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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

In irgend einer Art muß eine Puppe etwas psychisches leisten, bis hierher ist dieses noch nicht der Fall gewesen, später aber kann dieses Verhältniß nicht mehr auftreten, da mit ihnen der Uebergang durch den Puppenzustand verloren geht. Es giebt Larven, Männchen, Weibchen, mit einer Bedeutendes leistenden Psyche, es muß auch solche Puppen geben, die wir am sichersten in dem Kulminationspunkte der ganzen Gattung, der Termitenart, suchen dürfen. Die Natur strebt nach Mannigfaltigkeit, stellt Alles in seiner Art vollkommen her und schließt hier das ganze Verhältniß mit der Termitenpuppe.

Was die Lebensart dieser Thiere, ihre Wanderungen, Kämpfe und Räubereien betrifft, so ist alles so wunderbar, wie ihre Wohnungen. Sie sind bei ihren Arbeiten eben so vorsichtig, klug und emsig, wie die Ameisen, übertreffen aber Bienen, Wespen und Biber in der Baukunst eben so sehr, wie die Europäer die Wilden. Sie leben in Indien, Afrika und Südamerika, die Arbeiter sind nicht größer als unsere kleinen, schwarzen Ameisen, die Soldaten dagegen stehen dem vollkommenern Zustande näher, sind 1/2 Zoll lang, wohl 15 mal schwerer als die Arbeiter, von denen 100 gegen einen Soldaten angenommen werden müssen. Die Arbeiter führen ihre Wohnungen, große Gebäude in der Form konischer Hügel, von 8 bis 10, ja manchmal 20 Fuß Höhe auf, die sie aus einer Art rothen Lehm errichten, und die so fest sind, daß wohl ein Dutzend Menschen darauf stehen können. (Siehe Abbildung.) In der Mitte liegt das königliche Zimmer, länglich oval, wie ein Backofen, anfangs nicht einen Zoll, später aber, sowie die Königin an Größe zunimmt, wohl 8 Zoll lang. Die Wände bestehen rings aus Lehm, der Boden ist wagerecht, und gegen einen Zoll dick, die Bühne gewebt und fast ebenso dick, die Seitenwände aber dünner und darin sind einander gegenüber zwei Oeffnungen oder Thüren, aber so eng, daß nur die Arbeiter und die Soldaten, keineswegs aber der König und die Königin, welche zur Legezeit 1000 mal größer ist, als jene, heraus und hinein kann. Das königliche Zimmer ist bei einem großen Hügel stets mit einer unzähligen Menge anderer Zimmer von verschiedener Größe und Gestalt umgeben, die sich bald in einander öffnen, bald durch einen weiten Gang mit einander verbunden und zum Aufenthalte der Soldaten oder Arbeiter oder des Gesindes bestimmt sind, wovon immer eine große Zahl gegenwärtig sein muß, um die Befehle auf den Wink zu erfüllen. An diese Vor- oder Gesindezimmer stoßen die Vorrathskammern und Ammenstuben. Jene bestehen aus Thon und der Vorrath ist eine Art Gummi, die Kinderstuben aber sind von Holz und mit Gummi gut verkittet. Anfangs liegen sie dicht um das königliche Gemach, später aber, wenn die Königin mehr Eier zu legen anfängt, deshalb mehr Diener braucht und die Zimmer zu eng werden, werden sie abgerissen und in einiger Entfernung größer gebaut, wobei auch das königliche Gemach größer gemacht wird. Spuren von solcher Nachhülfe kommen auch bei Bienen und Ameisen vor, und an den senkrechten Wänden sieht man nicht selten halbzollbreite Leisten wie eine Treppe, bisweilen sogar von einem Schwibbogen zum andern gesprengte frei schwebende Brücken, die bis 10 Zoll lang, 1/2 Zoll breit und 1/4 Zoll dick sind. Diese Kammern steigen bis 2/3 oder 3/4 des ganzen Gebäudes in die Höhe, so daß darüber ein leeres Gewölbe wie die Kuppel einer Kirche bleibt und auch ebenso durch Schwibbogen gestützt wird.

Weder Arbeiter noch Soldaten kommen je an die freie Luft, sondern arbeiten immer unter der Erde oder unter den Baumstämmen, welche sie zerstören, fort. Sie scheinen zu wissen, daß ihnen außen Gefahr droht und ihnen kleinere Vögel, Hühner, Eidechsen etc. auflauern, und wagen sich deshalb auch nur im äußersten Nothfalle heraus. Sie ziehen, um dies zu vermeiden, ihre Gänge mehrere Hundert Schritte weit unter der Erde fort und stoßen sie dabei auf einen Felsen, unter den sie nicht durchkommen, so bauen sie einen verdeckten Gang darüber hinweg. Zerstört man ihnen einen solchen Gang 5 bis 6 Schritte lang, so ist er dennoch am andern Morgen wieder hergestellt und mit Hin- und Hergehenden angefüllt.

Weil bei den andern Insekten kein eigener Soldatenstand vorkommt, so verdient derselbe bei den Termiten besondere Aufmerksamkeit. Selbst zu arbeiten halten sie unter ihrer Würde, sie überlassen dies den geringern Arbeitern, über die sie die Aufsicht zu führen und den Platz zu vertheidigen haben. Schlägt man mit einer Hacke oder einem Beil ein Loch in ihren Hügel, so erscheint nach wenigen Secunden ein Soldat, um zu sehen, was vorgeht, dem aber sofort mehrere und bald soviel, als nur die Bresche durchlassen will, folgen. In der Hitze und Wuth stürzen sie, ihres schweren Kopfes wegen, oft an der Seite des Hügels herunter, klimmen aber bald wieder hinauf und beißen, weil sie blind sind, in jedes Ding, an das sie rennen, wodurch ein lautes Geräusch, wie das Picken einer Taschenuhr entsteht. Sie beißen sich so arg in die Beine des Menschen hinein, daß zollgroße Blutflecken entstehen und schlagen dabei ihre gekerbten Kiefern so tief ein, daß sie nicht loslassen, selbst wenn man sie entzwei reißt. Zieht man sich aber zurück und weicht ihnen aus, so ziehen auch sie sich nach ungefähr einer halben Stunde wieder in ihre Festung zurück und nun kommen die Arbeiter zu Tausenden mit einem Klumpen Mörtel im Maule hervor, um den Schaden wieder auszubessern und ungeachtet der anscheinenden Verwirrung sieht man in sehr kurzer Zeit einen Wall emporsteigen, der die Bresche ausfüllt. Unter 1000 Arbeitern sieht man dabei hier und da einen Soldaten herumschlendern, der sich aber nie um den Mörtel bekümmert. Er stellt sich dicht an den Wall, dreht sich gemächlich nach allen Seiten um, als wenn er die Aufsicht führen müßte und beißt alle zwei Minuten auf das Gebäude, wodurch ein Schall entsteht, der von den Arbeitern durch ein lautes Gezisch erwiedert wird. Sie verdoppeln dann ihre Schritte und arbeiten schneller als vorher. Sie müssen also eine Zeitrechnung in sich haben und wohl dürfte ihnen dabei, nach der Kürze ihres Lebens, die Minute eine Stunde sein.

Man hat mit großer Mühe und Kraftanstrengung schon mehrere Tausend Zimmer und Gänge blosgelegt, aber man muß dabei sehr rasch sein, weil sonst während man untersucht, die Arbeiter so schnell alle Gänge verstopfen, daß man nur einen unförmlichen Lehmklumpen findet. Das königliche Gemach erkennt man theils aus seiner Lage in der Mitte, theils aus der Menge von Arbeitern und Soldaten, welche es umgeben und bis auf den Tod vertheidigen. Nimmt man das königliche Gemach ganz heraus und thut es in eine Glaskugel, so kann man

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_051.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)