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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

wird. Hierbei kommt alles auf den Grad der Wärme des Wassers an; es darf nicht kochen, es darf auch nicht zu wenig warm sein, und ein Versehn darin giebt dem Bier die unangenehme Eigenschaft leicht sauer zu werden. Hat die Maische, der Malzaufguß, ein paar Stunden gestanden, so wird die Flüssigkeit abgelassen, die nun Würze heißt.

Diese Würze wird mit dem Hopfen gekocht, um den bittern Stoff aus demselben auszuziehn. Eine besondere chemische Umänderung geht dabei nicht vor.

Die Hauptänderung der Flüssigkeit ist die, welche sie eigentlich in Bier verwandelt. Ich meine die Gährung, welche durch das Hinzuthun von Hefen bewirkt wird.

Die Gährung kann ohne das Dasein von Stickstoff nicht erfolgen. Von dem Malze her ist zwar etwas von diesem Stoffe in der Würze und so kann man dieselbe mit einiger Mühe auch durch sich selbst zum Gähren bringen. Um die Mühe zu sparen setzt man eben Hefe zu. Dies ist Schaum von früherer Gährung und enthält viel Stickstoff. Sie ist ein Stoff, in welcher eine fortwährende Bewegung vor sich geht. Wie der große Chemiker Liebig meint, veranlaßt sie auf ganz mechanischem Wege Gährung, indem sie ihre eigene Bewegung den Theilchen Kohlen-, Wasser- und Sauerstoff mittheilt, welche z. B. den in der Bierwürze aufgelösten Zucker bilden. Um die Sache Ihnen recht deutlich zu machen, will ich Zahlen nennen. Das Mischungsverhältniß der genannten Stoffe im Zucker ist so, daß auf zwölf Theile Kohlenstoff zehn Theile Sauerstoff und eben so viel Wasserstoff kommen. Wenn die Hefe die Gährung veranlaßt, d. h. die Theilchen in Bewegung bringt, werden sie aus ihrem Mischungsverhältniß heraus und in andere hineingedrängt. Etwas von dem Kohlenstoff im Zucker verbindet sich z. B. mit den Sauerstoff, wodurch Kohlensäure entsteht, die als Gas entweicht. Der übrige Theil verbindet sich mit dem gesammten Wasserstoff und etwas Sauerstoff und wird Alkohol oder Spiritus, dessen Erzeugung in dem Malzaufguße diesen in das edel und stärkende Getränk umwandelt. Die Gährung ist demnach eine innere Erschütterung, die in neuer Zusammensetzung endet, sie ist eine wahre Revolution. Alkohol oder Spiritus bildet sich übrigens in Wein und allen solchen Getränken ganz in derselben Weise wie im Bier.

Die Kohlensäure, welche wie gesagt, beim Gähren des Bieres entweicht, macht es so gefährlich in verschlossene Keller etc. zu gehn, in welchen Massen von Biere gähren. Man hat Beispiele, daß Leute, die unvorsichtig an solche Orte sich begaben, sofortigen Tod fanden.

In einem Gährbottich ist der ganze Raum über der Flüssigkeit mit Kohlensäure gefüllt. Man kann sie herausschöpfen. Wenn man eine Tasse z. B. vorsichtig hinein hält, sie dann herausholt und über einem brennenden Lichte umstürzt, löscht man dasselbe vollständig und so schnell aus, als gösse man Wasser darüber. Es ist dies ein Kunststückchen, das schon viel Leute in Verwunderung gesetzt hat. Sie wissen nichts von Chemie, sehen, daß das Licht auslöscht, wenn die leere Tasse über ihm ausgeschüttet wird und können sich das Wunder nicht erklären.

Wenn sich kein Schaum, keine Hefe, mehr bildet, ist die Würze Bier geworden, das nun auf die Fässer gefüllt wird. Die Gährung geht da aber noch immer langsam vor sich bis der gesammte Zucker oder doch so viel als möglich in Spiritus verwandelt ist. Bier, das süß schmeckt oder jung ist, wie man wohl auch sagt, enthält noch viel unzersetzten Zucker.

Jede Flüssigkeit verlangt übrigens zum Gähren einen gewissen Wärmegrad, sie selbst wird in dem Gähren wärmer und da gleichzeitig Kohlensäure ausgestoßen wird wie Rauch bei Feuer, so ist die Gährung gewissermaßen ein Verbrennen, nur mit dem Unterschiede, daß die sogenannte weinige Gährung (die den Zucker in Weingeist oder Spiritus verwandelt) ohne Zutritt der Luft erfolgen kann. Das Feuer bedarf des Sauerstoffs in der Luft; die Gährung – auch ein Brennen – findet den Sauerstoff, der sie nährt, in dem gährenden Stoff.

Die Gährung im Bier – wie im Wein – muß aufhören, sobald der gesammte Zuckergehalt in Spiritus (Weingeist) verwandelt ist. Wird die gegohrne Flüssigkeit aber der Luft ausgesetzt oder wirkt Electricität auf sie ein, dann tritt eine zweite Gährung ein. Der Alkohol oder Spiritus, welcher durch die erste Gährung gebildet wurde, zieht Sauerstoff aus der Luft an und wird durch denselben in Essigsäure, oder einfach in Essig, verwandelt. Aus diesem Grunde müssen die Fässer luftdicht verschlossen sein, denn so interessant auch in wissenschaftlicher Hinsicht die saure Gährung ist, so nachtheilig ist sie in ökonomischer. Bier, das einen Stich hat, ist Bier, in welchem die saure Gährung einzutreten begonnen hat.

Gutes Bier ist also eine Mischung von Alkohol (Weingeist, Spiritus) und Wasser, mehr oder weniger unzersetztem Zucker, mehr oder weniger Kohlensäure, einigen feinen Stoffen, von denen der Geruch und Geschmack abhängt und dem Bittern des Hopfens. Dazu kommt der Farbestoff, welchen das Malz giebt. Von der Kohlensäure im Bier hängt das Perlen und ein guter Theil des Wohlgeschmacks ab. Bier ohne dieses Gas schmeckt schal und matt.

So viel vom Bier wie es sein sollte; nun noch wenige Worte von seinen Verfälschungen. Statt des Malzes können Syrup, Honig und andere Dinge benutzt werden, welche viel Zuckerstoff enthalten und sie werden ohne Nachtheil für das Bier hie und da wirklich angewendet. Auch Quassia, Wermuth und andere bittere Stoffe dürfen statt des Hopfens zugesetzt werden, ohne daß die Biertrinker dadurch vergiftet werden. Einige Brauer thun wohl auch Bitterklee hinein, aber dieser ist bereits für gefährlich zu erklären. Auch Aloe wird nicht selten benutzt, da sie aber Arzenei ist, so bin ich dafür, daß sie auf ärztliche Zwecke beschränkt und von dem Biere fern bleibe.

Damit soll aber nicht gesagt sein, daß das Bier nicht auch bisweilen einer ärztlichen Behandlung bedürfe, da es ja bisweilen kränklich wird d. h. säuerlich. Ist diese Unpäßlichkeit nicht von Bedeutung, so helfen einige Eierschalen, d. h. Kreide, denn sie ziehen die Säure an sich. Zusatz von etwas Kochsalz soll das Bier länger halten und es kann nicht schaden. Manche setzen ein wenig Jalappe zu, warum, weiß Niemand anzugeben; es schadet nicht, es kann aber auch nichts nützen. Grüner Vitriol (Kupfervitriol) wird in das Bier gethan, um ihm viel Schaum zu geben. Da aber einige Gran auf die Tonne schon auf das Bier in jedem einzelnen Töpfchen wirken, so wirken sie auch auf den Magen des Trinkers und ich für meinen Theil mag also gar kein Vitriol in meinem Bier haben.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_152.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)