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wird der Neger nicht arbeiten“ – sagten die Sklavenhalter. „Steht der Vogt nicht mehr hinter ihnen, so wird der Leibeigne die Felder unbebaut lassen“, sagten die russischen Grafen. – Dasselbe Lied wurde von den französischen Adligen im Jahre 1789 gesungen, dasselbe Lied im Mittelalter, dasselbe Lied, so alt wie die Welt, hören wir auch heute jedesmal, wenn es sich darum handelt, eine menschliche Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen.

Und jedesmal hat die Wirklichkeit ein schlagendes Dementi gegeben. Der befreite Bauer vom Jahre 1792 verrichtete seine Feldarbeit mit einer Energie, die seinen Vorfahren unbekannt war. Der befreite Neger leistete mehr als seine Väter; und nachdem der russische Bauer den Honigmond seiner Befreiung dadurch gefeiert hatte, daß er den „Heiligen Freitag“ in gleicher Weise als den Sonntag ehrte, hat er seine Arbeit wieder aufgenommen und zwar um so intensiver, je vollkommener seine Befreiung gewesen war. Da, wo kein Mangel an Land war, bebaute er die Felder mit Leidenschaft.

Das alte Lied der Sklavenbarone kann wohl für die Besitzer der Sklaven Bedeutung haben. Was die Sklaven selbst betrifft, so wissen sie, was es wert ist: sie kennen seine Motive.

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Uebrigens, haben denn nicht die Oekonomisten selbst gelehrt, daß, wenn schon der Lohnsklave eine leidlich gute Arbeit liefert, eine wirklich intensive und produktive Arbeit nur von dem Manne erlangt werden kann, der sein Wohlergehen im Verhältnis zu seinen Anstrengungen wachsen sieht? Alle Lobgesänge, die zu Ehren des Eigentums angestimmt werden, laufen auf dieses Axiom hinaus.

Denn – und dies ist sehr bemerkenswert – wenn die Oekonomisten in ihren Verherrlichungen des Eigentums uns zeigen, wie ein unbebautes Land, ein Sumpf oder ein steiniger Boden sich mit reichen Ernten bedeckt unter der harten Arbeit des Bauern als Eigentümer, so beweisen sie damit keineswegs etwas zu Gunsten des Eigentums.

Mit der Voraussetzung, daß die einzige Garantie, um nicht der Früchte seiner Arbeit beraubt zu werden, in dem Besitze der Arbeitsinstrumente besteht – was unbestreitbar ist –, beweisen sie einzig, daß nur der Mensch wirklich produziert, der in voller Freiheit arbeitet, der eine gewisse Auswahl in seinen Beschäftigungen hat, der nicht unter einer peinlichen und hinderlichen Ueberwachung steht, der da sieht, daß ihm wie allen Anderen, die gleich ihm tun, der Nutzen seiner Arbeit zufällt und nicht dem ersten besten Müßiggänger.

Was die Form des Besitzes an den Arbeitsinstrumenten anbetrifft, so läuft dieses Moment in ihrer Beweisführung nur indirekt und zu dem Zwecke mit unter, um dem Bauer zu versichern, daß niemand ihm den Gewinn an seinen Produkten und seinen Bodenverbesserungen rauben wird. Um ihre These zugunsten des Privat-Eigentums gegenüber jeder anderen Form des Besitzes zu erhärten, müßten uns die Oekonomisten den Beweis liefern, daß unter der Form des Gemeindeeigentums die Erde niemals ebenso reiche Ernten getragen hat, als in der Zeit, wo

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/128&oldid=- (Version vom 17.8.2017)