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befinden werden? Wir würden lange darauf warten können – bis zur Wiederkehr der Reaktion!

Aus diesem Grunde sollten auch alle aufrichtigen Revolutionäre, auf Schärpe und Käppi, die Insignien der Herrschaft und Knechtschaft, verzichtend und auf der Seite des Volkes verbleibend, mit dem Volke darauf hinarbeiten, daß die Expropriation der Häuser eine vollendete Tatsache wird. Sie sollten darauf hinarbeiten, daß der allgemeine Ideengang eine derartige Richtung annimmt, sie sollten sich bemühen, diese Ideen zu verwirklichen. Und wenn sie gereift sein werden, wird das Volk zur Expropriation der Häuser schreiten, ohne den Theorien Achtung zu schenken, die man ihm zweifelsohne zwischen die Füße werfen wird, jene Theorien über die Entschädigung der Eigentümer und andere Hirngespinste.

An dem Tage, wo die Expropriation der Häuser geschehen sein wird, wird der Ausgebeutete, der Arbeiter, begriffen haben, daß neue Zeiten angebrochen sind, daß er nicht mehr den Rücken vor den Reichen und Angesehenen zu beugen hat, daß die Gleichheit aller ein Recht geworden, daß die Revolution eine vollendete Tatsache ist und nicht ein Theatercoup, wie man deren in dieser Richtung schon zu viele gesehen hat.

II.

Wenn die Idee der Expropriation eine populäre wird, so wird ihre Verwirklichung keineswegs vor unüberwindlichen Hindernissen, mit denen man uns stets zu drohen beliebt, Halt manchen müssen.

Gewiß, die betreßten Herren, welche auf den leeren Sesseln der Ministerien und des Hotel de Ville Platz genommen haben werden, werden nicht verfehlen, derartige Hindernisse aufzutürmen. Sie werden davon sprechen, daß man die Eigentümer schadlos halten, daß man zu diesem Zwecke Statistiken und Berichte anfertigen müsse – und diese Berichte werden dann so lang sein, und deren Verlesung wird so lange währen, daß das Volk inzwischen vor Elend verkommt und, an der Revolution verzweifelnd, den Reaktionären freien Spielraum läßt; kurz, sie werden damit endigen, einem Jeden die bureaukratische Expropriation verhaßt zu machen.

Das ist in der Tat eine Klippe, an der alles scheitern kann. Wenn aber das Volk den falschen Beweisführungen, mit denen man es zu verblenden sucht, kein Gehör schenkt, wenn es begreift, daß ein neues Leben neue Wege erfordert, und wenn es die Führung seiner Angelegenheiten selbst in die Hand nimmt, – dann wird die Expropriation keine großen Schwierigkeiten haben.

„Doch wie? Wie soll sie vor sich gehen?“[WS 1] wird man uns fragen. Wir werden es sagen, wenn auch mit einer Reserve. Es widerstrebt uns, einen Expropriationsplan bis in seine kleinsten Details auszuarbeiten. Wir wissen im voraus, daß alles das, was heute ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen plant, vom wirklichen Leben überholt werden wird. Dieses – sagen wir uns – wird alles das, was man ihm vorschreiben könnte, besser und einfacher verwirklichen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: schließendes Anführungszeichen fehlt
Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/77&oldid=- (Version vom 3.6.2018)