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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

verkauft. Gutes Mehl wird mit mulsterig gewordenem versetzt, oder es werden verschiedene Mehlsorten, Kartoffelstärke etc. untereinander gemischt und als reines Mehl verkauft. Alle diese Betrügereien lassen sich nur schwer, am besten noch mit Hülfe des Mikroskopes erkennen. Dagegen kommen auch gröbere Fälschungen vor, indem dem Mehle mineralische weiße Körper, besonders Kreide, Gyps, Schwerspath, weißgebrannte Knochen zugesetzt werden, was leicht daran erkannt wird, daß solches Mehl beim Verbrennen sehr viel Asche zurückläßt (gutes Mehl läßt beim Einäschern nur 1-11/2 Procent Asche zurück). Die Bäcker richten ihr Augenmerk vorzüglich auf gut aussehendes und in’s Gewicht fallendes Brot, sowie auch auf große Ausbeute. Auch sie sollen oft das Mehl noch mit Kartoffelstärke, Bohnenmehl und andern geringeren Sorten von Mehl vermischen; dem Teige setzen sie (besonders in England und Holland) Alaun, Kupfervitriol und andere giftige Körper zu, welche dem Brote ein schönes Aussehen geben und bewirken, daß der Teig mehr Wasser aufnimmt, und solches auch beim Backen zurückbehält. Jede Verfälschung oder Vermischung, auch die der Gesundheit nicht gerade nachtheilige, ist aber verwerflich, da das so erhaltene Brot dann oftmals den Namen „Brot“ nicht mehr verdient. Namentlich wäre es besser, Bohnen und Erbsen nur als Gemüse, nicht aber zum Brote zu verwenden; doch mögen hierüber diese Andeutungen genügen.

Mitunter wird das Getreide auch durch natürliche Beimengungen vergiftet. Besonders bekannt ist in dieser Beziehung das Mutterkorn, ein in seiner Entwickelung begriffener Pilz, welcher in der Aehre anstatt des Samens entsteht, und in einem gewissen Stadium seiner Entwickelung, besonders wenn er älter wird, sehr giftige Wirkungen äußert. Ein Brot, das aus Mehl gebacken wird, in welchem mit dem Getreide viel Mutterkorn gemahlen wurde, ist fleckig, dunkler, speckig und bewirkt bei länger fortgesetztem Genusse die oft tödtlich endigende Kriebelkrankheit, welche sich durch große Mattigkeit, Unlust zur Arbeit, Taubheit, Kriebeln an Händen und Füßen bemerkbar macht. Hierauf folgen heftige Krämpfe an Händen und Füßen, Hitze, Schwindel, Verlust der Geisteskräfte, furchtbare Convulsionen, Stumpfsinn und Tod. Die Kriebelkrankheit tritt hin und wieder in Gegenden epidemisch auf, und fordert viele Opfer. - Auch der Taumellolch (Lolium temulentum), ein Gras, welches als Unkraut unter dem Getreide wächst, und dessen Samen sehr giftig wirken, kann die Vergiftung von Brot herbeiführen. Diesen Verhältnissen hat vorzüglich der Landmann die größte Beachtung zu schenken, und von ihm muß verlangt werden, daß er dafür besorgt sei, daß sein Getreide keine solchen gefährlichen Zugaben enthalte.

Sollten vorstehende Mittheilungen über das Brot dazu beitragen, daß den zur Brotbereitung dienenden Stoffen, sowie der Brotbäckerei selbst, eine entsprechende, allseitige Beachtung geschenkt würde, so wäre der Wunsch und das Streben des Verfassers erreicht. -



Ein öffentliches Fest in Haiti.

Um neun Uhr Morgens hielten wir unsern Einzug in Port-au-Prince, der Hauptstadt des Kaiserreichs Soulouque,[1] Man kommt an einer verfallenen Redoute vorüber, auf welcher die schartige Mündung eines alten rostigen Achtpfünders den possirlichsten Anblick gewährt. Eine Schildwacht saß ruhig auf der Brustwehr und kehrte uns den Rücken zu; so wollten wir denn passiren. Allein eine Art Orang-Utang, der den Posten befehligte, bemerkte uns und befahl schreiend, sogleich herbeizukommen, um unsern Reisepaß vorzuweisen. Ich machte ihm ein Zeichen, das er sich wie: all right! erklären konnte und schickte mich an, weiter zu gehen; da indessen meine Gefährten zauderten, sendete man einen Soldaten, um uns zur Stelle zu bringen. Hier untersuchte ein himmelblauer Offizier unsere Pässe und entfernte sich darauf in Galopp. Nun wollten wir unsern Weg nach der Wohnung des Consuls (des schweizerischen) weiter fortsetzen; allein der Soldat, der uns einmal hatte aufhalten müssen, weigerte sich, uns ziehen zu lassen, weil ihm dazu kein ausdrücklicher Befehl geworden war. Erst als ich gedroht, ihn arretiren zu lassen, und nachdem sich die Farbigen in die Sache gemischt, gab der arme Teufel widerstrebend nach. Bei dem Consul angelangt, fanden wir alle Räume besetzt, und da die Stadt keine öffentlichen Hotels hat, sahen wir uns genöthigt, in einer elenden Herberge einzukehren, in welcher keine einzige Thüre verschließbar ist.

Port-au-Prince ist zwar eine Residenz, besteht aber doch nur aus hölzernen Baraken und Strohhütten. Die von den Franzosen angelegten Straßen sind breit und gerade; jetzt sind sie aber durch allerhand Unrath aus den Häusern uneben und beinahe ungangbar gemacht. Hier und da zeigen sich wohl Spuren eines ehemaligen Pflasters, die man aber besser entfernt hätte. Die schönsten Häuser, bewohnt von europäischen Kaufleuten, den Ministern und Consuln, sind nur von Holz errichtet und mit Gallerien umgeben. Am Ende der Straßen erblickt man etliche hölzerne Baraken, welche die öffentlichen Gebäude vorstellen, wie den Palast des Senats, den kaiserlichen Palast, den Palast des Gouverneurs etc. Diese Paläste sind ehemalige, mehr oder minder demolirte und wieder aufgebaute französische Wohnungen.

Es wurde gerade Messe gelesen, deshalb eilten wir nach der Kathedrale, die sich am Ende der Marktstraße erhebt. Kavaliere in den verschiedenfarbigsten Kleidern drängten sich auf dem überfüllten Platze, Generale in Sammetkleidern, Gemeine belastet mit goldenen Stickereien. Ueberall die lächerlichste und unharmonischste Pracht, die mit den schmutzigen Straßen und armseligen Gebäuden der Stadt einen komischen Kontrast bildete; bei jedem Schritt mußte man über einen neuen Mischmasch von übertriebenem Luxus und offenbarer Armseligkeit staunen.

Auf dem Platze vor der Kirche selbst fanden wir einige tausend


  1. Se. Majestät, der Kaiser Faustin Soulouque von Haiti, sind neuerer Zeit wieder sehr in den Vordergrund getreten. Die Zeitungen der letzten Tage erzählen, daß er mit 30,000 Mann am 12. December ausgezogen, um den östlichen Theil der Insel St. Domingo zu unterjochen, ein Unternehmen, was ihm schon im Jahre 1849 mißlang. Jetzt ist die Nachricht eingetroffen, daß auch dieses Mal Se. Majestät mit ihrer trefflichen Armee, die in obigem Artikel geschildert wird, geschlagen worden sind und Fersengeld geben mußten. Faustin Soulouque wurde im Jahre 1787 als Sklave zu Petit Grava in der Plantage des Herrn Biallet, eines französischen Creolen, geboren. Seine Aeltern waren Sklaven derselben Pflanzung, Neger von unvermischter Race. Im Jahre 1793 erhielten sie mit ihrem Sohne die Freiheit infolge eines Beschlusses der französischen Republik, welcher in sämmtlichen französischen Kolonien die Sklaverei aufhob. Herr Biallet lebte noch als einer der ältesten Creolen der Insel zur Zeit, als sein ehemaliger Sklave den Präsidentenstuhl bestieg, und stattete dem neugewählten Staatsoberhaupte seinen Besuch ab. Soulouque soll ihm aus seinem Palast entgegengekommen sein, ihm die Hand geküßt und seinem alten Gebieter alle möglichen Beweise des Respects und der Anhänglichkeit gegeben haben. In seinem siebzehnten Lebensjahr trat der junge Neger in Kriegsdienst und stand vier Jahre als gemeiner Soldat unter dem berüchtigten Dessalines. Im Jahre 1808 wurde er Infanterie-Lieutenant und trat drei Jahre später in demselben Grade zur Kavallerie über, was ihm bei zunehmender Corpulenz nur gut thun konnte. Im Jahre 1820 avancirte Soulouque zum Kapitain, in welchem Grade er volle zwanzig Jahre blieb. Präsident Boyer, der vielbekannte Mulatte, bediente sich seiner als eines gefügigen Werkzeuges zu den verschiedensten Verrichtungen. Als Soulouque im Jahre 1840 Major und drei Jahre später Oberst wurde, fing sein Haupt schon an etwas kahl zu werden. Im Jahre 1846 war er Divisions-General und Platzcommandant von Port-au-Prince, und 1847 nach Richers Tod der gewählte Präsident der Republik. Das Jahr 1848 wurde auf Haiti durch Soulouque’s berühmten Staatsstreich vom 16. April, durch die Niedermetzlung vieler Mulatten, durch die Abschaffung der Republik und die Errichtung eines schwarzen Kaiserthums bezeichnet. Noch in demselben Jahre machte Soulouque seinen bekannten Schreckenszug durch einen Theil der Insel, Hinrichtungen, Blutströme bezeichneten den Weg, den er genommen. Sein Versuch jedoch, im Jahre 1849 auch den östlichen Theil der Insel wieder zu erobern, mißlang gänzlich. Der Kaiser kam mit seiner Armee aus der Republik San Domingo, wo die Regierung aus Mulatten besteht, schneller zurück, als er dahin gegangen war. Er gab auch, wie nach ihm Louis Napoleon, eine so genannte „freie Verfassung." Diese Constitution, welche Soulouque die erbliche Kaiserwürde verleiht, bestimmt für ihn auch eine Civilliste von 150,000 Papier-Gourds oder Piaster, was bei dem geringen Werth der Papiermünze des Landes keine bedeutende Summe wäre. Der Kaiser reclamirte jedoch später auch den fünften Theil der sämmtlichen Kaffeeproduction Haiti’s, d. i. etwa zehn Millionen Pfund Kaffee. Die freie Verfassung sagt zwar nichts davon, aber der Kaffee muß ebenso pünktlich abgeliefert werden, als wenn diese Bestimmung schon unter den zehn Geboten Mosis figurirte.
    D. Redakt.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_066.jpg&oldid=- (Version vom 6.2.2020)