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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Aber bald trieb auch der Regen unter das Verdeck, der erst gegen Mittag aufhörte. Von da an blieb das Wetter klar und verstattete mir, das Schauspiel eines glühenden Sonnenunterganges hinter der prachtvoll gelegenen Stadt Castellon de la Plana. Kaum aber war die Sonne verschwunden, als ein heftiger Südwestwind eintrat, der sich bald zu einem ganz unzweideutigen Aequinoctialsturm steigerte. Vorhin trieb mich das Wasser von oben unter Deck, nun that es das Wasser von unten, denn so manche Woge versuchte mit Erfolg einen kühnen Sprung über unser Schifflein. Da der Sturm aber unserem Course gerade entgegen blies, so gab er der Bewegung des Bootes, dessen Maschine gegen ihn ankämpfte, eine gewisse, feste und stetige Haltung. Aber alle Augenblicke erbebte es bis in die innersten Theile, wenn eine Welle von vorn dagegen anprallte. Ich hatte Gelegenheit, meinen Gleichmuth zu erproben, denn aus der scharfen Aufmerksamkeit des Capitäns konnte ich abnehmen, daß die Lage des Schiffes keine ganz behagliche sei. Es behielt aber die Freude und das Staunen über die Großartigkeit der Erscheinung in mir die Oberhand über die Zaghaftigkeit. Ich stellte mich neben den Steuermann, einigermaßen vor den Wellen geschützt, so daß ich das ganze Verdeck vor mir hatte, und ließ meine trunkenen Blicke hinausschweifen über das bewegte Meer. Wir hatten in Barcelona eine bedeutende Anzahl Soldaten mit an Bord bekommen. Die Aermsten lagen jetzt großentheils ohne Schutz vor Wind und Wellen auf dem Verdecke umher, theils dichtzusammenhockend, um einer von des anderen Wärme zu profitiren, theils unter allerhand zerlöcherten Hüllen, welche ihnen die mitleidigen Matrosen geliehen haben mochten. Der Capitän war in seine Koje gegangen, er schien also keine Gefahr mehr zu befürchten. Ich war mit dem Steuermann, außer den Soldaten, die mehr als Leichen auf einem Schlachtfelde zu liegen schienen, das einzige lebende Wesen auf dem Verdeck. Der Himmel war vollkommen klar und ohne Wolken und der fast noch volle Mond beleuchtete mir hell das imposante Schauspiel, in dessen Anblick ich nicht müde werden konnte. Obgleich das vor mir liegende Verdeck bald abwärts bald aufwärts, bald rechts bald links geneigt erschien und ich mit ausgespreizten Beinen mich fest an der Brustwehr festhalten mußte, so bemerkte ich doch zu meiner Freude, ja mit einem gewissen Stolze, daß ich durch das furchtbare Schwanken des Schiffes nicht im mindesten belästigt wurde und ich darf glauben, einer von den Wenigen zu sein, welche die Seekrankheit verschont. Ich ging endlich in meine Koje und machte mir mit meinem Pelze mein behagliches Lager noch behaglicher, und schlief trotz der fortwährenden Stöße bald ruhig ein. Ich legte mir die Frage vor, ob man in einem Hause, welches, wenn auch ohne Gefahr einzustürzen, immer schwanke und an dessen Thor in kurzen Zwischenräumen mit Balken- und Mauerbrechern gepocht werde, wohl würde schlafen können? Als ich erwachte, war aller Sturm vorüber und das Schiff nur noch in einer wiegenden Bewegung. Von der Sonne erleuchtet, wechselte ohne Unterlaß die durchaus berggesäumte Küste in bunter Mannichfaltigkeit ihrer Formen. Aber auch hier Alles noch kahl und laublos. Tortosa mit der Ebro-Mündung waren wir in der Nacht passirt. Von den folgenden Küsten-Orten nenne ich nur noch Murviedro, das alte Saguntum, das mir alle meine spanischen Reisegenossen mit einem gewissen nationellen Stolze wiesen. Man lebt auch hier von der Vergangenheit! Ob man an eine Zukunft denkt, möchte ich bezweifeln.

Um 12 Uhr des zweiten Ostertages kamen wir am Grao vor Valencia an und jetzt, indem ich dieses schreibe, liegt mit mir der Mercurio schon seit 24 Stunden hier vor Anker, die er auch erst in 6 Stunden lichten wird, um in der Nacht die Fahrt bis Alicante zu machen. Anfangs hieß es, daß wir nach wenigen Stunden weiter fahren würden, bis daraus nach und nach ein und ein halber Tag wurde. So lange liege ich vor dem „Garten von Spanien“, ohne ihn betreten zu haben. So weit ich ihn vom Bord aus beurtheilen kann, ist aber auch in ihm der Lenz noch nicht eingezogen und so tröste ich mich. In einigen Wochen werde ich ihn von Murcia aus um so blühender antreffen.

Mein Aufenthalt auf dem Schiff ist auch nicht ohne Unterhaltung. Das Meer liegt ruhig wie ein Landsee vor mir da und am Horizonte schimmert eine Heerde weißer Vögel – die Fischerbarken, welche, meist zu zweien, seit dem Morgen mit Fischen beschäftigt sind. Kein Lüftchen regt sich und die Sonne wärmt mich daher, nach so viel ausgestandener catalonischer Kälte, echt valencianisch durch, ohne jedoch lästig zu werden. Ich bin unumschränkter Herr der 1. Kajüte, denn zufällig waren alle meine Reisegefährten in Valencia an ihrem Ziele, und so hatte ich mich denn an der langen Tafel, nachdem ich allein mit dem Kapitän gefrühstückt habe, häuslich mit Leipziger Schreibzeug zu diesem Briefe nach Leipzig niedergelassen.




Blätter und Blüthen.

Hexen in Nordamerika. Nachdem der Glaube an Hexen in Europa längst verschwunden, scheint er jetzt in dem sonst so aufgeklärten Nordamerika, wo indessen das Uebersinnliche und Mystische noch eine ziemliche Rolle spielt, wieder auftauchen zu wollen. Von einem Hexenfall dieser Art wird aus dem Staate Pennsilvanien gemeldet. Eine Frau, die zu der unter dem Namen „die christliche Kirche“ bekannten Sekte gehörte, setzte eine ihr zugestoßene Krankheit auf Kosten der Behexung, wobei der Verdacht der Hexerei auf eine andere Angehörige derselben Sekte fiel. Die Hexenprobe wurde hierauf von der Gemeinde in der Weise beschlossen, daß die Verdächtige über einen Besenstiel hinschreiten mußte. Da diese Probe jedoch Vielen nicht ausreichend genug schien, so wurde die angebliche Hexe noch gegen die Bibel abgewogen, und dabei im Voraus angenommen, daß, wenn sie leichter als die Bibel befunden würde, dies der Beweis der Schuld sein sollte. Die Angeschuldigte wog jedoch natürlich schwerer und wurde daher für unschuldig erklärt. Wenn diese amerikanischen Hexenproben auch weit entfernt sind von der Grausamkeit, mit welcher früher in Europa gegen die vermeintlichen Hexen vorgeschritten wurde, so werfen sie immerhin ein bezeichnendes Licht auf das Treiben der religiösen Sekten in den Vereinigten Staaten, die auf dem dortigen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_249.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2020)