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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Luft. Gut und rein ist aber die Luft dann, wenn sie neben ihren regelmäßigen und in der gesetzlichen Menge vorhandenen Bestandtheilen (d. h. Stickstoff, Sauerstoff, etwas Wasser in Gas- oder Dunstform und eine äußerst geringe Menge Kohlensäuregas) nicht auch noch andere Stoffe zufällig enthält, welche entweder die Athmungsorgane krank machen, oder das Blut verderben können, und wenn von ihren constanten Bestandtheilen einzelne nicht in widernatürlich großer oder geringer Menge vorhanden sind. Die gewöhnlichste und schädlichste Verunreinigung der Luft ist die mit einer größern Menge von Kohlensäure. Dieses Gas häuft sich am leichtesten in verschlossenen kleinen Räumen dann an, wenn in denselben viele Menschen und Thiere athmen (welche ja Kohlensäure ausathmen). Diese ausgeathmete Luft ist aber auch deshalb noch für den Körper sehr gefährlich, weil sie neben der schädlichen Kohlensäure verschiedene schlechte Ausdünstungsstoffe enthält, welche eine Verderbniß des Blutes herbeizuführen (z. B. Typhus) im Stande sind. Darum müssen vor Allem die Schul- und Arbeitsstuben sehr geräumig und gut ventilirt sein, nicht mit Kindern und Arbeitern überfüllt und öfters gelüftet werden. Die größte Rücksicht aber ist in Familien auf die Schlafzimmer zu nehmen, weil im Schlafe das Athmen am regelmäßigsten vor sich geht. Ein gesundes Schlafzimmer muß geräumig, hell, sonnig und luftig sein und den Tag über gehörig gelüftet, nicht zum Trocknenplatz für kleine Kinderwäsche, nicht als Aufbewahrungsort schmutziger Kleidungsstücke und dgl. benutzt werden. Größere Mengen von Kohlensäure dünsten auch an manchen Stellen der Erdoberfläche aus (d. s. Mofetten, gewöhnlich in der Nähe von erloschenen oder noch thätigen Vulkanen), sie bilden sich ferner in Kellern mit gährendem Weine oder in Gruben (besonders aus Kohlenflötzen), in Kalköfen und Brauereien, überhaupt beim Verbrennen unserer gewöhnlichen Brennmaterialien, sowie bei der Gährung und Fäulniß organischer Körper. – Eine andere sehr gefährliche Gasart ist ferner das Kohlenoxydgas (Kohlendunst, Kohlengas), was sich besonders leicht beim unvollkommnen und langsamen Verbrennen (mit erstickter Flamme) von Kohlen bildet und schon oft Schlafenden den Tod gebracht hat, zumal wenn vor Schlafengehen die Ofenklappe geschlossen wurde. Bei unserer jetzigen Heizung mit Kohlen ist demnach ganz besonders auf gut ziehende Oefen zu sehen und einfaches Feuern auf Kohlenpfannen, Becken, Töpfen u. dgl., besonders in Schlafstuben, ist ganz verwerflich. – Das Kohlenwasserstoffgas entwickelt sich in Sümpfen als Sumpfluft, welche leicht bösartige Fieber (Wechselfieber) erzeugt, und stellt in Schachten die sogenannten schlagenden Wetter oder feurigen Schwaden dar. – Schwefelwasserstoffgas und die sogenannten Cloakengase, welche nach faulen Eiern und stechend scharf riechen, können das Leben unvorsichtiger Cloaken-Arbeiter sehr schnell endigen, aber auch langsam bei schlechter Einrichtung der Abtritte, zumal wenn dieselben in der Nähe der Schlafzimmer ihre Lage haben, die Gesundheit untergraben, weshalb dieser Einrichtung mehr Aufmerksamkeit zu schenken ist, als dies gewöhnlich geschieht. – Die sogenannten sauren und scharfen Dämpfe, aus Salpeter und salpetriger, sowie schwefliger Säure, aus Chlor, Brom, Ammoniak, Phosphor u. s. w., sind natürlich ebenso wie Arsenik-, Blei- und Quecksilberdämpfe äußerst nachtheilig für die Gesundheit und müssen soviel als nur immer möglich vom Eindringen in die Lunge abgehalten werden. Deshalb sollte jeder Arbeiter, welcher mit irgend einem mineralischen oder organischen Stoffe häufig umzugehen hat, sich gehörig über dessen Einwirkung auf den menschlichen Körper unterrichten lassen. – Was das Einathmen von feinem Staub betrifft, so ist dies zwar nicht so gefährlich wie das von den vorhergenannten Stoffen, allein es bringt doch auch und insofern Nachtheil, als durch die reizende Einwirkung des Staubes, zumal wenn derselbe scharf, giftig und sehr hart ist, die Athmungsorgane leicht erkranken können.

Die freie Luft ist das Hauptmittel zur Erhaltung der Gesundheit, die freie Luft ist es auch, welche die Heilung der meisten Krankheiten unterstützt und der die Bäder, die Kaltwasserheilanstalten und die Reisen u. s. w., zum allergrößten Theile ihre günstige Wirkung auf Kranke verdanken. Der Mangel freier Luft dagegen in engen, finstern (besonders Hof-) Wohnungen, in niedrigen mit Menschen überfüllten Räumen, in dunklen Geschäfts- und Arbeitslocalen, in schmutzigen Hütten oder Kellern, der ist es, welcher allmälig ein unheilbares Siechthum erzeugt. Leider ist es nur zu gewiß, daß die unendliche Mehrzahl der Menschen, selbst in civilisirten und wohlhabenden Ländern den größten Theil des Lebens in Wohnungen, Kinderstuben, Arbeitsstätten und Schlafzimmern zubringt, welche geradezu als positiv nachtheilig für die Gesundheit bezeichnet werden müssen. Dieser Nachtheil wird aber noch dadurch bedeutend erhöht, daß die meisten Bewohner solcher ungesunden Localitäten die nöthige Körperbewegung vernachlässigen und endlich in eine krankhafte Trägheit des Körpers und Geistes verfallen. Am meisten leiden die Kinder durch den Mangel an freier Luft (im Hause und in der Schule); bei ihnen kommt dadurch sehr bald Blutarmuth und Bleichsucht, Scrophulose, Schwindsucht und Verkrüppelung in Folge der Knochenerweichung (Rhachitis oder englischen Krankheit) zu Stande. Ein Hauptgesetz für jeden Menschen ist es daher: so oft als möglich die freie Luft zu genießen, natürlich mit der Vorsicht, dabei große Hitze und Kälte, rauhe Winde und Luftzug, Nässe und Staub zu vermeiden. Von der größten Wichtigkeit ist aber der Genuß der freien Luft für Kinder und Kranke (Reconvalescenten), sowie für solche Erwachsene, welche eine sitzende Lebensweise zu führen pflegen und in ihrer Wohnung der freien Luft entbehren. Gesteigert wird der Vortheil des Luftgenusses dann um ein Bedeutendes, wenn man im Freien mäßige Körperbewegungen vornimmt und dabei langsam, kräftig und tief ein- und ausathmet, weil dadurch der Blutlauf befördert wird.

2) Eine andere Bedingung zum gehörigen Vonstattengehen des Athmens sind gute Athmungsorgane. Von diesen Organen werden aber gerade die wichtigsten, nämlich der Brustkasten mit seinen Muskeln und die Lungen, am meisten in ihrem Baue und in ihrer Thätigkeit von Seiten des Menschen beeinträchtigt. – Was den Brustkasten oder Thorax betrifft, dessen Höhle mit Hülfe der Athmungsmuskeln einem Blasebalge gleich erweitert und verengert werden kann, so wird derselbe sehr häufig in der Entwicklung seiner Weite gehemmt und zwar gewöhnlich schon von Geburt an, nämlich: durch festes Einwickeln des Säuglings; beim weiblichen Geschlechte durch das Schnürleib,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_185.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)