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befördern? Wenn die Gesellschaften, die Besitzer der Eisenbahnen sich haben verständigen können, warum sollten die Arbeiter, nachdem sie sich der Eisenbahnen bemächtigt haben, sich nicht in gleicher Weise ins Einvernehmen setzen können? Und wenn die Gesellschaft von Petersburg-Warschau und die von Paris-Belfort miteinander auskommen können, ohne sich den Luxus eines beiderseitigen Befehlshabers zu gestatten, warum sollte man dann in dem Schoße der von uns geplanten Gesellschaften, jede aus einer Gruppe freier Arbeiter bestehend, eine Regierung notwendig haben?“

II.

Wenn wir durch Beispiele zu zeigen versuchen, daß die Menschen heute schon trotz der Ungleichheit, die in der Organisation der gegenwärtigen Gesellschaft vorherrscht, sich sehr wohl verständigen können und zwar ohne die Intervention einer Autorität – vorausgesetzt nur, daß sich ihre Interessen nicht diametral zuwiderlaufen – so sollen wir auch keineswegs die Einwürfe, die dagegen erhoben werden, unberücksichtigt lassen.

Alle diese Beispiele haben ihre fehlerhafte Seite; denn es ist augenblicklich unmöglich, eine einzige Organisation anzuführen, die nicht auf der Ausbeutung des Schwachen durch den Starken, des Armen durch den Reichen beruhte. Aus diesem Grunde verfehlen auch nicht die Staatssozialisten, mit der sie kennzeichnenden Logik uns entgegenzuhalten: „Ihr seht also wohl, daß die Intervention des Staates notwendig ist, um dieser Ausbeutung ein Ende zu machen.“

Ungeachtet der Lehren der Geschichte verschweigen sie uns, daß gerade der Staat wesentlich dazu beiträgt, diesen Stand der Dinge zu erschweren, indem er das Proletariat schaffen hilft und widerstandsunfähig seinen Ausbeutern überliefert. Und sie werden auch die einfache Schlußfolgerung zu ziehen vergessen, nämlich die, daß es unmöglich ist, die Ausbeutung zu beseitigen, so lange deren vornehmliche Ursachen, das individuelle Kapital und das Elend, künstlich für zwei Drittel der Bevölkerung durch den Staat aufrecht erhalten, weiter bestehen bleiben.

Hinsichtlich des Einvernehmens zwischen den Eisenbahngesellschaften werden sie vorausichtlich folgendes sagen: „Seht Ihr denn nicht, wie die Eisenbahngesellschaften ihre Angestellten und die Reisenden drücken und schlecht behandeln! Es bedarf der Intervention des Staates, um die Oeffentlichkeit zu schützen.“

Aber haben wir es nicht gesagt und wie viele Male wiederholt, daß es, solange es Kapitalisten geben wird, auch Mißbräuche dieser Art geben wird. Gerade der Staat – der vermeintliche Wohltäter, ist es, welcher den Gesellschaften diese furchtbare Macht gegeben hat, welche sie heute besitzen. Hat er ihnen nicht die Konzessionen, die Monopole geschaffen? Hat er nicht seine Truppen gegen die Angestellten der Eisenbahnen gesandt, wenn diese sich in Streiks befanden? Und in der ersten Zeit ihres Bestehens – dieses sieht man heute noch in Rußland – hat er da nicht das Privilegium dieser Gesellschaften soweit ausgedehnt, daß

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/117&oldid=- (Version vom 3.6.2018)