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Das Resultat wäre stets das gleiche: eine gewaltige Umwälzung im ökonomischen Leben, ohne die Möglichkeit, es auf neuer Grundlage zu organisieren; Stillstand in der Industrie, im Handel, ohne Rückkehr zu gerechten Prinzipien; eine absolute Unmöglichkeit für die Gesellschaft, ein harmonisches Ganzes zu schaffen.

Wenn der Landarbeiter sich vom Großgrundbesitzer befreit, ohne daß die Industrie sich vom industriellen Kapitalisten, vom Kaufmann, vom Bankier befreit – nichts wäre damit geschehen. Der Landmann leidet unter der Gesamtheit der bestehenden Verhältnisse; er leidet unter dem Tribut, den ihm der Industrielle auferlegt, indem er ihn 3 Mark für einen Spaten, der – im Verhältnis zur Arbeit des Landmanns – nur 0,75 Mark wert ist, zahlen läßt; unter den vom Staate erhobenen Steuern, der einmal nicht ohne eine entsetzliche Beamten-Hierarchie existieren kann; unter den Unterhaltungskosten der Heere: der Staat hält sie, da sich die Industriellen der verschiedenen Nationen in fortwährendem Kampfe um die Märkte befinden, da mit jedem Tag infolge eines Streites wegen der Ausbeutung irgend eines Teiles von Asien oder Afrika ein Krieg ausbrechen kann.

Der Landmann leidet unter der Entvölkerung des flachen Landes, dessen Jugend sich von den Fabriken der Großstädte anziehen läßt, sei es durch den Köder höherer Löhne, die zeitweise von den Fabrikanten der Luxusartikel gezahlt werden, sei es durch die Annehmlichkeiten des regen, bewegten Großstadtlebens; er leidet ferner unter der künstlichen Bevorzugung der Industrie, unter der Ausbeutung der Nachbarländer durch den Handel, unter dem Börsenspiel, unter der Schwierigkeit, den Grund und Boden und den Werkzeugmechanismus zu verbessern usw. usw. Kurz, der Ackerbau leidet nicht allein unter der Grundrente, sondern unter der Gesamtheit unseres gesellschaftlichen Lebens, – das auf der Ausbeutung beruht. Und wenn die Expropriation Allen nur die Möglichkeit schaffte, den Boden zu kultivieren und ihn auszunutzen, ohne daß man an jemand Renten zu zahlen brauchte, so würde – selbst wenn der Ackerbau dadurch einen zeitweisen Aufschwung erlebte, was noch nicht bewiesen ist – er doch bald wieder in den Zustand der Auszehrung zurückfallen, in dem er sich heute befindet. Kurz, es würden sich die gleichen Unzuträglichkeiten einstellen, und zwar noch in verstärktem Maßstabe.

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Dasselbe gilt für die Industrie. Uebergebt morgen den Arbeitern die Fabriken; macht, was man für eine gewisse Anzahl von Bauern getan hat, welche man zu Eigentümern an Grund und Boden machte. Beseitigt den Fabrikbesitzer, doch laßt dem „gnädigen Herrn“ das Land, dem Bankier das Geld, dem Kaufmann die Börse, laßt in der Gesellschaft diese große Schar der Müßiggänger, welche von der Arbeit des Arbeiters leben, bestehen, behaltet jene Tausende von Schmarotzerexistenzen bei, den Staat mit seinen unzähligen Beamten – und die Industrie wird nicht in Fluß kommen. Da man in der Masse der arm gebliebenen Bauern keine Käufer findet, da man nicht im Besitz der Rohstoffe ist, noch im Stande ist, die geschaffenen Produkte

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/51&oldid=- (Version vom 21.5.2018)