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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

aus eignem Interesse die ersten Spatenstiche thun. Sofort machten’s ihm andere speculative Leute auch „im eigenen Interesse“ nach, und so ward das Berge-Versetzen bald ärger, als jemals bei „Gläubigen“. Man grub fort bis heute, aber nicht immer mit schwachen Menschenhänden.

Im Jahre 1850 kam ein Gasthausbesitzer, der sich vor Gold kaum mehr retten konnte (es war und ist Mode den mühsamen Goldgewinn oft in einer Nacht durchzubringen) auf den Gedanken, einen Vergnügungspalast im großartigsten Maßstabe bauen zu lassen. Er ließ deshalb auf einem der Hügel den Raum dazu ausgraben und den Feenpalast in die Höhe steigen. Er nannte ihn „The Oriental Hotel“. Er steht noch so da, wie wir ihn auf dem zweiten Bilde sehen, freilich aber ohne Hügel ringsum, die nun mit Dampf zu verschwinden anfingen. Das Werk des trägen Spatens wurde bald aufgegeben und für Massen von Gold Dampf aus eisernen Ungeheuern angestellt, das Werk des „Glaubens“ zu verrichten. Im April 1851 fing die erste derartige Berge abtragende und Thäler ausfüllende Dampfmaschine, genannt „the steam paddy“ (Dampf-Wegbahner) zu arbeiten an. Auf ihren Rädern wühlte sie verzweifelt in die Berge hinein, Steine, Staub und Erde hinter sich schleudernd und auf Wagen ladend, die auf Eisenschienen, von Pferden gezogen, die Höhen in Thäler stürzten.

So verschwanden die Hügel in allen Richtungen und mit ihnen „das glückliche Thal“, das um alle Schätze californischen Goldes nicht bleiben mochte, vielleicht auch, weil Glück und Gold sich innerlich nur selten vertragen sollen. Selbst die Gestade des allmächtigen Meers wurden weit zurückgetrieben, und ihm tüchtige Streifen für stolze Straßen abgerungen, so daß, was früher dicht am Wasser lag, schon beinahe mitten in die Stadt gehört. Da liegt nun San Francisco – eine ungeheuere Stadt in kahler Ebene, eine Mischung von weißen, schwarzen, braunen, rothen, grünen, gelben und blauangelaufenen Menschen, ein unendliches Gewirr von Straßen, Läden, Waarenschuppen, Wohnhäusern, Palästen und namentlich amerikanischen Hotels, diesen Zerstörern der „Heimath“ und aller ihrer Reihe von fröhlichen Kindern, gemüthlichen Frauen, traulichem Kaminfeuer und dem lebenwarmen Feuer, das Liebe und Freude in die Mengen der Angehörigen treibt, wenn der liebe Papa vom Geschäfte zurückkömmt und dann ohne Weiteres gegessen und geplaudert werden kann.




Spanische Reisebriefe.

Von
E. A. Roßmäßler.
II.
Barcelona.
Ende März 1853.  

Auf spanischem Boden wäre ich nun. Aber ich kann nicht sagen, daß ich mich bis jetzt sehr behaglich auf ihm fühlte – denn mich friert, und indem ich dies schreibe, habe ich meine Filzstiefeln übergezogen und meine Reisedecke umgehängt; und doch habe ich heute hunderte von fruchtbeladenen Citronen- und Orangenbäumen gesehen, von denen die Gärten vor meinem Hause voll sind. Doch lassen Sie sich mit einigen Worten erzählen, wie ich hierher gekommen bin.

Der Bareino geruhete seine Abfahrt um einen Tag zu verschieben, wahrscheinlich weil sich noch zu wenig Reisende gemeldet hatten. Also erst am 12. März früh 7 Uhr betrat ich in meinem Leben das erste Seedampfboot; doch erst nach 2 Stunden wurden die Anker gehoben. Den Genuß des Rückblicks auf die malerische Küste und den Mastenwald des Hafens von Marseille mußte ich mir durch einige Ueberwindung erkaufen, denn das Schwanken des Bootes ließ den Horizont bald über bald unter der Brustwehr des Verdecks erscheinen, was mir einen Uebles vorbedeutenden Schwindel verursachte. Das wird gut werden, dachte ich. Doch nein; nachdem wir nach 26stündiger fast stürmischer Fahrt in Barcelona landeten, war ich meines Wissens der einzige Passagier, der nicht seekrank geworden war, und ich strich beim Frühstücke in der Cajüte die Beglückwünschungen deshalb als einen schuldigen Tribut mit einem gewissen Stolz ein. Ich war daher auch so ziemlich der Einzige, dem das vortreffliche Frühstück mundete.

Während meine ächzenden oder endlich zur Ruhe gekommenen Reisegefährten in ihren Kojen lagen, machte ich mich vor dem Grauen des Tages munter und frisch aus der meinigen, um auf dem Verdeck nach her spanischen Küste auszuschauen. Sie lag in phantastischen Bergumrissen bereits ziemlich nahe vor mir und über allen ragte das schneeweiße Haupt des Monserrate hervor. Ich war von einem heiligen Grausen erfüllt. Um mich wogte, von den Schaufelrädern gepeitscht, das weite schwarze Meer, dessen Murmeln nach dem zischenden Brausen des Abends mir wie das halblaute Brummen in den Bart eines zur Ruhe gebrachten Zänkers vorgekommen sein würde, wenn dieser Vergleich des gewaltigen Elementes würdig wäre. Ueber mir funkelten am wolkenlosen Himmel die Sterne, unter denen meinem unkundigen Auge am südlichen Horizonte dennoch einige neue Sternbilder auffielen. Gleicherweise sah ich den Polarstern tiefer, als zu Hause – dies brachte mir in diesem feierlichem Augenblicke, der es mir war, mein Fernsein von der Heimath und den Meinigen zu recht tiefem ernsten Bewußtsein. Als wir aus der Höhe von Mátaro angekommen waren, malte der eben dort abgehende Eisenbahnzug seine waagerechte weiße Dampflinie auf der Küste und wir konnten sie fast bis Barcelona verfolgen, wo wir erst eine Stunde später als er ankommen mochten.

Von Marseille kommend, macht Barcelona als Hafen keinen großen Eindruck. Aber sehr freundlich ist sein landschaftliches Bild. Auf einer Landzunge, die den Hafen bildet, breitet sich rechts das neue Barcelona mit seinen schnurgeraden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_182.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2020)