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einem Zehntausendstel dieses Raumes alles hervorsprießen, was die Erhaltung der Seinigen erheischt.

Das Klima ist kein Hindernis mehr. Wenn die Sonne nicht scheint, so ersetzt sie der Mensch durch künstliche Wärme, und es steht zu erwarten, daß er zur Beschleunigung des Wachstums auch das Licht bald künstlich herstellen wird. Mit Hilfe von Glasdächern und Wasserheizung erntet er auf einem gegebenen Raum das Zehnfache von dem, was man früher auf ihm erzielte.

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Die in der Industrie vollbrachten Wunder sind noch viel erstaunlicher. Mit Hilfe jener mit Intelligenz begabten Wesen, – der modernen Maschinen (die Frucht dreier oder vier Generationen meist unbekannter Erfinder) fabrizieren heute hundert Menschen das, wovon 10 000 Menschen während zweier Jahre sich kleiden können. In den gut organisierten Kohlenbergwerken fördern in jedem Jahre hundert Menschen soviel Heizmaterial, als zur Erwärmung der Wohnungen von 10 000 Familien im kältesten Klima ausreicht. Man kann eine ganze Stadt voller wunderbarer Schönheit in wenigen Monaten entstehen sehen, ohne daß dabei auch nur die geringste Unterbrechung in den gewöhnlichen Arbeiten eingetreten ist.

Und wenn auch heute in der Industrie und im Ackerbau, wie in der Gesamtheit unserer sozialen Organisation die Arbeit unserer Vorfahren nur einer kleinen Minderzahl zugute kommt – so ist es doch nicht weniger sicher, daß sich heute schon die Menschheit eine Existenz in Reichtum und Luxus würde schaffen können, – unter einziger Hilfe jener Diener aus Eisen und Stahl, welche sie besitzt.

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Ja, wir sind reich, unendlich viel reicher, als wir gemeiniglich denken: reich durch das, was wir schon besitzen, reicher noch durch das, was wir mit Hilfe des gegenwärtigen Werkzeugmechanismus produzieren können und unermeßlich viel reicher durch das, was wir aus unserem Boden, aus unseren Manufakturen, mit Hilfe der Wissenschaft und unserem technischen Wissen werden erzielen können, wenn diese erst dazu dienen würden, um allen den Wohlstand zu schaffen.

II.

Wir sind reich in unseren zivilisierten Gesellschaften.

Woher also das Elend, das um uns herum herrscht? Warum da die harte, die Massen abstumpfende Arbeit? Warum diese Unsicherheit, wie es einem morgen ergehen wird, die selbst den bestbezahlten Arbeiter nicht verschont? Warum alles dies inmitten der von der Vergangenheit ererbten Reichtümer und trotz der gewaltigen Produktionsmittel, welche bei einer täglichen Arbeit von nur wenigen Stunden allen den Wohlstand schaffen könnten?

Die Sozialisten haben es ausgesprochen und es bis zum Ueberdruß wiederholt; sie wiederholen es jeden Tag und belegen es durch Beweise, die den gesamten Wissenschaften entlehnt sind: Weil alles, was zur Produktion nötig ist, der Boden, die Bergwerke, die Maschinen,

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/18&oldid=- (Version vom 21.5.2018)