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VORREDE ZUM FRANZÖSISCHEN ORIGINAL.

Peter Kropotkin hat mich gebeten, seinen Ausführungen einige Worte voranzuschicken. Ich muß gestehen, daß ich mich nur mit einem gewissen Widerwillen seinem Wunsche füge. Da ich zu dem Strauß der Argumente, welche er in seinem Werke beibringt, nichts hinzufügen kann, so laufe ich Gefahr, die Macht seiner Worte abzuschwächen. Doch die Freundschaft wird mich entschuldigen. In einer Zeit, wo es das höchste Ideal der französischen „Republikaner“ ist, sich vor die Füße des Zaren zu werfen, tut es mir wohl, mich den freien Männern zu nähern, welche er mit Ruten peitschen, in die Verließe einer Zitadelle einschließen oder in einem abgelegenen Hofe hängen ließ. In der Gemeinschaft dieser Freunde vergesse ich für einen Augenblick meinen Abscheu vor jenen Renegaten, welche sich in ihrer Jugend mit dem Rufe: „Freiheit, Freiheit“ heiser schrieen und sich heute bemühen, die beiden Weisen „La Marseillaise“ und „Boje Tsara Khrani“ zu vermählen.

Das letzte Werk Kropotkins „Les Paroles d’un Révolté“[WS 1] widmete sich vornehmlich einer scharfen Kritik der ebenso grausamen wie korrumpierten bürgerlichen Gesellschaft und appellierte zum Kampfe gegen den Staat und das kapitalistische System an energische Revolutionäre. Das vorliegende Werk, eine Fortsetzung der „Paroles“, ist friedlicher Natur. Es wendet sich an alle wohlmeinenden Menschen, welche aufrichtig wünschen, an einer Umgestaltung der Gesellschaft mitzuwirken und entwirft ihnen in großen Zügen die Phasen der kommenden Geschichte, wo es uns erlaubt sein wird, auf den Ruinen der Banken und Staaten die menschliche Familie zu begründen.

Der Titel des Buches: „La Conquête du Pain“ muß in weiterem Sinne verstanden werden, denn „der Mensch lebt nicht von Brot allein“. Zu einer Zeit, wo die Edelsten und Wackersten ihr Ideal sozialer Gerechtigkeit zu lebender Wirklichkeit zu machen suchen, kann sich unser Ehrgeiz nicht auf die Eroberung des Brotes, selbst wenn es vom Wein und Salz begleitet ist, beschränken. Es gilt, alles zu erobern, was notwendig oder nützlich für den Komfort des Lebens ist, es gilt allen die volle Befriedigung ihrer materiellen wie ideellen Bedürfnisse zu sichern. Solange wir nicht jene erste „Eroberung“ gemacht haben, solange es „noch Arme unter uns gibt“, ist es nichts als bitterer Hohn, jenem Haufen menschlicher Wesen, welche sich hassen und sich gegenseitig

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Deutscher Titel: „Worte eines Rebellen“
Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite XIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/13&oldid=- (Version vom 21.5.2018)