselben zu entfernen, was die Luft verunreinigen könnte (Excremente, Urin, schmutzige Wäsche u. dgl.), und öftere Lüftung des Zimmers vorzunehmen. Hierbei ist aber ja darauf zu achten, daß die Luft nicht zu kalt werde, weil diese sonst sehr leicht Lungenaffectionen gefährlicher Art erzeugen kann. Sprengen mit Essig, Aufhängen von wollenen, in Essig getauchten Tüchern, Kaffeeräucherungen (und, wenn’s möglich wäre, Ozonentwickelung) sind neben dem häufigen Luftwechsel auch noch empfehlenswerth. Für Reconvalescenten vom Typhus ist der Aufenthalt in gesunder Landluft sehr stärkend. —-— Die Nahrung sei flüssig, kräftig und schmackhaft; sie bestehe aus guter Fleischbrühe, weichem Eie (stets auch das Eiweiß, nicht etwa blos das Dotter), Milch (anfangs verdünnt, oder Buttermilch und Molken) und mehligen Stoffen in Suppenform. Niemals erhalte der Patient eine größere Menge Nahrungsstoffe auf einmal, immer nur wenige, aber öfterer. Nicht genug kann in der Reconvalescenz vor Excessen im Essen und vor schwer verdaulichen, blähenden, erhitzenden und reizenden Speisen und Getränken gewarnt werden, weil hier schon öfters eine starke Ueberfüllung des Magens mit Speisen und eine Durchlöcherung des geschwürigen Darmes durch Speisereste plötzlichen Tod herbeigeführt haben. Als Getränk dient das Wasser (mit etwas Säuere) am besten, oder Brod- und Eiertrank. — Reinlichkeit ist ebenfalls ein bedeutendes Unterstützungsmittel der Kur; sie beziehe sich auf die Leib- und Bettwäsche, sowie auf die Haut des Kranken. Man wechsele deshalb öfterer jene Wäsche, die nur mäßig gewärmt zu sein braucht, und mache kühle (nicht kalte) Abwaschungen mittels Essig und Wasser (zu gleichen Theilen). Diese Waschungen, welche allenfalls auch nur an den Gliedmaaßen anzustellen sind, zeigen sich besonders dann von großem Vortheile, wenn die Haut sehr heiß und trocken ist; man wiederholt sie, sobald die nach dem Waschen feuchter und kühler gewordene Haut wieder heiß und trocken wird. Um das Aufliegen zu verhüten, müssen die Rückenparthieen des Körpers sehr rein gehalten und öfters kühl gewaschen werden; sowie auch das Betttuch straff über eine Matratze zu spannen oder ein Luft- oder Wasserkissen von weichem, vulcanisirtem Kautschuk als Unterlage zu benutzen ist. Wunde, aufgelegene Stellen können gar nicht rein genug gehalten werden; man tupfe sie deshalb öfters ab und belege sie mit einem mit frischem Talge bestrichenen feinen Leinwandläppchen. In der Reconvalescenz sind warme Bäder von großem Nutzen und beschleunigen die vollständige Wiedergenesung. — Auf die Lage des Kranken habe man insofern acht, als man dieselbe öfterer aus der Rücken- in die Seitenlage wechseln lassen muß, damit nicht so leicht gefährliche Blutsenkungen in den Lungen zu Stande kommen. Auch kann das dabei stattfindende Aufrütteln des Patienten aus seinem Taumel nur vortheilhaft sein. Niemals verliere man beim Typhus ebensowenig die Hoffnung auf Genesung, wie die Furcht vor Gefahr, um niemals die nöthige Vorsicht zu versäumen.

Bock. 




Kriegsbilder aus der Krim.
Nach den Tagebüchern eines Offiziers der Chasseurs d’Afrique, mitgetheilt von Julius von Wickede.

Eine lange Zeit voller Kriegsleben und Kriegslust liegt wieder hinter mir, nachdem ich mein letztes Briefpaquet dem Schiff in Kamiesch anvertraute, um es sicher nach la belle France zu befördern. La belle France, welche Erinnerungen der Jugendzeit weckt doch stets dieser Name in mir, und welche Gefühle werden dabei wach, die ich längst schon vergessen glaubte. Zehn Jahre

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_133.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)