Seite:Die Eroberung des Brotes.pdf/98

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

zwischen Autoren und Lesern zu dem Zwecke, die Arbeiten, an denen sie Alle Interesse nehmen, veröffentlicht zu sehen.

Es ist wahr, daß die gelehrte Gesellschaft – ganz wie das Journal des Bankiers – sich heute allerdings an einen Verleger wendet, der seinerseits wieder die Arbeiter, die den Druck des Buches besorgen, einstellt. Leute, die geistige Berufsarbeiten ausführen, verachten die Handarbeit, die sich heute allerdings auch unter total abstumpfenden Bedingungen vollzieht. Eine Gesellschaft jedoch, die jedem ihrer Mitglieder eine umfassende Erziehung, philosophischer und wissenschaftlicher Natur, angedeihen läßt, wird die körperliche Arbeit in einer Weise zu organisieren wissen, daß sie der Stolz der Menschheit wird; und die gelehrte Gesellschaft wird dann eine Vereinigung von Forschern, Interessenten und Arbeitern, kurz von Leuten sein, die alle eine Handarbeit kennen und sich alle für die Wissenschaft interessieren.

Wenn z. B. die Geologie der Gegenstand ihres Interesses ist, so werden sie alle ihr Scherflein dazu beitragen, um jeden Winkel und jede Tiefe der Erde zu durchsuchen, ein Jeder wird seinen Teil zu diesen Forschungen beitragen. Zehntausend Beobachter an Stelle von hundert werden mehr in einem Jahre leisten, als man heute in 20 Jahren leistet. Und wenn es sich darum handelt, die verschiedenen Arbeiten zu veröffentlichen, so werden 10 000 Männer und Frauen, in den verschiedensten Berufen beschäftigt, zur Stelle sein, um die Karten zu entwerfen, die Zeichnungen zu stechen, den Text zu setzen, und das Werk zu drucken. Freudig werden sie alle ihre Muße widmen im Sommer der Forschung, und im Winter der Werkstattarbeit. Und wenn dann ihre Werke erschienen sind, so werden sie nicht mehr hundert Leser finden: sie werden deren 10 000 finden. Alle interessiert für das gemeinsame Werk.

Die fortschreitende Entwicklung zeigt uns übrigens selbst diesen Weg.

Als sich England seinerzeit ein großes Diktionär seiner Sprache schaffen wollte, hat es nicht gewartet, bis ein Sprachgelehrter geboren wurde, der sein ganzes Leben dieser Arbeit widmete. Es hat an Freiwillige appelliert und tausend Personen haben sich von selbst und unentgeltlich angeboten, um die Bibliotheken zu durchsuchen, um so in wenigen Jahren ein Werk zu vollenden, zu dem ein ganzes Menschenleben nicht genügt hätte. Damit dieses Werk ein wahrhaft kollektives freilich zu nennen wäre, hätte man es in der Weise organisieren müssen, daß 5000 Freiwillige (Autoren, Drucker, Korrektoren) daran gemeinschaftlich gearbeitet hätten; aber auch dieser Schritt ist schon Dank der Initiative der sozialistischen Presse gemacht worden, die uns schon Beispiele für die Kombination von Hand- und Kopfarbeit liefert. Man kann dort häufig den Autor seines Artikels diesen selbst setzen und drucken sehen. Der Versuch ist noch ein minimaler, ein mikroskopischer, wenn man will: aber er bezeichnet den Weg, den die Zukunft einschlagen wird.

Auf allen Gebieten menschlicher Geistestätigkeit macht sich heute der gleiche Zug bemerkbar und man müßte die Menschheit schlecht kennen, um nicht zu ahnen, daß es die Zukunft ist, die sich in diesen

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/98&oldid=- (Version vom 27.8.2018)