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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

„Na ja.“

Damit war die Sache entschieden. Der unermüdliche Tram setzte sofort den Contrakt auf, der nicht sobald unterzeichnet war, als der Bräutigam seine Uhr herauszog und sagte:

„Ich dächte, wir machten nun, daß wir nach Hause kämen.“

Und sofort brach die Gesellschaft auf, ohne daß Braut oder Bräutigam ein einziges zärtliches Wort gewechselt oder einander auch nur die Hand gedrückt hätten, – aber freilich hätte es sich auch nicht recht geschickt, in Gegenwart Anderer sich solche Vertraulichkeiten zu erlauben.

Acht Tage später sah man Braut und Bräutigam, jedes mit einem Regenschirm unter dem Arm und auf entgegengesetzten Seiten der Straße nach dem Pfarrhause gehen, um das Aufgebot zu bestellen und drei Wochen später war kein kleiner Lärm im Dorfe, denn der Sohn des reichen Niels Skytte ward mit der Tochter des reichen Johann Lanesen getraut.

Ich bekam leider nichts von dieser Festlichkeit zu sehen, bei welcher ich außerdem ganz gewiß die schmeichelhafte Rolle eines Ehrengastes gespielt haben würde. Ich hatte mittlerweile mit meiner Compagnie ausrücken müssen und als ich wiederkam, saß mein alter Wirth, seine Pfeife schmauchend, auf der Bank vor der Hausthür und sah seinem Schwiegersohn zu, welcher geschäftig auf dem Hofe umher und in die Scheune hinein und heraus lief. Die kleine Marie war in der Milchkammer und wusch Butter aus, ihr Mann hatte schon wieder eine Kuh gekauft, und es läßt sich kaum daran zweifeln, daß sie eine glückliche Gattin in einem Lande sein wird, wo das häusliche Glück lediglich auf der Grundlage des Reichthums beruht.

Was übrigens die Werbeangelegenheiten betrifft, so habe ich ganz im Stillen mir gesagt, daß mit einigen Abänderungen die Sache in unserer Heimath, bei Baronen, Banquiers und Gevatter Schneider und Handschuhmacher ganz in derselben Weise betrieben wird.




Das Friedens- und Kriegsleben der Ameisen.[1]

(Ein Beitrag zur Thierseelenkunde.)

Mancher unserer Leser wird beim Lesen der Ueberschrift dieses Artikels ungläubig lächeln. Und doch ist es eine Wahrheit, daß auch in den Thieren eine Seele lebt. Denn mag auch das Thierreich tief unter uns anfangen, wir gehören noch dazu, mögen auch selbst die höchsten Thiere noch unter uns stehen, sie stehen uns doch schon so nahe, daß wir uns zu ihnen herablassen können, und je mehr wir uns dann mit der Seele der Thiere, dem Köstlichsten, was auch sie haben, beschäftigen, je klarer uns die verborgenen Kräfte derselben werden, um desto achtungswerther wird uns auch das Thier, um desto herrlicher die Natur! Wir werden in unsere Gartenlaube eine Reihe Artikel bringen, die den Beweis liefern sollen, daß die Thiere wirklich eine Seele, also neben dem mechanischen Leben auch ein freies geistiges Leben und, so weit eines jeden Welt reicht, eine eigene, überlegte, selbstständige Willenskraft haben und daß sie also nicht blos reine, nur vom dunklen, unbewußten Naturtriebe bewegte Maschinen sind. Wir beginnen mit den Ameisen, einer, was die Seelenkräfte anlangt, sehr untergeordneten Thiergattung, deren Leben und Schaffen aber einen höchst interessanten Einblick in das Treiben der Thierwelt giebt.

Bei den Bienen gehorcht alles einer Königin und alle unterwerfen sich ihr unbedingt, bei den Ameisen dagegen ist kein König, keine Königin, sie sind Republikaner, Demokraten, sogar Socialisten und Communisten, und doch geht alles seinen geregelten Gang, jeder unterwirft sich in freiem Gehorsam dem von der absoluten Natur gegebenen Gesetze. Die Weibchen, deren mehrere oder viele in einem Baue wohnen, sind nur die Mütter, nicht die Herrscherinnen. Ein Regiment von vielen Weibern in einem Hause, worin Ordnung sein soll, kommt in der Natur nicht vor. Jede Ameise arbeitet für sich, aber unermüdlich erfüllen sie alle ihre Pflichten wie Tagelöhner, pausiren auch zuweilen, doch nur kürzere Zeit als diese und sonnen sich ein wenig. Weibchen, die sich noch nicht gepaart, haben noch etwas von der Natur der Arbeiter oder Geschlechtslosen an sich, denn sie wollen wie diese, den Jungen aus der Puppe heraushelfen. Nach der Paarung fällt es ihnen nie mehr ein; sie hat also, wie es sich von selbst versteht, auf ihre Psyche Einfluß.

Auch bei ihnen treten die drei Formen des Geschlechtes auf, Männchen und Weibchen sind geflügelt und zierlichern Baues, als die Arbeiter, welche keine Flügel, dagegen einen dickern Kopf und sehr starke Kinnbacken haben, daher den Larven, den Kindern, den Unverwandelten ähnlich sind. Alle Arbeiten werden nur von ihnen verrichtet und Männchen und Weibchen arbeiten nicht. Ihre Puppen, unsere sogenannten Ameiseneier lieben sie außerordentlich und schleppen und tragen sie, je nach der Feuchtigkeit des Bodens bald herauf, bald herunter, je nach dem Sonnenstand. Werden sie dabei angegriffen, so vertheidigen sie sie herzhaft und lassen sich lieber entzweireißen als die Puppe nehmen. Abends werden die Puppen sorglich, eine jede in ihre besondere Zelle getragen, doch haben auch sie, wie die Bienen, für jedes Geschlecht eine besondere Art Zellen. Auch die Weibchen werden bei ihnen hochgeachtet und paaren sich einige von ihnen in oder auf dem Haufen, so werden sie nicht fortgelassen. Die Arbeiter klammern sich dann aus allen Kräften an sie an, reißen ihnen die Flügel aus und hüten sie ganz eifersüchtig, als wenn ihnen klar wäre, daß von ihrem Dableiben das Fortbestehen, das Wohl der Kolonie abhänge.

  1. Eine Kenntniß des Naturgeschichtlichen der Ameisen setzen wir bei unsern Lesern voraus. Es ist bekannt, daß die Männchen kleiner als die Weibchen sind, daß beide nur zur Zeit der Begattung Flügel erhalten. Die Geschlechtslosen (Weibchen mit verkümmerten Eierstöcken) erhalten nie Flügel und verrichten alle auf Pflege der Jungen bezüglichen Arbeiten.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_048.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)