Seite:Die Gartenlaube (1853) 046.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

einer einzigen Tochter, der kleinen Marie, auf die er nicht wenig stolz war.

„Sehen Sie,“ sagte er zu mir, „Marie ist erst neunzehn Jahr alt, aber sie führt das Hauswesen schon so gut, wie ihre brave selige Mutter.“

„Aber wie lange werdet Ihr sie wohl noch im Hause behalten? Es wird schon mancher junger Bursche ein Auge auf sie haben.“

Marie war in der That ein sehr hübsches Mädchen.

„Ach, damit hat’s keine Gefahr,“ sagte er, und blinzelte mich schlau von der Seite an. „Es wird wohl nicht gleich einer kommen, und kommt einer und ist von der rechten Sorte - nun dann mag sie ihn in Gottes Namen nehmen. Ich bin nun in die Sechzig und kann mich zur Ruhe setzen.“

Was die kleine Marie selbst betraf, so schienen Heirathsgedanken das allerletzte zu sein, womit sie sich beschäftigte. Des Morgens, wenn ich noch im süßesten Schlummer lag, ward ich von lauten hellen Stimmen aufgeweckt und das Erste, was ich, wenn ich die Augen aufschlug, sah, war der Balken über meinem Kopfe, welcher hin und her schwankte, als wenn er im nächsten Augenblick zermalmend auf mich herabstürzen wollte. Aus der Küche ließ sich ein lautes Donnern und Pochen, Holzschuhgeklapper und Singen vernehmen. Es war Marie, welche den Schwengel der Butterfaßstange an den Deckbalken befestigte und sich bemühte, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden und die schwierige Aufgabe zu lösen, gleichzeitig zu buttern und nach einer selbstgeträllerten Melodie eine Polka in Holzschuhen zu tanzen.

Doch von Marien’s Gesang und Tanzkunst wollte ich eigentlich nicht sprechen, sondern von ihrer Verheirathung.

Es war Sonntag und sie kam eben aus der Kirche nach Hause. Da es geregnet hatte, so hatte sie ein Paar Holzschuhe angezogen, die gegen ihre feinen weißen Strümpfe und ihren übrigen ganz modernen und städtischen Anzug merkwürdig abstachen. Sämmtliche junge Leute waren in der Kirche gewesen und mein Wirth, der zu Hause geblieben war, hatte mittlerweile Besuch erhalten. Der Fremde war ein langer Mann in einem langen grauen Frack und mit einer Meerschaumpfeife im Munde. Er saß mit beiden Ellbogen auf den Tisch gestützt und den Kopf in beiden Händen haltend und sprach mit Lanesen.

„Nein, Klaus Tram,“ sagte mein Wirth, „das ist kein Mann für Marien. Sein ganzer Viehstand kann kaum ein paar hundert Thaler werth sein. Und Marie kriegt einmal mein Gut.“

„Ich will Euer Gut gar nicht schlecht machen,“ versetzte Tram, „aber ein Rittergut ist es auch noch nicht. Ihr solltet nur das Haus sehen, welches Carsten sich gebaut hat! Marie könnte wenigstens einmal hinübergehen und es sich ansehen.“

„Buten (auswendig) blank, binnen krank,“ antwortete Lanesen kopfschüttelnd; „was meinst Du dazu, Marie,“ fuhr er fort, indem er sich zu seiner Tochter wendete, die so eben eingetreten war; „hier sitzt Tram als Freiersmann für Carsten Carstensen, der aber ein ganz kleines Gütchen und kaum zehn Kühe hat.“

„Hm!“ sagte Marie.

„Nein, er hat zwölf Kühe,“ sagte Tram.

„Wir haben auf dem letzten Viehmarkte in Brarup die dreißigste gekauft,“ bemerkte Marie ruhig, während sie ihren Hut und ihr Umschlagetuch abnahm.

Die Männer sprachen noch eine Zeit lang über die Sache und endlich erhob sich Tram, um wieder fortzugehen.

„Ich sehe schon, daß wir nicht Handels einig werden,“ sagte er. „Na, es hat weiter nichts zu bedeuten; Carsten kann eine Frau kriegen, sobald er sie haben will, wenn es auch nicht gerade Eure Marie ist.“

„Hi! hi! hi!“ lachte mein Wirth. „Ihr könnt ja einmal wieder einen Sprung zu uns hereinkommen, Tram.“

Klaus Tram ist ein Mann von nicht geringer Bedeutung. Er hat ein nettes, kleines Gut mit einem Dutzend Kühen und eine ausgebreitete Bekanntschaft mehrere Meilen in der Runde. Er weiß genau, wie viel jeder Bauer im Vermögen hat und führt ein förmliches Register über sämmtliche heirathsfähige junge Bursche und Mädchen. Er ist jede Stunde bereit, Jedem, der es wünscht, eine Frau zu verschaffen und wenn vielleicht eine Wittwe sich nach einem andern Manne umsieht, der etwas Geld hat, um das Gut wieder in Betrieb zu setzten, so braucht sie sich nur an Klaus Tram zu wenden. Für eine kleine Erkenntlichkeit bringt er die Sache sofort in’s Reine, ohne daß die Betheiligten es nöthig haben, sich erst in einander zu verlieben oder Berechnungen anzustellen, oder zeitraubende Erkundigungen einzuziehen.

Den sogenannten „kleinen Leuten“ bleibt es in der Regel überlassen, ihre Lebensgefährten sich selbst zu wählen, denn bei ihnen sind nicht so viele und wichtige Punkte in Erwägung zu ziehen. Mit dem Besitzer eines großen Gutes aber ist es etwas ganz Anderes. „Geld sucht wieder Geld,“ sagt man hier, und es wäre eine furchtbare, aber wohl auch noch nie vorgekommene Mißheirath, wenn ein reicher Bauerssohn eine arme Häuslerstochter zur Frau nehmen wollte.

Klaus Tram hielt meinen Wirth beim Worte und es waren nur erst vierzehn Tage vergangen, so erschien der Heirathsagent wieder auf dem Hofe. Johann hieß ihn ziemlich mürrisch willkommen, aber nachdem sie eine Zeit lang draußen an der Schwelle mit einander gesprochen hatten, traten sie beide mit lächelnden Mienen in die Küche und Lanesen sagte zu seiner Tochter:

„Na, heute pfeift Klaus aus einem andern Tone!“ Der Sohn des reichen Niels Skytte läßt um Dich anhalten.“

„Den kenn’ ich nicht,“ sagte Marie.

„Na, das schadet nicht, Marie, Ihr könnt ihn Euch ja ansehen,“ sagte Tram. „Wenn Ihr und Euer Vater nichts dagegen habt, so können wir ja nächsten Sonntag einmal herkommen.“

„Mir recht,“ sagte mein Wirth, und die Sache schien vor der Hand abgemacht, aber diesmal durfte Klaus nicht so fortgehen, wie das vorige Mal. Heute mußte er sich niedersetzen und ich weiß nicht wie viel Tassen Kaffee trinken und als er fortging, begleitete ihn Johann bis an der Hofthor.

Der Sonntag kam und mittlerweile war das ganze Haus umgestürzt worden. In der Küche sah es aus wie in einer Porzellan- und Eisenwaarenhandlung, so vollgepfropft war sie von Tellern, Schüsseln, Krügen, Tassen, Kannen, Bratpfannen und allem andern möglichen Küchengeschirr und Kochgeräthschaften. Auf dem Heerde loderte

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_046.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)