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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

begann jetzt der junge hübsche Mann, dem ein kleiner schwarzer Schnurrbart und Knebelbart zu seinem wettergebräunten und jugendlich frischen Antlitz gar trefflich stand. „Ich muß wohl auf diesem weglosen Pfade weit ab von der Straße nach Altenberg gekommen sein,“ fuhr er fort, indeß er sein Ränzel abschnürte und auf einem leeren Schemel Platz nahm.

„Da seid Ihr eine gute Stunde seitwärts gerathen; aber wo kommt Ihr denn eigentlich her, denn Eurer Tracht und Sprache nach seid Ihr nicht aus hiesiger Gegend?“ entgegnete der Müller, den Fremden aufmerksam musternd und neugierig das gefüllte Ränzel desselben betrachtend, in welchem, als der junge Mann dies sorglos auf den Erdboden geworfen, ein Ton erklungen war, als rüttele man Gold- und Silberstücke untereinander.

„Ich bin aus der welschen Schweiz und komme vom Zinnewald her,“ antwortete der Fremde, jetzt erst des Müllers Tochter genauer betrachtend, die vor den feurigen Blicken, welche aus des jungen Mannes schwarzen Augen ihr entgegen blitzten, erröthend sich hinter ihr Spinnrad flüchtete.

„Nun, zu viel wird Euch bei uns nicht im Wege stehen,“ bemerkte trocken der Müller, „aber eine Streu auf dem Fußboden, ein Krug Wasser und ein Stück Brot soll Euch nicht fehlen. Wer weiß“ – grollte er bitter für sich – „wo wir vielleicht morgen schon dies erbetteln müssen.“

„Ich bin vollkommen zufrieden damit,“ entgegnete der Fremde und legte seinen Hut bei Seite, worauf nun fessellos lange glänzend schwarze Locken auf Nacken und Hals desselben herabfielen. „Ruhe ist es nur, die ich bedarf,“ fuhr er fort; „denn an Entbehrung hin ich gewöhnt, aber seit heute früh fünf Uhr bin ich auf den Beinen, und obgleich ich manch eisbedeckten Berg erstiegen und auf Gletschern mich tagelang herum getrieben auf halsbrechenden Pfaden, so bin ich doch noch nie so todmüde geworden, wie heute in diesen Schluchten und Thalgegenden.“

„Nun, die Magd wird Euch sogleich Euer Lager bereiten und auch wir wollen uns zur Ruhe begeben,“ bemerkte der Müller und winkte Agathen, den Spinnrocken bei Seite zu stellen.

„Aber Ihr zürnt mir doch nicht, daß ich Euch so spät am Abend zur Last falle,“ bat der Fremde und bot dem Müller die Hand, welcher mit seiner Tochter sich entfernen wollte. „Und auch Ihr nicht, holde Jungfrau!“ rief er, zu Agathen sich wendend. „Ihr, die Ihr so herrlich hier aufblühet in stiller Einsamkeit, wie das Alpenröslein in unwegsamer Wildniß.“

„Wollte der Himmel, wir könnten Euch besser aufnehmen,“ entgegnete der Müller, ihm zum Nachtgruß die dargebotene Hand schüttelnd. „Da aber dies nicht der Fall ist, so müßt Ihr mit dieser armseligen Bewirthung vorlieb nehmen. Gute Nacht!“

„Schlaft wohl, und verzeiht, daß wir nichts Besseres Euch bieten können als dies Strohlager,“ fügte Agathe schüchtern hinzu, indeß der Fremde der Jungfrau Hand hastig ergriff und zärtlich drückte, worauf diese hocherröthend sich eilig entfernte und dem Vater folgte, welcher die kleine in das obere Stockwerk führende Treppe hinaufstieg, während die Magd das Lager des Gastes bereitete, ein Stück Brot und einen Krug Wasser auf den Tisch setzte, und ihm gute Nacht wünschend bat, den frisch angezündeten Kienspan sorgfältig auszulöschen.

Als der Fremde sich allein sah, warf er seine Blicke forschend umher in der reinlichen aber ärmlich ausgestatteten Wohnstube, streckte sich, die Leuchte auslöschend, auf sein Lager und sprach still für sich: „In diesem Hause scheint das Glück auch nicht heimisch zu sein, aber ein lieblicheres Frauenbild ist mir doch nimmer vorgekommen als hier in dieser Hütte der Armuth,“ und während er bemüht war, das blasse aber von sanfter Duldung mit mildem Lächeln geschmückte Antlitz Agathen's sich recht lebhaft vor den Blick zu zaubern, kam der Schlaf über ihn, und bald schlummerte der junge Mann auf dem harten Lager so süß und ruhig, als liege er auf schwellendem Lotterbettlein in der Wohnung des üppig prunkenden Reichthums.


Dem Müller und seiner Tochter aber blieb der Schlaf fern, und während der müde Wanderer in der Unterstube der Mühle schon mehrere Stunden im Schutze jugendlicher Sorglosigkeit schlief und der neckende Traumgott ihm die liebliche Müllerstochter zuführte, da lag der Müller auf seinem Lager schlaflos und zählte die Stunden bis zu Anbruch des Tages, an welchem er dem Erscheinen der Gerichte entgegen sehen mußte, die ihn von Haus und Hof vertreiben würden; denn auf den nächsten Tag fiel der letzte Termin, bis zu welchem er entweder die rückständigen Zinsen schaffen oder seiner Mühle den Rücken kehren mußte mit Agathen, die durch des Vaters Schuld der Fluch der Armuth und des Elendes so frühzeitig traf.

Nirgend zeigte sich dem Unglücklichen eine Hoffnung auf Rettung, überall hatte man ihn abgewiesen, wo er um Hülfe gebeten, als nach jener Nacht er für immer dem Spiel entsagt; – zurückgezogen hatten sich von ihm all’ die reichen Freunde der Umgegend, mit denen er so oft gezecht und gespielt, seit er leider nur zu spät inne gehalten in blinder Verschwendung seines Eigenthums, und wenn es in unsern Zeiten auch nicht viel besser ist, so war es doch vor 150 Jahren um einen bis auf die Auspfändung heruntergekommenen, früher reichen Manne auf dem Lande ein gar schlimmes Ding, von dem sich Alles abwendete, als sei er verpestet, und besonders wenn er selbst dazu beigetragen durch Schlemmen und Spielen. Nur einer seiner Spielgesellen wollte ihm helfen, und dies war der Mattheus aus dem Oelsengrunde, der aber für blankes Gold die liebliche Agathe als Opfer verlangte, aber dies war ein Handel, auf welchen selbst der so tiefgesunkene Vater nicht einging, und dem ein Pact mit dem Teufel um Leib und Seele, wie das Gerücht in jener abergläubischen Zeit es oft von Diesem oder Jenem aussprengte, nicht entsetzlicher schien, als sein einziges Kind jenem verrufenen Wollüstling in die Arme zu werfen. –

Aber während Kummer um Agathen, Groll gegen seine Peiniger und falschen Freunde, Verzweiflung bei

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 538. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_546.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)