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Und in zwei bis drei Monaten werden frühzeitige Ernten aufsprießen, und die dringendsten Bedürfnisse lindern und ein Volk mit Nahrung versehen, welches nach so vielen Jahren Harrens endlich einmal seinen Hunger stillen und nach seinem Appetit essen kann.

Unterdessen wird der Erfindungsgeist des Volkes, der Erfindungsgeist eines Volkes, das sich empört und seine Bedürfnisse kennt, daran arbeiten, der Landwirtschaft neue Mittel zugänglich zu machen, die man heute schon am Horizont gewahrt und welche nur noch des Prüfsteins des experimentellen Versuchs bedürfen, um verallgemeinert zu werden. Man wird Versuche anstellen mit dem Licht – jenem verkannten Agens der Landwirtschaft, welches unter der Breite von Jakutsk die Gerste in 45 Tagen reifen läßt: in konzentrierter oder künstlicher Form wird das Licht einst noch mit der Wärme rivalisieren, um das Wachstum der Pflanzen zu beschleunigen. Ein Mouchot der Zukunft wird dann die Maschine erfinden, welche die Sonnenstrahlen leiten und arbeiten lassen wird, ohne daß man nötig hätte, die Wärme in den Tiefen der Erde, wie sie in der Kohle aufgespeichert liegt, zu graben. Man wird Versuche anstellen, um den Böden mit Kulturen von Mikroorganismen zu bevölkern – eine so rationelle, erst kürzlich geborene Idee, welche den Boden mit jenen kleinen Lebewesen versehen würde, deren die Pflanze so nötig bedarf, sei es als Nahrung für die Wurzelzellen, sei es, um den Boden in seine Bestandteile zu zerlegen und diese den Pflanzen zu assimilieren.

Man wird versuchen. . . . doch halt, gehen wir nicht weiter, betreten wir nicht das Gebiet des Romans. Bleiben wir in der Wirklichkeit der bestätigten Tatsachen. Mit den Verfahren, die heute schon in der Landwirtschaft in Gebrauch stehen, die heute schon als Sieger aus dem Kampfe gegen die Handelskonkurrenz hervorgegangen sind, können wir uns bei einer angenehmen Arbeit Wohlergehen und Luxus schaffen. Die nächste Zukunft wird zeigen, was Praktisches an den Eroberungen ist, welche die neuesten wissenschaftlichen Entdeckungen uns erhoffen lassen.

Beschränken wir uns gegenwärtig nur darauf, den neuen Weg, bestehend im Studium der Bedürfnisse und der Mittel ihrer Befriedigung, anzudeuten und anzubahnen.

Das einzige, was der Revolution fehlen könnte, wäre die Kühnheit der Initiative.

Abgestumpft durch unsere Schulinstitutionen, geknechtet in der Vergangenheit von der Wiege bis zum Grabe, wagen wir überhaupt kaum zu denken. Handelt es sich um eine neue Idee, so suchen wir uns nicht selbst eine Meinung zu bilden, sondern fragen gewöhnlich erst alte Scharteken um Rat, um zu sehen, was die alten Meister darüber gedacht haben.

Wenn nicht die Kühnheit des Gedankens und die Initiative der Revolution fehlen, so werden es auch nicht die Lebensmittel sein, welche mangeln.

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Von allen großen Tagen der großen Revolution war der schönste und großartigste jener Tag – welcher auch stets den Geistern am festesten

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/190&oldid=- (Version vom 21.5.2018)