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Das ist die Bilanz der Mühen, denen man sich zu unterziehen hätte, um nach Gefallen von den Früchten zu essen, deren wir uns heute berauben müssen, und um alle Gemüse im Ueberfluß zu haben, welche die Hausfrau heute so ängstlich zumißt, weil sie der Sous gedenken muß, mit denen sie den Industriellen und den blutsaugerischen Grundbesitzer bereichern soll.

Wenn die Menschheit doch nur das Bewußtsein dessen hätte, was sie vermag, und wenn ihr dieses Bewußtsein doch nur die Kraft zum Wollen gäbe!

Wenn sie nur wüßte, daß die Trägheit des Geistes die Klippe ist, an der alle Revolutionen bis zum heutigen Tage gescheitert sind.

VI.

Man sieht klar die neuen Horizonte, die der kommenden sozialen Revolution eröffnet sind.

Jedesmal, wenn wir von Revolutionen sprechen, furcht der ernsthafte Arbeiter, der seine Kinder einst ohne Brot gesehen hat, die Stirn und wiederholt uns: – „Und das Brot? – Wird man nicht dessen ermangeln, wenn Jedermann nach Verlangen essen kann? Und wenn das flache Land, unwissend, von der Reaktion bearbeitet, die Stadt aushungert, wie es die schwarzen Banden im Jahre 1793 getan haben? Was wird dann werden?“

Möge es das flache Land nur versuchen! Die Großstädte werden des flachen Landes entbehren können.

Welcher Mühe sollten sich jene Hunderttausende von Arbeitern, die heute in den kleinen Werkstätten und Manufakturen dahinsiechen, an dem Tage widmen, wo sie ihre Freiheit erlangen? Werden sie auch nach der Revolution in ihren ungesunden Arbeitsräumen hocken? Werden sie fortfahren, Luxusspielsachen für den Export zu produzieren, zu einer Zeit, wo sie sehen, daß das Getreide ausgeht, das Fleisch rar wird, das Gemüse aufgebraucht wird, ohne durch neues ersetzt zu werden?

Offenbar nein! Sie werden die Stadt verlassen, sie werden auf die Felder ziehen! Unterstützt von der Maschine, die selbst den Schwächsten unter uns gestattet, mit Hand anzulegen, werden sie die Revolution in die Landwirtschaft einer sklavischen Vergangenheit tragen, ebenso wie sie dieselbe in die Institutionen und in die Ideen getragen haben.

Dann werden sich Hunderte von Hektaren mit Wärmhäusern bedecken, und Mann und Weib werden daselbst die jungen Pflanzen mit behutsamen Fingern pflegen. Dort werden andere Hunderte Hektare mit dem Dampfschälpflug bestellt und mittels Düngers oder künstlicher Erde, die man aus der Pulverisation von Felsen gewonnen, verbessert werden. Legionen freudiger gelegentlicher Feldarbeiter werden auf diesen Hektaren eine bienenhafte Tätigkeit entfalten, geleitet, geführt bei ihrer Arbeit und bei ihren Versuchen zum Teil von denen, die der Landwirtschaft kundig sind, hauptsächlich aber durch den großen und praktischen Geist eines Volkers, das von einem langen Schlummer erwacht ist und welchem der Weg von jener herrlichen Leuchte erhellt und gewiesen wird – und vom Glücke Aller.

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/189&oldid=- (Version vom 21.5.2018)