Seite:Die Gartenlaube (1853) 552.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Er hat dazu auch Ursache, wie Dir aus dem Verlauf meiner Mittheilungen hervorgehen wird.

Zunächst sieh Dir in Fig. 1. die etwas vergrößerte Abbildung des Käfers an. Die Linie daneben giebt Dir die natürliche Größe an. Vom Kopfe kannst Du nichts weiter sehen, als die daran sitzenden kolbig endenden Fühlhörner. Er ist ganz von dem stark gewölbten Brust- oder Rückenschild bedeckt. Dieses ist nicht viel kürzer als die Flügeldecken, welche hinten plötzlich eingedrückt und scheinbar, aber nicht wirklich, abgestutzt sind. An der dadurch entstehenden Kante, die von beiden Flügeldecken zusammen eine fast kreisförmige Linie bildet, stehen an jeder Flügeldecke vier kleine Zähnchen, welche diese Art ganz besonders auszeichnen, obgleich auch andere Bostrichus-Arten hier Zähnchen, aber in Zahl und Form verschieden, haben. Der ganze Käfer ist schwarzbraun und am ganzen Leibe, ausgenommen die Beine, mit sehr feinen Härchen und die Flügeldecken mit dicht stehenden Reihen zierlicher Punktstiche bedeckt. Die Beine sind verhältnißmäßig klein, aber kräftig und haben an ihrem letzten Dritttheil, das man den Fuß oder den Tarsus nennt, vier kleine hintereinanderstehende Glieder.

Fig. 2. zeigt Dir die Puppe oder Nymphe und Fig. 3. die Larve dieses Käfers; denn er hat wie alle Käfer und alle Fliegenarten und alle Wespenarten so gut eine Verwandlung wie die Schmetterlinge. Anfangs sieht die Puppe schneeweiß, kurz vor dem Auskriechen des Käfers aber wird sie allmälig braungelb. Du siehst sie ebenfalls vom Rücken; die Füße liegen an den Bauch angedrückt auf der Unterseite und die Flügeldecken sind ebenfalls unter den Bauch geschlagen; ungefähr so, wie wir die Rockschöße vorn zusammenlegen können. Die Larve, aus der die Puppe wird, und die daher der Raupe des Schmetterlings entspricht, ist wie die Made der Haselnuß, aus der auch ein Käfer wird, eine fußlose gelbweiße sehr weiche fette Made, die immer gekrümmt liegt. Sie hat an ihrem bräunlichen Kopfe sehr kleine aber sehr scharfe Kauwerkzeuge.

Diese kleine schwache Made ist es, welche schon oft die dem Forstmanne so furchtbare Wurmtrockniß veranlaßt und schon so manches Hundert Morgen Fichtenwald getödtet hat!

Höre also nun die Lebensweise dieses kleinen Thieres.

Ende April oder Anfang Mai kommen die überwinterten Käfer aus ihrem Winterquartiere, welches sie unter der Borke von stehenden oder gefällten Fichtenstämmen gefunden hatten, hervor und bohren sich in irgend einem ihnen geeignet scheinenden Baume, meist etwa von sechs Fuß über der Wurzel an bis in den zweiten oder dritten Astquirl hinauf, ein kleines, vollkommen wie mit dem Cirkel gezogenes Loch durch die Borke bis auf, aber nicht in das Holz. Dabei ist gewöhnlich ein Männchen und ein Weibchen schon beisammen.

Jetzt vergleiche das Folgende mit Fig. 4. Sie stellt ein Stück Fichtenrinde von der inneren Seite dar, womit sie auf dem Holze aufsaß. Du siehst einen langen geraden Gang; ungefähr in der Mitte desselben eine kleine Ausweitung und in dieser das eben beschriebene Eingangsloch. Von diesem aus hat nun eben das Pärchen diesen Muttergang, der immer mit dem Stamme gleich, also senkrecht läuft, genagt und dann ganz rein von allen Spänchen gesäubert. Ist dies geschehen, so legt, was Du an meiner Zeichnung nicht mehr siehst, zu beiden Seiten des Mutterganges das Weibchen in kleine, dazu ausgenagte Grübchen desselben je ein Ei, zusammen 80, 100 oder noch mehr. Dann verdeckt sie jedes etwa mohnkorngroße, milchweiße Ei mit feinem Borkenmehl.

Nun ist für die Nachkommenschaft gesorgt und eine Colonie angelegt.

Nach etwa acht Tagen kriechen die Eier aus. Die anfangs natürlich ganz kleinen zarten Lärvchen nagen sich nun seitlich abwärts von dem Muttergange anfangs sehr feine, aber mit ihrem eigenen Wachsthum immer weiter nothwendig werdende Larvengänge. Diese füllen sie hinter sich immer wieder mit ihrem Kothe, dem fast unveränderten Borkenmehl, aus. Sind auch diese Larvengänge immer etwas gebogen, so durchschneiden sie sich doch nie. Es scheint also, als ob die benachbarten Geschwister vermieden, einander in’s Gehege zu kommen und als ob sie gegenseitig um einander wüßten. Diese Larvengänge liegen in der unteren oder Bastschicht der Rinde und dringen nur sehr wenig auch in die Oberfläche des Holzes.

Auf diese Art entsteht also die eigenthümliche einigermaßen einer Verzierung gleichende Bildung, die Du in Fig. 4. des beschränkten Raumes wegen nicht ganz dargestellt siebst, das Fehlende Dir aber leicht in Gedanken ergänzen wirst. Auf der von einem noch lebenden Baume abgeschälten Rinde erscheint sie braunroth auf weißem Grunde. Indem man sie mit Schriftzeichen

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 544. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_552.jpg&oldid=- (Version vom 15.4.2020)