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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

wiederholte, gerieth er in heftige Wuth. Es folgten leidenschaftliche Worte und gegenseitige Herausforderungen; wir wurden von einem Haufen von Zuschauern umringt und er zog sein Messer hervor und führte einen wüthenden Stoß gegen meine Brust; aber ich entging dem Angriffe durch eine schnelle Bewegung, und da die Zuschauer bemerkten, daß ich unbewaffnet war, trennten sie uns und wir schieden in bitterer Feindschaft, nachdem wir verabredet hatten, früh am nächsten Morgen uns zu treffen und die Sache auszufechten.

„Ich suchte damals, gegen die herrschende Sitte der Léperos, mir meinen Unterhalt als Lastträger zu verdienen, denn ich hatte ein Weib und zwei Kinder, die ich zärtlicher liebte, als ich glaubte, wie ich später, nachdem ich sie verloren hatte, nur zu deutlich erkannte. Ich sah besonders aus diesem Grunde dem verabredeten Zusammentreffen nicht gerade mit angenehmen Gefühlen entgegen.

„Obgleich solche Kämpfer unter uns sehr gewöhnlich sind, so hatten doch viele von unseren Gefährten an dem Streite im Spielhause so großes Wohlgefallen gefunden, daß sie schon vor uns auf dem Platze waren. Sie schlossen eine Art Kreis für unseren Zweikampf und erwarteten offenbar mit großer Freude dessen Anfang. Unsere zerlumpten Serapés um den linken Arm werfend, machten wir anfänglich nur vorsichtige entfernte Ausfälle mit unseren Messern; dann aber wurden wir wärmer und ich bemerkte bald, daß mein Gegner, wenn auch in anderen Dingen sehr gewandt und erfahren, mir an Kraft und Geschicklichkeit in der Handhabung der Waffe keineswegs gewachsen war, während mir seine Wuth und Rachsucht nur einen noch größeren Vortheil gaben. Er verlor endlich alle Geduld, als er sich fast überwunden und leicht verwundet fühlte, und sich zu einem wüthenden Angriffe ermannend stieß er mit all’ seiner Kraft nach meinem Herzen. Glücklicherweise fing ich den Stoß in den Falten meines Serapés auf und versetzte meinem Feinde dagegen einen tiefen Stich in den Rücken, ehe er Zeit hatte, das Gleichgewicht wieder zu gewinnen. Er fiel zu Boden und verlor die Besinnung, ehe seine Freunde die Wunden verbinden oder das daraus hervorströmende Blut stillen konnten. In dem Augenblicke jedoch, als sie ihn hinwegtragen wollten, sprang er mit der geringen Kraft, die ihm noch übrig gebliehen war, aus ihren Armen und drang, schäumend vor Wuth und Schmerz und mit blutigem Körper noch einmal auf mich ein. Es wurde mir diesmal nicht schwer, ihn abzuwehren und sein Blutverlust machte ihn auf’s neue ohnmächtig. Als man ihn hinwegtrug, kam er wieder zu sich und ich sah, daß sein Auge fest und mit dem Ausdrucke glühender unversöhnlicher Feindschaft auf mich gerichtet war. Ich wußte, daß er sich rächen würde – ich erwartete es – aber ich war nicht auf eine so gräßliche Rache vorbereitet.

„Nachdem er sich von den Folgen seiner Wunde erholt hatte, verschwand er plötzlich – Niemand wußte wohin, und ich hatte ihn fast schon vergessen, als ich plötzlich auf’s neue in der entsetzlichsten Weise an seine Feindschaft erinnert wurde. Ich kehrte eines Abends später als gewöhnlich nach der Hütte zurück, in welcher ich wohnte, und war höchlich erfreut über das Glück, das mir an diesem Tage geblüht hatte; ich hatte glücklich gespielt, das ist allerdings wahr; aber ich freute mich darüber bei Weitem nicht so sehr, wie über die dauernde und regelmäßige Beschäftigung, die mir an diesem Tage endlich zugesichert worden war, und mit deren Ertrage ich meine Familie in Zukunft erhalten konnte, ohne zu den seitherigen Mitteln meine Zuflucht zu nehmen oder mit der Gesellschaft zu verkehren, an welche ich bis jetzt gewöhnt gewesen war. „Wie glücklich werde ich sein,“ dachte ich, „wenn ich redlich leben und mir sagen kann, daß auch meine Kinder redliche Leute werden sollen. Schmach und Elend sind nun überstanden, denke ich, und wir können nicht wissen, welches Glück uns noch erwartet.

„In dieser heitern, freudigen Stimmung näherte ich mich meiner Hütte, aber mich überraschte die Dunkelheit und Ruhe, von welcher ich bei meinem Eintritte empfangen wurde. Ich vermuthete im ersten Augenblicke, daß meine Familie, während sie mich erwartet hatte, vom Schlafe überrascht worden sei – aber wie kam es, daß man die Thüre halb offen gelassen hatte? Ich zündete ein Licht an und erkannte schnell die entsetzliche Ursache. Mein Weib und meine zwei Kinder lagen in einer Blutlache auf dem Boden – ganz todt und mit durchschnittenen Kehlen.

„Wer vermöchte die Gefühle zu schildern, von welchen ich mich in dieser Nacht ergriffen fühlte; mein Kopf schien in Feuer zu stehen und der Schlag, der mich getroffen hatte, lähmte jede Kraft. Ich lag mehre Stunden neben den Gemordeten auf dem Boden und beneidete sie um ihr Schicksal, so entsetzlich der Anblick auch war. Als der Morgen tagte, erwachte ich jedoch aus dieser Erstarrung und erhob mich mit zitternden Gliedern und blutigen Kleidern von dem Boden. Aber ich erwachte zum glühendsten Rachedurst und als die ersten Strahlen der Sonne in das Gemach fielen, gelobte ich bei allem, das mir theuer gewesen war, den Mörder meiner Familie mit unermüdlichem Eifer zu verfolgen, wo nur immer ich seine Spur finden könnte.

„Aber noch an demselben Tage wurde ich von einer unwilligen Menge hinweggeführt und vor dem „Administrador“ beschuldigt, mein Weib und meine Kinder ermordet zu haben. Mein wildes, verstörtes Ansehen, meine verworrenen Worte und vor Allem das Blut an meinen Kleidern und an meinem Körper schienen die abscheuliche That zu beweisen; meine Versicherungen, daß ich unschuldig sei, blieben unbeachtet, meine Angaben und Aussagen fanden kein Gehör, und ich wurde in Folge der entsetzlichen Anklage mehre Monate in der „Accordada“ gefangen gehalten. Endlich wurden einige von dem Mörder zurückgelassene Spuren entdeckt und obgleich er glücklich entronnen war, so kam doch allmälig die Wahrheit an den Tag und ich wurde wieder in Freiheit gesetzt. Ich traf schnell alle nöthigen Vorkehrungen zu meiner Reise, hing einen Sack mit Lebensmitteln über meine Schulter, besuchte noch einmal das Grab meines Weibes und meiner Kinder und begann meine Verfolgung.

„Mein Feind war klug und schlau und hatte vollauf Zeit gehabt, sich nach einer entfernten Gegend zu flüchten, so daß meine Nachforschungen, obschon ich unermüdlich und von dem Geiste der Rache angespornt wurde, erfolglos bleiben mußten. Ich wanderte lange Zeit vergebens von einem Theile des Landes nach dem anderen; aber ich war

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_239.jpg&oldid=- (Version vom 6.8.2018)